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So sieht’s aus: Die neue Koalition auf dem Weg.

© DAVIDS/Tom Maelsa/DAVIDS/Tom Maelsa

Der neue Senat für Berlin steht : Die Welt ist nicht mit den Verlierern – deshalb muss Giffey jetzt neues Format gewinnen

Schwarz-Rot für die Bundeshauptstadt wird eine Herausforderung. Beide Parteien müssen zeigen, dass sie miteinander regieren können. Besonders gilt das für eine: die bisherige Regierende.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Eines ist mal sicher: So hatte sich Franziska Giffey das Ganze nicht vorgestellt. Das Ganze, damit ist ihr Umstieg von der Bundes- in die Landespolitik gemeint. 2021 war insofern ihr erstes Schicksalsjahr. Sie kam als Bundesfamilienministerin – ja, die wegen der Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit zurücktreten musste -, um als Regierende zu bleiben. 2023 ist ein weiteres „annus horribilis“, ein Schreckensjahr, wie die Queen gesagt hätte: Wahl verloren, Amt verloren, alles aus.

Halt: wirklich alles? Na ja, vielleicht ist der Ausgang des Mitgliederentscheid in ihrer Berliner SPD ein kleiner Erfolg. Ein klitzekleiner, weil es ja auch nur wenig mehr als 54 Prozent der Genossinnen sind, die einen schwarz-roten Senat wollen, etwas mehr als die Hälfte der 12.000 Mitglieder, die überhaupt abgestimmt haben. 12.000 von 3,8 Millionen Berlinern, und davon noch mal die Hälfte. Strahlend geht anders. Und ob das so richtig demokratisch ist, diese Dominanz der Wenigen, steht auch dahin.

Aber sei‘s drum, wenn das schon nicht gelungen wäre, dann wäre Franziska Giffey tatsächlich weg. Ganz weg. Nun ist sie immer noch da, atmet auf, ist „sehr, sehr froh“. Wer will es ihr verdenken, menschlich, angesichts der Alternative, dann plötzlich gar keinen Job mehr zu haben.

So wäre es ja gekommen; denn eine Rückkehr in den Bund wäre unter den Umständen nicht mehr möglich gewesen. Auch für die Sozialdemokraten gilt: Die Welt ist nicht mit den Verlierern. Und die Politik ist besonders erbarmungslos.

Sie hat sich in den Senat gerettet

Wie sehr, ist bei der scheidenden Regierenden noch nicht ausgemacht. Das desaströse Wahlergebnis wird innerparteilich noch aufgearbeitet werden. Ob Giffey wohl Landesvorsitzende bleiben kann? Im Untergrund hat das Grummeln längst angefangen, das zum Brodeln werden kann.

Wie sagte mal ein berühmter Politiker, dessen Karriere auch von Rückschlägen gekennzeichnet ist: Es rast der See und will sein Opfer. Ein Zitat nach Friedrich Schiller. Das Opfer könnte durchaus Giffey heißen; in der Partei wohlgemerkt, in den Senat hat sie sich gerettet.

Der das gesagt hat, das mit dem rasenden See, ist übrigens Wolfgang Schäuble, der Christdemokrat, der trotz aller Meriten nicht Regierender Bürgermeister wurde. Anders als: Kai Wegner. Ja, der wird jetzt, 22 Jahre nach Eberhard Diepgen, der erste CDU-Regiermeister. Und auch er ist gekommen, um zu bleiben.

Zwar kam er nicht als Bundesminister, sondern als einfacher Bundestagsabgeordneter, aber das spielt sowieso keine Rolle mehr. Jetzt geht’s drum, ob Wegner verstanden hat, was auf ihn wartet. Und das hat er augenscheinlich. Die Senatsliste der CDU: eine Überraschung. Überlegt austariert, innerparteilich und innerkoalitionär ein Angebot zur Kooperation – was will man mehr?

Jedenfalls auf christdemokratischer Seite. Die werden es zufrieden sein. Vielleicht hat sich Wegner tatsächlich so massiv verändert, wie er es im Tagesspiegel-Podcast gesagt hat. Er kommt von rechts, klar, aber als Regierender in dieser Stadt, da braucht es Maß und Mitte. Sozial und demokratisch. Sonst wird das nichts.

Wo schon die Dolche blitzen

Und die SPD? Giffey als zweite Regierende gewissermaßen, mit Führungserfahrung im Land und im Bund, mit Ausstrahlung, trotz allem, das ist schon etwas, das die Genossen nicht ignorieren konnten. Dass Menschen sie mögen, zeigt sich auch daran, dass der bisherige Wirtschaftssenator Stephan Schwarz sich (auch) für sie zurückgezogen haben soll.

Das wäre ein freundschaftliches Signal des Parteilosen in die Partei hinein; wahrscheinlich sah er sogar von außen schon die Dolche blitzen.

Natürlich wird die SPD im Senat ihr Bestes geben. Das tut sie in Regierungen immer. Auf sie ist Verlass. Selbst wenn die Senatsliste sich liest wie eine Raed-Saleh-Versicherung: Saleh, der in seinen Ämtern bleiben will, egal was kommt. Und es war ja bei ihm in zurückliegender Zeit schon viel.

Nur auf Parteitagen wird es jetzt noch schwieriger werden – die SPD ist tief gespalten, soll sich keiner und keine was vormachen. Die Kreisverbände, und nicht nur die, werden sich Luft machen. Und nicht nur das: Die Forderung, wer eine Senatsposten hat, soll nicht auch noch in der Partei das Sagen haben, klingt schon wie ein vorgezogenes Misstrauensvotum.

Vielleicht sollte Giffey dem zuvorkommen? Besser später mal wieder zurückgeholt als demnächst vom Hof gejagt. Zumal sie ja selbst gesagt hat, sie klebe nicht an Ämtern. Sagen wir so: Parteipolitische Klimakleber haben nicht automatisch die Sympathien auf ihrer Seite. Außerdem ist Giffey der CDU so nah, dass es für sie gefährlich werden kann, ständig auf Abgrenzung zu achten. Das würde auch der Arbeit im Senat nicht helfen.

Und in der muss sie gut sein. Giffey muss da an – neuem – Format gewinnen. Auch, damit sie eine Zukunft hat. Denn die Welt ist nicht mit den Verlierern. In der Politik schon gar nicht.

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