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Zerstörung und Wiederaufbau: Die digitale Komposition vermischt ein Bilder der Dresdner Moritzstraße von 1946 und 2015.

© Getty Images/Sean Gallup

75 Jahre Dresdner Bombennacht: „Die AfD versucht, den Opfer-Mythos wiederzubeleben“

Die Dresdner Bombennacht jährt sich zum 75. Mal. Der Historiker Johannes Schütz erklärt die Bestrebungen, das Ereignis politisch zu instrumentalisieren.

Johannes Schütz ist Lehrbeauftragter und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Professur für Neuere und Neueste Geschichte an der Technischen Universität Dresden.

Herr Schütz, bei den Luftangriffen zwischen dem 13. und 15. Februar 1945 zerstörten britische und amerikanische Bomber die Dresdner Altstadt, bis zu 25.000 Menschen starben. Nun jährt sich die Bombennacht zum 75. Mal, Rechtsextremisten mobilisieren, es gibt Streit um das Gedenken. Warum ist dieses historische Ereignis so aufgeladen?
Weil Dresden zum Symbol geworden ist für die deutschen Opfer im Zweiten Weltkrieg. Zwar gab es auch in anderen Städten hohe Opferzahlen – in Hamburg beispielsweise starben 35.000 Menschen innerhalb von zwei Tagen. Aber nach der Bombardierung von Dresden haben die Nationalsozialisten und ihr Propagandaminister Joseph Goebbels sofort angefangen, die Opferzahlen von Dresden hochzurechnen. Die Rede war von 250.000 Toten.

Die Nationalsozialisten brachten die Erzählung von der unschuldigen Kulturstadt in die Welt, der schönsten Stadt Deutschlands, die militärisch für den Krieg keinerlei Bedeutung hatte und sinnlos zerstört wurde. Mit dieser Propaganda wollte man letzte Reserven für den Krieg mobilisieren. Und diese Erzählung hat sich hartnäckig gehalten, sie hat zum Entstehen eines Opfer-Mythos beigetragen.

Welche Bedeutung hatte Dresden tatsächlich für den Krieg?
Dresden war bedeutsam: ein Verkehrsknotenpunkt, Rüstungszentrum, es gab kriegswichtige Industrie. Die Stadt war ein wichtiger Teil des nationalsozialistischen Reiches. Den Alliierten dienten die Angriffe zudem dazu, zu signalisieren: Wir sind bereit, die Rote Armee zu unterstützen, damit ihr Vorstoß nicht frühzeitig stoppt. Auch wenn sich das nur schwer nachprüfen lässt, hatte dieses Ereignis sicherlich Wirkung für den gesamten Kriegsverlauf.

Wie entwickelte sich der Blick auf die Bombennacht nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges?
In der DDR wurde die Erzählung von der sinnlos zerstörten Stadt übernommen und Dresden als Symbol genutzt: Die Angreifer wurden als Repräsentanten des kapitalistischen Systems gesehen und die Bombardierung Dresdens als Beweis für das zerstörerische Wesen des Kapitalismus herangezogen. Die Ruine der Frauenkirche diente bis zum Ende der DDR als Symbol dafür. Erst nach Protesten in den 80er Jahren änderten sich im Hinblick auf den 13. Februar die Reden der DDR-Staatsführung. Honecker sprach nicht mehr nur von einem angloamerikanischen Terrorangriff, sondern flocht mit ein, dass der Krieg von Berlin ausgegangen war – es also eine deutsche Kriegsschuld gab.

Nach der Wende wurde der 13. Februar zunehmend von Rechtsextremen vereinnahmt.
Es gab massive Aufmärsche von Rechtsextremen, zeitweise den größten Aufmarsch in ganz Europa. Sie stellten die Bombardierung Dresdens als Kriegsverbrechen der Alliierten dar, um die deutsche Schuld zu relativieren. Von der Stadtgesellschaft wurde das lange nicht als Gefahr erkannt, weil die Aufmärsche ja als Opfergedenken daherkamen. Dann fingen linke Gruppen an, diese Aufmärsche immer massiver zu stören. 2010 und 2011 eskalierte das, es gab vehemente Auseinandersetzungen.

Johannes Schütz von der Technischen Universität Dresden
Johannes Schütz von der Technischen Universität Dresden

©  TUD/Kretzschmar

Im Anschluss suchte die Stadt eine andere Form des Erinnerns. Die Arbeitsgruppe 13. Februar begann ihre Arbeit und eine Menschenkette um das Stadtzentrum wurde initiiert – um das ganz grob zusammenzufassen. Schließlich sank das Mobilisierungspotenzial, die Trauermärsche der Rechtsextremisten fielen immer kleiner aus.

In diesem Jahr plant die AfD einen Infostand zum Gedenken, sie will auch einen Kranz niederlegen. Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla sagt, er gehe von 100.000 Opfern aus. Versucht die AfD, den 13. Februar für ihre Zwecke zu nutzen?
Es ist von einer unabhängigen Historikerkommission klar belegt worden, dass die Zahl der Opfer nicht über 25 000 gelegen haben kann. Die AfD versucht nun, die alte Erzählung von weit höheren Opferzahlen wieder aufzuwärmen und den Opfer-Mythos wiederzubeleben. Weil sie sich als Teil des konservativen Spektrums verkauft, hat sie damit mehr Erfolg als zuletzt die Neonazis, die keinen Hehl aus ihrer Gesinnung machten.

In der AfD gibt es einige, die im Hinblick auf die deutsche Erinnerungskultur und das Holocaust-Gedenken von „Schuldkult“ sprechen. Björn Höcke spricht von einer „dämlichen Bewältigungspolitik“. Reihen sich die Aktivitäten der AfD um den 13. Februar da ein?
Der 13. Februar ist wichtig für alle Akteure, die die Erinnerungskultur verändern wollen. Dresden steht symbolisch dafür, dass es im Zweiten Weltkrieg auch deutsche Opfer gab. Und wer den Blick weglenken will von den Taten der Deutschen im Zweiten Weltkrieg, nutzt dafür nicht selten das Gedenken an die deutschen Opfer. Genau darum bemüht sich nun die AfD, wenn sie die Diskussionen um Opferzahlen und Verantwortung wieder aufrollt.

Ist es nicht trotzdem verständlich, dass bei vielen Dresdnern der Schmerz über die Zerstörung ihrer Stadt tief sitzt?
Natürlich. Es ist wichtig, der Toten zu gedenken und zu trauern. Aber wenn man anfängt, die deutsche Schuld zu relativieren, nur auf die deutschen Opfer hinzuweisen und weglässt, dass das ein Angriffskrieg war, der von Deutschland ausging – dann ist es nicht mehr legitim. Der 13. Februar muss im Kontext des Zweiten Weltkrieges betrachtet werden. Aber weil der Tag symbolisch so aufgeladen ist, wird der Streit um das richtige Gedenken nicht einfach zu lösen sein.

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