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Attacke auf die Festplatte. Code des Stuxnet Virus in Alex Gibneys Dokumentation „Zero Days“.

© Berlinale

"Zero Days" auf der Berlinale: Wettrüsten im Cyberspace

Ein schrecklicher Fehler, für den niemand Verantwortung übernehmen will: Alex Gibney seziert in seinem Wettbewerbsfilm „Zero Days“ den Stuxnet-Virus.

Er sei es leid, platzt es aus Alex Gibney heraus, dass sich beim Thema Stuxnet jeder in Schweigen hülle. Sein Gesprächspartner vor der Kamera lacht verständnisvoll. Sicher, auch er könnte jetzt losplaudern, aber sein Lachen verrät, dass er es nicht tun wird.

Es muss frustrierend gewesen sein, diesen Film über das Stuxnet-Virus zu drehen. Seit Bekanntwerden der Malware im Jahr 2010 ist die Urheberschaft durch die amerikanische NSA und den israelischen Mossad unbestritten, doch noch immer weigern sich die Beteiligten ihr als „top secret“ klassifiziertes Wissen preiszugeben. Das hat einerseits mit der Geheimhaltungspolitik zu tun, die Geheimdienste verfolgen, andererseits mit einem schrecklichen Fehler, für den niemand Verantwortung übernehmen will.

Nicht mehr zu kontrollieren

Stuxnet gilt als gefährlichstes Schädlingsprogramm, das Menschen bis heute konstruiert haben. Als Einstieg in einen Cyberwar, der Menschen töten kann, wenn technische Apparaturen direkt sabotiert werden und die Infrastruktur ganzer Staaten kollabiert. Das Virus ließ sich auf Microsoft-Computern überall in der Welt nachweisen, ohne dass es dort in Aktion getreten wäre. Es dauerte Monate, bis selbst die versiertesten Hacker sein Geheimnis entschlüsselt hatten. Was sie sofort erkannten: Wer so viel Raffinesse aufwandte für ein offenbar sehr spezielles Ziel, hatte etwas in die Welt gesetzt, das nicht mehr zu kontrollieren sein würde.

So wirkt die Anamnese des Stuxnet- Virus’ in der aufwändig inszenierten und fesselnden Rekonstruktion von Oscarpreisträger Alex Gibney („Taxi zur Hölle“) wie ein Thriller, erzählt aus der Perspektive der Stuxnet-Entdecker. Ergänzt wird das Ganze um Gespräche mit den „Vätern“ der Cyber-Attacke, deren Ziel die iranische Urananreicherungsanlage in Natanz war. Formal wählt Gibney die übliche Dramaturgie: Gespräche mit Beteiligten werden gegeneinander geschnitten und durch historisches Originalmaterial in zeitlichen Kontext gesetzt. Bestechend ist, wie hier Stuxnet mit seinen Befehlsketten als ein Text lesbar gemacht wird, in dem sich einzelne Botschaften verbergen.

Keine Bugs, keine Rückschlüsse

Als Stuxnet entdeckt wurde, überraschte es die Welt durch die Brillanz seines Aufbaus. Keine Bugs, keinerlei Rückschlüsse auf seinen Entstehungsort. Und darüberhinaus waren auch zwölf so genannte „Zero Day“-Exploits eingebaut, jeder einzelne hätte auf dem Hacker-Markt einen Wert von über 150 000 Dollar gehabt. Tatsächlich war dies jedoch nicht die erste Version des Wurms. Es hatte eine frühere gegeben, wie man heute weiß. Sie war über Verbindungen des Mossad in dem vom Internet abgekoppelten Laboratorium von Natanz eingeschleust worden, wo sie die Zentrifugen zur Urananreicherung zerstörte. Die Atomtechniker konnten sich keinen Reim auf den massenhaften Ausfall ihrer hochsensiblen Geräte machen.

Es lief perfekt. Außer Kontrolle geriet die Sache für die Cyberkrieger, als sie sich den Zugang zu Natanz über Zulieferfirmen verschafften und dafür deren Computersysteme infizieren mussten. Die Techniker sollten verseuchte USB-Sticks in die Anlage tragen, ohne es zu wissen. Für diese Operation musste Stuxnet umgeschrieben und aggressiver werden. Es ist ein großartiger Moment in dieser Spionage-Story, wenn ein NSA-Beteiligter außer sich gerät vor Entrüstung über diesen israelischen Vorstoß, der die Geheimhaltung preisgab.

Die Botschaft: Wir können das jetzt auch

Nun ist Stuxnet in der Welt, und Gibney zitiert Leute aus dem US Cyber Command, die es als kleinen Teil einer viel größer angelegten Operation beschreiben. Ihr Name: „Nitro Zeus“. Die digitalen Waffen sind in Stellung gebracht. Der Iran revanchierte sich mit Sabotage-Akten gegen den Öl-Giganten Aramco und US-Banken. Seine Botschaft: Wir können das jetzt auch.

Dem Wettrüsten im Cyberspace misst Gibneys Film großes Gewicht bei. Der Dokumentarfilmer plädiert für eine Debatte über diese Kriegsführung. Bei der Eindämmung von chemischen, biologischen und atomaren Waffen habe das funktioniert. Nun sollen so auch die digitalen Konflikte befriedet werden, meint er. Sein Film allerdings zeigt, wie schnell sich USA und Iran auf eine Atom-Regelung einigen konnten, nachdem sie sich ihre Folterinstrumente gezeigt hatten. Das ist die neue Logik des Schreckens.

18.2., 9.30 Uhr, 19.2. 12.15 Uhr (Friedrichstadt-Palast) und 19.2., 22.30 Uhr (International)

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