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Rocker aus San Francisco: Die Wooden Shjips

© Jason Powers

Wooden Shjips live im Lido: Haight Ashbury in Kreuzberg

Psychedelisches Wabern: Die entspannten Retro-Rocker Wooden Shjips nehmen ihr Publikum im Lido mit auf eine Zeitreise.

Wie oft denkt man als Spätgeborener: „Hätte ich doch nur eine Zeitmaschine, um all die großen Bands der sechziger Jahre einmal live sehen zu können!“ Ein Bedürfnis, das auch die kalifornische Psychedelic-Rock-Band Wooden Shjips nicht wirklich befriedigen kann – aber sie vermittelt zumindest eine Ahnung davon, wie sich eine solche Zeitreise anfühlen könnte.

Wer am Montagabend das Lido in Kreuzberg betritt, sieht sich unvermittelt nach Haight Ashbury 1969 zurückversetzt: Bassist Dusty Jermier erscheint mit schulterlanger Wallemähne und Nickelbrille auf der Bühne, Gitarrist und Sänger Ripley Johnson mit Rauschebart und Batik-Shirt steht dem in nichts nach. Während psychedelische Kaleidoskop-Projektionen über die Leinwand flackern, setzt ein treibender, krautiger Spacerock-Beat ein, der sich für die nächsten sieben Minuten nicht verändern wird. Dazu kommen Orgeltexturen, Johnsons mit sanfter Stimme genuschelte Texte und elegische Gitarrensoli, die wie LSD-Schlieren aus den Boxen wabern.

Dass sie ein lupenreines Retro-Projekt sind, daraus haben die Wooden Shjips nie einen Hehl gemacht: Bereits der Bandname referiert auf die Hippie-Hymne „Wooden Ships“ von Crosby, Stills & Nash, alle ihre bislang fünf Alben sind nicht länger als 45 Minuten, da Bandleader Johnson konsequent im Vinylformat denkt. Auf dem Cover ihres aktuellen Albums „V“ ist eine naiv-bunte Landschaft zu sehen, in der eine versteinerte Hand steht, die das Peacezeichen zeigt. Ripley Johnson nimmt es gelassen, dass er und seine Kollegen mitunter als hängen gebliebene Nostalgiker gesehen werden: „Wenn man eine Rockband ist, dann ist man laut Definition schon irgendwie retro“, hat er einmal in einem Interview gesagt.

Keine Höhe- oder Tiefpunkte

Beim Konzert verändern sie gelegentlich das Tempo ihrer Lieder, aber im Prinzip ist es stets diese Mischung aus Grateful Dead, Neil Young und Hawkwind, die ebenso simpel wie großartig funktioniert. Eine endlose, warme Musik, in der man sich mühelos verlieren kann. Überraschungen? Fehlanzeige. So, wie die Songs beginnen, enden sie auch. Eine Formel, die sich auf das gesamte Konzert übertragen lässt: Es gibt keine echten Höhe-, aber auch keine Tiefpunkte. Ansagen zwischen den Songs gibt es ebenfalls nicht, dafür Vogelgezwitscher vom Band.

Das Publikum lässt sich von diesem Flow gerne einsaugen, schon bald ist die Luft von süßlichem Marihuana-Dunst erfüllt. Für die musikalischen Outlaws, die konsequent ihr Ding durchziehen, gibt es an diesem Abend nur Liebe.

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