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Hubert Aiwanger und Markus Söder.

© dpa/Peter Kneffel

Flugblatt-Affäre in Bayern: Aiwangers Schwäche ist Söders Chance

Der Druck auf Hubert Aiwanger wächst. Markus Söder dürfte ein großes Interesse daran haben, seinen Vize loszuwerden, um mit handzahmen Freien Wählern weiterzuregieren.

Ein Kommentar von Daniel Friedrich Sturm

Geradezu stündlich wächst der Druck auf Hubert Aiwanger. Erstmals hat sich nun ein einstiger Mitschüler öffentlich zu Wort gemeldet und berichtet, Aiwanger habe beim Betreten des voll besetzten Klassenzimmers ab und zu „einen Hitlergruß gezeigt“ und Hitler-Reden imitiert. Auch „Witze“ über Juden und das KZ Auschwitz habe sein Mitschüler „definitiv“ erzählt, sagte Klassenkamerad Mario Bauer dem Bayerischen Rundfunk.

Damit sind derlei Vorwürfe gegen Aiwanger erstmals nicht mehr nur anonym. Und Markus Söder hat allen Grund, seine am Dienstag angekündigten 25 Fragen zu ergänzen. Wie war das noch mit der eingeforderten Transparenz? „Es darf jetzt auch nichts mehr dazukommen“, hatte Söder am Dienstagmittag gesagt. Der Mitschüler äußerte sich am Dienstagabend.

Der Druck, der in der Causa Flugblatt auf dem bayerischen Vize-Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister lastet, ist immens. Die Zitate seines Bruders, nach dem Motto „Ich war’s“, sollten ein Befreiungsschlag sein. Das aber ging kräftig schief. Wie will – der plötzlich ungewohnt wortkarge – Aiwanger da bloß herauskommen? Rücktritt oder Rausschmiss? Beides scheint, Stand heute, gut möglich.

Noch aber herrscht bei den Freien Wählern eine Wagenburg-Mentalität, verständlicherweise. Aiwanger hat die einst allein kommunalpolitisch verankerte Partei in den Bayerischen Landtag geführt, später sogar in die Regierung. Viele Mandatsträger und Mitarbeiter verdanken Aiwanger ihren Job.

Söders Kalkül dürfte darin bestehen, weiter mit den Freien Wählern, aber ohne Aiwanger, zu regieren – jetzt wie nach der Landtagswahl am 8. Oktober.

Sollte Söder Aiwanger entlassen, würde er kräftigen Applaus bekommen: von seiner CSU, der Opposition, von den Kirchen und weiten Teilen der Medienlandschaft. Er stünde als verantwortlicher Mann da, der keine Form des Antisemitismus duldet. Söder, der Staatsmann.

Wäre Söder Aiwanger los, verlöre er einen ihm lästigen, störrischen Konkurrenten, der ihm das Leben schon oft genug schwer gemacht hat, man denke nur an den polemischen Auftritt im Sommer in Erding („Demokratie zurückholen“).

Die 25 Fragen Söders dürfte Aiwanger vermutlich nicht beantworten können, ohne sich in Widersprüche zu verstricken. Vielleicht ist genau das Söders Interesse.

Mit braven, handzahmen Freien Wählern könnte Söder einfacher, geschmeidiger regieren als mit Aiwanger.

Die Freien Wähler werden um die Entscheidung, wie sie es mit Aiwanger halten, nicht herumkommen. Markus Söder hat sich selbst mit den 25 Fragen an den Stellvertreter gut fünf Wochen vor der Landtagswahl Zeit gekauft. Aiwanger rennt die Zeit davon.

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