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Mazda greift an: Mit mächtigem Kühlergrill und Überholprestige inklusive

© Rainer Ruthe

Mazda CX-60 e-SKYACTIV D 200 Takumi: Großes Auto, kleiner Durst

Die Japaner greifen die deutschen Hersteller im Premium-Segment mit einem SUV an – dessen Sechszylinder-Diesel keine fünf Liter verbraucht.

Mazda will nach oben in die Premium-Liga der Luxus-SUV – und stellt deshalb hierzulande mit dem neuen CX-60 ein optisch imposantes SUV auf die 20-Zoll-Räder, das es in dieser Wucht bislang bei den Japanern nicht gab: 4,75 Meter lang, 1,89 Meter breit und 1,68 Meter hoch. Der Radstand fällt mit 2,87 Meter üppig aus. Und mit dem schwarzglänzenden Riesengrill sowie den scharf geschnittenen LED-Scheinwerfern hat der CX-60 gleich Überholprestige serienmäßig an Bord. Dieser Japaner braucht sich vor den Mercedes, Audi und BMW in dieser Klasse nicht zu verstecken. Er ist anders, und er fällt im SUV-Einerlei auf.

Kein barockes Bling-Bling

Steigen wir also ein. Das geht locker vonstatten. Der Innenraum überrascht. Auch hier machen es die Japaner, gerade in der von uns gefahrenen Topversion Takumi, anders als die bekannten Platzhirsche. Statt des geradezu barocken Bling-Bling eines Mercedes setzen sie lieber auf den Charme eines reduziert cleanen Designs mit textilbezogener Instrumententafel, filigran gearbeiteten Nähten und Oberflächen sowie der weißen Nappalederausstattung.

In der Ruhe liegt die Kraft: Der Sechszylinder-Diesel läuft ausgesprochen niedertourig. Bei Tempo 100 dreht sich die Kurbelwelle gerade mal 1500 Mal in der Minute.

© Rainer Ruthe

Man schaut sich das alles gern an, weil es nicht überladen wirkt. Selbst bei den Anzeigen bleiben die Japaner bodenständig: Wer nicht genau hinschaut, könnte meinen, es handele sich um sehr gut gemachte analoge Anzeigen. Falsch. Es handelt sich vielmehr um ein digitales Cockpit mit sehr gut gemachten animierten Analoganzeigen.

In der Takumi-Topversion ist auch das so genannte Driver Personalization System serienmäßig an Bord. Es findet automatisch anhand einer Gesichtserkennung und Eingabe der Körpergröße die adäquate Sitzposition, und es passt auch die übrigen Einstellungen (Lenkrad, Spiegel, Head-up Display, Klimaanlage, Sound- und Assistenzsysteme) den persönlichen Vorlieben an. Witzig. Gut gemacht, Mazda.

Schnell stellt sich ein wohliges Gefühl der Erhabenheit ein: hoch sitzen, Übersicht genießen und stundenlang bequem fahren in den ausgezeichneten Sitzen. Die Arbeitsposition passt, das Lenkrad liegt gut in der Hand, und die Bedienung klappt auf Anhieb. Halt, bis auf eine lästige Sache. Aber dazu später mehr.

Sanfter Diesel

Der Diesel umschmeichelt Fahrer und Passagiere mit einer für einen Selbstzünder ungewohnten Sanftheit. Ungewöhnlich ist auch das Leistungsband dieses Diesels: Der Reihensechser läuft ausgesprochen niedertourig, tritt aber bei Bedarf bärig aus dem Drehzahlkeller an, und oben raus ist schon bei knapp über 4000 Touren wieder Schluss mit lustig. Aber was soll´s: Diese Mildhybrid-Konstruktion der anderen Art funktioniert eben auch anders. In der Ruhe liegt die Kraft. Bei Tempo 100 dreht sich die Kurbelwelle gerade mal 1500 Mal in der Minute.

Wer nun meint, dass ein bärenstarker Diesel den CX-60 davon katapultieren müsste, der irrt. Auch in dieser Beziehung sind die Mazda-Leute konsequent: Die Technik ist auf höchste Effizienz ausgerichtet. Mit großem Erfolg, wie unser Praxistest zeigt. Fasziniert schaut man ab und zu immer wieder auf das breite mittlere Display, das die Effizienz dieses Selbstzünders eindrucksvoll dokumentiert.

Auf den insgesamt 2.100 Testkilometern flossen im Schnitt nur 4,7 Liter Diesel pro 100 Kilometer durch die Schläuche! Damit ergeben sich selbst bei dem recht kleinen 58-Liter-Tank Reichweiten von über 1000 Kilometer. Bei der obligatorischen Sparrunde waren es gar nur 4,1 Liter. Sensationell!

Segelnder Sechszylinder

Beim aufwendig konstruierten Sechszylinder bestehen Zylinderkopf und Motorblock aus einer leichten Aluminium-Legierung. Die Turboaufladung erfolgt mit variabler Turbinengeometrie und die Ladeluftkühlung über den Kühlkreislauf. Das ist nicht die Norm, aber effizient. Ebenso wie der in die serienmäßige Achtstufen-Automatik intergierte 17 PS starke Permanentmagnet-Synchronmotor, der auf die Eingangswelle wirkt.

Dieser integrierte Elektromotor ersetzt den dynamikraubenden Hydraulikwandler. Damit trägt er zu sanften wie effizienten Schaltvorgängen bei. Und so unterstützt der 153 Newtonmeter starke Elektromotor den Verbrenner beim Anfahren, bei niedrigen Geschwindigkeiten und natürlich beim „Segeln“. Dabei wird der Motor „abgekoppelt“ und verbraucht keinen Kraftstoff. Auch dieser Trick steigert die Kraftstoffeffizienz. Zudem scheint die neue eigens entwickelte DCPCI-Zündanlage mit doppelt eiförmigen Kolbenböden und einer auf die Millisekunde gezielten Mehrfacheinspritzung richtig gut zu funktionieren.

Die Leistungsdaten imponieren: 200 PS bei lässigen 3600 bis 4200 Umdrehungen pro Minute und ein maximales Drehmoment von 450 Newtonmeter bei 1400 bis 3000 Touren. Dieses Drehzahlband verspricht souveränes Fahren. So ist es auch im Alltag. Sprinten ist nicht das Ding des massigen CX-60. Aber warum auch? Was bringt es schon, wenn deutsche teure Premium-SUV auf 500 und mehr PS hochgepuscht werden, um sie dann mit allerlei elektrischen Helfern im Zaum zu halten?

Ein Reiseauto der besonderen Art - dank des geringen Verbrauchs reicht eine Tankfüllung fast 1000 Kilometer weit. 

© Rainer Ruthe

Der Sprint von null auf Tempo 100 in 8,4 Sekunden sowie eine Höchstgeschwindigkeit von 212 Kilometer pro Stunde sollten doch wohl ausreichen. Wem das nicht genug sein sollte, der wählt die stärkere Version des Sechszylinders: 254 PS und 550 Newtonmeter Drehmoment in Kombination mit dem Allradsystem Mazda i-Activ AWD. Aber nur sieben Kilometer pro Stunde schneller als die 200-PS-Version. Und auch nur eine Sekunde schneller beim Sprint aus dem Stand auf Tempo 100. Der Aufpreis? Stolze 3.500 Euro.

Federung nicht optimal

Die sehr lange Motorhaube lässt das Gefühl aufkommen, in einem „richtigen“ Geländewagen zu fahren. Die Federung verstärkt diesen Eindruck. Denn sie muss ohne adaptive Dämpfer auskommen, die eine breitere Spreizung und so ein sensibleres Ansprechen der Federung ermöglichen würden. Und die breiten 20-Zoll-Schlappen rumpeln leider harsch über Gullydeckel und schicken Stöße in den Innenraum. Im Großen und Ganzen erfüllt die Federung zwar ihren Zweck, Fahrer und Passagiere umsorgt zu transportieren. Doch in der Champions-League-Klasse ist das mit Blick auf die Deutschen (noch) zu wenig.

Um eine verbesserte Kurvenstabilität zu erreichen, hat Mazda das Kinematic Posture Control System“ (KPC) entwickelt, das durch leichtes Abbremsen des hinteren kurveninnen Rades Karosseriebewegungen auch bei höheren Geschwindigkeiten unterdrücken soll. Das funktioniert auffallend gut. Trotz seines üppigen Gewichts glänzt das 1,9 Tonnen schwere hinterradgetriebene Auto mit beruhigender Spurtreue. 

Auf der Autobahn fühlt sich der große Wagen in seinem Element – als Reiseauto der besonderen Art, mit dem man um Tankstellen lange Zeit einen Bogen machen kann. Und immer wieder beeindruckt der CX-60 mit seinem hohen Geräuschkomfort: „Das soll ein Diesel sein?“, fragt man sich, wenn der warm gefahrene Selbstzünder bei Autobahnrichtgeschwindigkeit zufrieden vor sich hin säuselt.

Übereifrige Fahrerassistenzsysteme

Doch nicht alles ist perfekt. Bei den Fahrerassistenzsystemen hat der CX-60, gemessen an seinem Anspruch, noch Luft nach oben. Diese elektronischen Helfer sollen eigentlich die Sicherheit erhöhen. Zuweilen sorgen sie jedoch eher für Erschrecken, ja sogar für Frust. Wer dem rechten Straßenrand zu nah kommt, weil einem sich breit machenden Lkw ausgewichen werden muss, dann meldet sich die Elektronik mit wütendem Protest, flackerndem Head-up-Display und rigidem Eingriff. Auch der Querverkehrswarner und die Ausstiegshilfe nerven zuweilen mit Fehlalarmen. Natürlich lassen sich die einzelnen Systeme auch ausschalten, aber so kann das ja nicht gedacht worden sein.

Mit dem Charme eines reduzierten Designs: textilbezogene Front, filigran gearbeitete Nähte und Oberflächen, weißes Nappaleder und analog wirkende, aber digitale Instrumente.  

© Rainer Ruthe

Apropos ausschalten. Das ist gar nicht so einfach. Da hilft nur intensives Durchforsten der Bedienungsanleitung beziehungsweise die gezielte Suche im Internet. Es gibt keine direkte Möglichkeit, per sichtbaren physischen Knopf/Schalter den übereifrigen und ruppig agierenden Spurwechselassistenten zu deaktivieren – wie das bei vielen Modellen anderer Hersteller möglich ist.

Beim CX-60 muss man erst auf den Button Favoriten gehen, dann im Untermenü Kollisionsvermeidung weiter scrollen, bis man die passenden Positionen gefunden hat, um sie zu deaktivieren. Umständlich. Und bei jedem Neustart wird dieser lästige Geselle automatisch wieder aktiviert. Da wir gerade beim Meckern sind. Die Verkehrszeichenerkennung ist wie ein Lotteriespiel. Mal hat sie einen Treffer, aber oftmals auch keinen. Man kann sich nicht darauf verlassen; das ist nicht gut.

Der CX-60 verwöhnt seine Passagiere mit üppigen Platzverhältnissen. Und für das Gepäck ist auch noch reichlich Freiraum vorhanden: 570 bis 1.726 Liter Volumen. Und 520 Kilogramm maximale Zuladung sollten auch reichen. Einen Vorteil kann der Mazda-SUV in die Waagschale werfen. Er ist eines der günstigsten Autos auf dem Markt, das einen gebremsten Hänger mit 2,5 Tonnen Gewicht ziehen kann.

Der Preis ist heiß

Apropos Preis. Der Ist Premium, aber nicht oberste Etage. Und das ist gut so. Los geht es bei 49.350 Euro. Das sind gut 4.000 Euro weniger, als ein viel kleinerer VW Tiguan mit 200-PS-Diesel kostet. Dafür bekommt man bei Mazda schon das Topmodell Takumi, das mit 53.250 Euro in der Preisliste steht. Mit jeder Menge Extras, die hier aufzulisten wohl den Rahmen sprengen würden, kostet der CX-60 59.650 Euro.

Nur mal zum Vergleich: Ein 269 PS starker Mercedes GLC 300 d 4Matic mit Neungang-Automatik, aber nur mit einem Vierzylinder-Diesel, ist gut 26.000 Euro teurer als der Mazda CX-60! Aber keine 26.000 Euro besser. Und hier müssen die Deutschen passen, denn die Japaner gewähren für den CX-60 sechs Jahre Neuwagen-Garantie bis 150.000 Kilometer, je nachdem, was zuerst eintritt.

Der Vergleich mag hinken, aber der CX-60 ist quasi der 1.FC Union Berlin in der Premium-SUV-Liga. Noch vor wenigen Jahren nicht für voll genommen, spielt der Verein jetzt in der Champions-League – keiner lächelt mehr. Dessen „Rezept“ ist auf den japanischen SUV in gewisser Weise übertragbar: Mit Pragmatismus besser werden, ohne Schnörkel, dafür mit klaren Ideen und einfachen Lösungen.

Mit dem CX-60 wollen auch die Japaner in die Champions-League. Das zeigt schon seine neue Größe; kein Mazda war bislang gewaltiger. Vieles haben die Japaner anders, vieles auch besser gemacht. Sie sind durchaus eine neue Größe in dieser automobilen Champions-League. Leicht werden sie es nicht haben, sich in dieser anspruchsvollen Liga festzusetzen, aber sie haben ihre spezielle Chance.

Beispielsweise mit einem der effizientesten Antriebe unserer Zeit. Ein Dauerläufer par excellence – und das noch für gut zehn Jahre, bis die EU-Politik den Verbrennungsmotor in Europa in die Zwangsrente schickt. In anderen Regionen der Welt wird der Selbstzünder noch viel länger den Autoalltag bestimmen. Oder wenigstens so lange, bis der Elektroantrieb seine Nachteile überwunden hat und bis die Ladeinfrastruktur endlich auf der Höhe der Zeit ist – und nicht zuletzt: bis der Strom wirklich aus erneuerbaren Energien kommt, und nicht aus Kohlekraftwerken, wie es derzeit noch der Fall ist.

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