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Doppelte Parteichefin: Saskia Esken ist nicht nur Kontrapart zum Co-Vorsitzenden Lars Klingbeil. Auch in ihrem Amt selbst übernimmt sie verschiedene Funktionen.

© dpa/Marcus Brandt

Von der Provokateurin zur Teamplayerin: Die Wandlung der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken

Saskia Esken hat sich nach ihrer Wahl an die Parteispitze neu erfunden. Im Streit um den Wehretat setzt sie nun eigene Akzente. Hilft sie damit der SPD?

Von Hans Monath

Ausgerechnet am Rosenmontag erschien das Interview der SPD-Vorsitzenden mit der „FAZ“, in dem sich Saskia Esken nicht nur von Verteidigungsminister Boris Pistorius absetzte, sondern auch von ihrem Co-Parteichef Lars Klingbeil.

Der neue Minister hatte wenige Tage zuvor die Forderung nach weiteren zehn Milliarden für seinen Etat in die Welt gesetzt – zusätzlich zum Sondervermögen. Klingbeil unterstützte das. „Da bin ich Pistorius dankbar, dass er die Debatte noch mal aufgemacht hat“, lobte er: „Da hat er meine Unterstützung.“

„Zehn Milliarden Euro sind eine Menge Geld“, warnte dagegen Esken in der „FAZ“ und wies daraufhin hin, dass wegen der FDP-Forderung nach Schuldenbremse und Haushaltskonsolidierung das Geld knapp sei.

Wer verstehen will, welche Rolle Esken heute spielt, muss ins Jahr 2019 zurückschauen. Damals unternahm die noch weitgehend unbekannte Digitalexpertin aus dem Nordschwarzwald alles, um einen Sieg ihres Konkurrenten Olaf Scholz zu verhindern.

Dem Vizekanzler der großen Koalition sprach sie ab, ein echter Sozialdemokrat zu sein. Sie entschuldigte sich schnell für diese Attacke, ihre Haltung aber hatte sie deutlich gemacht – und gewann den SPD-Mitgliederentscheid mit Norbert Walter-Borjahns.

Heute lobt sie den Kanzler in Dauerschleife. Das klingt dann etwa so: „Ich bin froh, dass Olaf Scholz dieses Land regiert und niemand anderes.“

Es ist auch aufschlussreich, an Themen zu erinnern, mit denen Esken vor 2021 Schlagzeilen machte. Da spitzte sie etwa das Thema Rassismus in der Polizei so zu, dass ihr der damalige niedersächsische Innenminister Pistorius entschieden widersprach.

Oder sie trug Streit in die eigenen Reihen, indem sie die harten Attacken von Queeraktivisten auf Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse unterstützte.

Für mich ist die souveräne Loyalität und Kompetenz, mit der sie Scholz unterstützt, eine der großen Überraschungen des letzten Jahres.

Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler, über Saskia Esken

Es war die Zeit, als Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sagte, die Nackenhaare stünden ihm zu Berge, wenn er höre, was sie manchmal so von sich gebe.

Esken setzt eigene Akzente

Heute redet Saskia Esken anders. Und viele hatten ihr den Lernprozess nicht zugetraut. „Für mich ist die souveräne Loyalität und Kompetenz, mit der sie Scholz unterstützt, eine der großen Überraschungen des letzten Jahres“, sagt der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder: „Sie ist eine Teamplayerin, und das ist eine Kernkompetenz für politischen Erfolg.“

Die Themen Bildung sowie Digitales bei der Planungsbeschleunigung, für die Esken brennt, stehen nicht so sehr im Fokus der Debatte wie die ihres Kollegen Klingbeil. Der will die Außen- und Sicherheitspolitik seiner Partei so verändern, dass sie dem Handeln in der Gegenwart mehr Aufmerksamkeit schenkt als dem Versprechen einer künftig besseren Welt.

Waren die skeptischen Sätze über das neue Geld für Verteidigung ein „Aussetzer“ der Vorsitzenden, wie manche in der SPD meinen? Dass sie eigene Akzente setzt, hält Schroeder nicht für einen Zufall. Bei Klingbeils Reform der Außen- und Sicherheitspolitik stehe wegen der unterlassenen Modernisierung der Bundeswehr „die militärische und europäische Dimension im Vordergrund“.

Esken versuche dagegen, auch jenen Teil der Sicherheitspolitik stark zu machen, der nicht militärisch sei: „Beide Teile gehören bei einer realistischen Strategie zusammen und benötigen auch jeweils eine Stimme, ohne dass eine von beiden einen Alleinvertretungsanspruch geltend machen kann.“

Der Wissenschaftler erinnert daran, wie innerlich gespalten die Partei noch 2019 gewesen war. Daraus habe sich die SPD herausgearbeitet. Weil die Doppelspitze „in Sozialisation, politischen Prioritäten und im Stil different“ sei, könne sie jeweils unterschiedliche Teile der Partei gewinnen.

Wichtig sei, dass die Vorsitzenden dabei nicht stehen blieben, sondern die verschiedenen Gruppen am Ende zusammenführten. „Bislang hat man den Eindruck, dass es eine vitale Arbeitsteilung ist, die beide praktizieren“, urteilt der Politikwissenschaftler. Und fügt hinzu: „Das kann sich aber auch wieder ändern.“ Vielleicht darf sich Saskia Esken also nicht noch einmal neu erfinden.

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