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Seit Jahren bekommt unsere Kolumnistin ihre Zeitung von Herrn P. gebracht. 

© Sebastian Gabsch PNN

Kolumne | PYAnissimo: Herr P. und Frau Sch.

Unsere Kolumnistin bekommt ihre Zeitung regelmäßig von Herrn P. ausgeliefert. Seit Jahren versucht sie, ihn zu überzeugen, über ihn schreiben zu dürfen. Noch besteht Hoffnung.

Wir stehen vor dem Haus, mein Zeitungszusteller und ich, am Briefkasten, er mit seinem Rad, ich im Schlafanzug. Ein schöner Morgen, und Herr P. ist gesprächig, offenbar liegt er gut in der Zeit. „Ich verrate Ihnen mal was“, sagt er und lächelt geheimnisvoll: „Ich wollte auch mal schreiben! Aber“, schiebt er gleich nach, „Ick hatte ja nur die zehnte Klasse.“

Jetzt trägt er die Zeitung aus. Schon seit Jahren, zunächst als Aufstocker, aber wenn er genug Schichten macht, geht’s auch ohne Arbeitsamt. Und – er liest sie, die Zeitung. „Ick kenn ihr Jesicht“, sagte er einmal zum Anfang unserer Gartenzaunbekanntschaft und grinste. Ich gab ihm eine Visitenkarte und sagte: Melden Sie sich doch mal, ich würde gerne über Sie schreiben. Ihre Geschichte erzählen.

Herr P. hat keinen Dienstwagen mit Massagesitzen

Aber er will nicht, nichts zu machen. Dabei wüsste ich jetzt gerne, wie Herr P., Potsdamer, Zusteller und Leser, über die Sache mit der Ex-Intendantin des rbb denkt. Ist ja eine verwandte Branche. Was ich weiß: Herr P. hat keinen Dienstwagen mit Massagesitzen, er hat ein Dienst-Fahrrad, das so klappert, dass man es schon von weitem hört (Vorfreude, die Zeitung kommt zum Kaffee!). Ich glaube auch nicht, dass Herr P. sich jemals über italienisches Parkett Gedanken gemacht hat.

Ich schon, also fast. Auch wir haben im Haus den Teppichboden der Vorgänger rausreißen lassen, man will eben was Frisches, wenn man einzieht. Raus mit dem alten Zeug, eine Sau-Arbeit. Da lohnte es sich, mehrere Kostenvoranschläge eingeholt zu haben – wir haben dadurch mächtig gespart.

Aber wenn‘s schnell gehen soll, oder man nicht sparen muss? Herr P. muss sparen, ich muss sparen, für Strom, für Gas. Ich hoffe, unser Herr P. wird durchhalten.

Von Herrn P.s Vertretung prompt vergessen

Erstmal ist Sommer. Neulich hatte auch Herr P. mal frei und die Vertretung hat mich prompt vergessen, erzähle ich ihm. Hab ich gleich beim Kundenservice gemeldet. Aber das weiß er alles schon, und auch, dass ich, seine Kundin, bei der Nachlieferungsrunde dabei war. „Für solche Fälle macht immer ein Kollege eine Nachlieferungsrunde“, erklärt mir Herr P. Jaja, er weiß Bescheid, was bei ihnen los ist, selbst wenn er frei hat.

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Dann muss er weiter, schiebt an, stoppt, steigt noch mal ab. „Hab ick Ihnen jetzt eigentlich Ihre Zeitung gegeben?“ fragt er und kratzt sich am Kopf. Natürlich! „Ich werde eben alt“, seufzt er. Seit neuestem hat er auch Rücken, er braucht bestimmt bald so ein modernes Batterierad. Und zum Zahnarzt muss er unbedingt. Große Baustelle. Will er nicht drüber reden. Ist so eine Sache. Aber deshalb will er auch nicht ins Fernsehen. Das müsse ich doch verstehen. Trotzdem hat er meine Karte gut aufgehoben, für den Fall, „dass mal was ist. Dann melde ick mich bei Ihnen!“ Ich lache. „Ich mache aber nicht Fernsehen, Herr P.“ rufe ich ihm hinterher, „Zeitung, Zeitung!“ Aber da ist er schon längst beim Nachbarn.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.

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