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Partner suchen per Mausklick: Bei der Partnersuche versprechen Singlebörsen wie eDarling und Co. eine Liebe, die planbar ist.

© Tsp

Partnersuche im Internet: Oh my E-Darling

Den neuen Lebenspartner im Internet zu suchen, ist längst üblich und gilt als besonders effektiv. Aber wo bleibt beim Online-Dating zwischen Chat und E-Mail eigentlich die Romantik?

Immer mehr Singles versuchen ihr Liebesglück im Internet zu finden. In Partnerbörsen gibt es eine große Auswahl. Frau Schmickl, eine gut aussehende Österreicherin gesetzteren Alters und inzwischen wohnhaft in Berlin, ist noch einen Schritt weitergegangen: Sie lässt sich die Angebote in der Singlebörse jetzt vorsortieren. Weil es so wahnsinnig viel Zeit koste, sagt sie leicht klagend im Ton, die ganzen Profile zu lesen, diese ganzen Selbstbeschreibungen, in denen am Ende ja auch oft dasselbe drinstehe.

Dafür hat Frau Schmickl weder Zeit noch Muße. Also hat sie mit der Psychologin der von ihr beauftragten Onlinepartnervermittlungsagentur besprochen, was genau sie sucht, und nun liest die Psychologin sich durch die Zuschriften der möglichen nächsten Männer im Leben von Frau Schmickl und schaut, wer "matcht". „Matching“, so nennt man es, wenn die Agentur feststellt, dass etwas passt. Meistens stellt man das "Matching" durch einen Persönlichkeitstest fest, den man direkt auf der Seite online durchführen kann, wenn man sich dort anmeldet.

Frau Schmickl ist sehr zufrieden mit diesem Arrangement. Sie kann sich so ganz auf die Einrichtung ihrer neuen Berliner Existenz konzentrieren, und im Hintergrund läuft das „Suche-neuen-Mann“-Programm trotzdem weiter. Es ist wie die Waschmaschine anstellen, bevor man einkaufen geht. Oder wie jemanden engagieren, der einem die Weihnachtsgeschenke auspackt, damit man sich besser um den Braten kümmern kann.

Mit einem Wort: Online-Dating ist effektiv.

Effektiv ist das Wort, das immer fällt, wenn es um Onlinepartnersuche geht. Die Berliner Agentur E-Darling hat unlängst 762 ihrer Mitglieder nach Attributen gefragt, die sie ihrer Partnersuche anheften würden. „Modern“ war das meistgenannte, dann folgten bei Über-55-Jährigen „effektiv“ und „selbstbewusst“ (schließlich trägt man ein altes Fell zu Markte) und bei den Unter-35-Jährigen „effektiv“ und „verzweifelt“ (denn die Frage nach Familie setzt dramatisch unter Zeitdruck). Modern und effektiv also altersübergreifend zuvorderst. Zwei Attribute, die so ziemlich das Gegenteil von allem darstellen, was in altmodischen Vorstellungen zur Romantik gehört, zur herzerwärmenden Idee, für eine bestimmte Begegnung vom Schicksal oder dem lieben Gott auserwählt zu sein. Oder wo bleiben solche Vorstellungen, wenn zwei Menschen von einem Computeralgorithmus einander zugeführt werden – und bei der ersten Begegnung schon wissen, dass nach „Matchmaking“-Kriterien alles passt?

So geht der liebesstiftende Zufall heute: Computer hochfahren, Wünsche eingeben und Partner finden

Ach Gott ja, sagen da Online-Sucherinnen wie Gabriella Schmickl, 61, oder Michaela Metzger, 40, aus Leipzig, die sich auf Einladung von E-Darling zu einem Gespräch in den Kreuzberger Agenturräumen eingefunden haben: Aber eben dieser liebesstiftende Zufall sei ihnen nun nicht zuteil geworden, also seien sie selbst in Aktion getreten. Sie wollten schließlich etwas haben. Auch wenn der Erfolg in der Herzsparte unkalkulierbar ist, so ist doch der Weg in die Nähe des Erfolgs dem jeder anderen Suche gleich: Computer hochfahren, Portal ansteuern, Wünsche eingeben, Enter drücken – und dann hat man den Salat: eine unüberschaubare Vielfalt an Angeboten. Vergleichbar jenem Wust an Vorschlägen, den das Suchen von Autos oder Schuhen im „www“ hervorruft und der dazu führt, dass der Anfangseuphorie über das riesige Angebot alsbald eine Erschöpfung folgt.

Wie soll man hier jemals das Richtige finden? Und wenn man sich dann entschieden hat, wie groß ist die Gefahr, dass man beim ersten Unwohlsein am Ausgewählten denkt: Hätte ich bloß woanders geklickt! Es stand doch so viel mehr noch zur Verfügung.

Beziehungs- und Zukunftsforscher wie Professor Reinhold Popp aus Salzburg sehen bereits die ganze Beziehungswelt in einem Umbruch. Die Qualität von Partnerschaften werde immer wichtiger, die Beziehungen selbst würden immer komplexer. Statt der klar sortierten Versorgungsehe würden heute „emanzipierte“ Partnerschaften angestrebt. Die würden wiederum häufiger auch wieder beendet, weil Mängel nicht mehr so lange ertragen werden. Das verschaffe Paartherapeuten und Scheidungsanwälten Arbeit – und Partneragenturen. „Der Lebenspartner weicht dem Erlebnispartner“, formuliert Popp das flott. Es müssen immer neue Männer und Frauen her, lange Zeit allein will niemand gern sein. Das herauszufinden haben sich sogar Meinungsforschungsinstitute die Mühe gemacht. Und da mit fortschreitendem Alter die Plätze für reale Begegnungen und Flirtgelegenheiten rarer werden, weil Dicso, Club und irgendwann auch Job als Kennenlernort ausfallen, werde das Internet wichtiger. Eine Langzeitstudie des Oxford Internet Institute ergab 2011, dass im deutschsprachigen Raum seit 1997 fast 30 Prozent der mittelalten Erwachsenen mit Internetzugang eine Beziehung im „www“ angefangen haben. Zum aktuellen 15. Jubiläum der Hamburger Partnervermittlung Dating Café meldete dessen Geschäftsführung besonders in der Altersgruppe über 40 steigende Nutzerzahlen und prognostiziert, dass E-Dating-Agenturen ihre Angebote künftig diversifizieren, um sich als Spezialist von der Konkurrenz abzuheben.

Per Mausklick zum Liebesglück? Partnerbörsen wie eDarling und Co. stellen Partnervorschläge durch sogenanntes "Matching" zusammen.
Per Mausklick zum Liebesglück? Partnerbörsen wie eDarling und Co. stellen Partnervorschläge durch sogenanntes "Matching" zusammen.

© dpa

Online-Dating ist bei der Partnersuche zum Mainstream geworden

Online-Dating ist also ein gängiges Mittel der Wahl geworden. Und leichter als echtes Leben ist es nur auf den ersten Blick. Gabriella Schmickl, die mehrere Lebensmittelpunkte und mehrere Erlebnispartnerschaften hinter sich hat, kann dazu nur lebhaft nicken. Sie nennt das Suchen und Finden neuer Männer im unendlichen Internet längst „Arbeit“. Nein, sagt Frau Schmickl, mit Romantik sei da „nicht zu viel“.

In der E-Darling-Mitgliederbefragung neigen 38 Prozent der Aussage zu, dass beim Online-Dating die Romantik verloren geht. 14 Prozent sind davon überzeugt, 29 Prozent glauben es „eher nicht“, 19 Prozent schließen das aus. Das ist relativ ausgewogen. Man kann daraus folgern, dass sich etwa 13 Jahre nach dem Start von Onlinedatingportalen in der verschämt-peinlichen Ecke einiges getan hat. Annähernd jeder kennt jemanden, der jemanden über Onlinevermittlung gefunden hat, und über diese Angebote wird differenziert geurteilt.  Die Parole, auf die sich alle einigen, lautet: Das Internet schafft keine romantischen Gefühle, es kann dabei nur helfen.

Michaela Metzger sieht das genauso. Sie sei schon romantisch, sagt sie, und habe das auch online erlebt. Jedenfalls bei ihrem letzten Klick, der nun der fürs Leben sein soll. Sie hat über ihre Erlebnisse ein Buch geschrieben und herausgebracht, bei epubli. Das ist ein Onlineselbstverlag. Noch so ein Internetding. Auch hier kann man sagen: Das Internet hat nur geholfen. Es hat das Buch nicht geschrieben, aber dafür gesorgt, dass es nun vor der Autorin liegt, ein schmales Bändchen, „Home-Dating – mein Traummann aus dem Internet“ heißt es, eine leichte Aufzählung von allerlei Flopps beim Online-Dating bis zum Treffer. Michaela Metzger sagt: „Romantik ist das, was in mir selbst entsteht.“ Sie wollte es romantisch, und deshalb wurde es romantisch. Erst in den E-Mails, die vier Wochen lang hin- und hergeschrieben wurden – „wie früher Liebesbriefe“, sagt sie – und dann auch in echt.

Der Wissenschaftler Popp sagt, die Internetsuche sei nur ein ergänzendes Instrument für die Partnersuche, und direkt danach beginne das „Real Life“. Aber eben erst danach. Und ist nicht genau diese Pufferzone zwischen Online und „Real Life“ das Bedenkliche der ganzen Entwicklung? Entfremdet das Internet – wie beim Navigieren oder Einparken längst geschehen – als Hilfe zum Kennenlernen den Menschen dem Menschen? So dass der Liebesinteressierte nur noch nach vorherigem Interessensabgleich aus der Anonymität heraus andere Liebesinteressierte trifft, um jener Zurückweisung zu entgehen, die bei direkter Kontaktaufnahme im „Real Life“ blühen kann? Sichert sich bald jeder technisch ab, bevor er losfährt, einparkt – oder ein Gespräch beginnt?

Das sind Fragen, die vor allem bei Skeptikern aufkommen. Und dennoch: Auf die Frage, was die Menschen vorziehen würden, die Liebe nach Algorithmus oder die Liebe durch den Zufall, legt sich beim Kreuzberg-Treff niemand auf Ersteres fest. So ganz will die Zweckdienlichkeit der Partnersuche im Internet doch nicht zur Vorstellung von Liebe passen.

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