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Linken-Politiker Sahra Wagenknecht, Oskar Lafontaine im Juli 2016 beim Sommerfest der Linkspartei in Saarbrücken.

© Becker&Bredel/Imago

Lafontaine und Wagenknecht: #Aufstehen für den Ego-Trip

Für den Erfolg einer Sammlungsbewegung müssten sich Lafontaine und Wagenknecht weit zurücknehmen. Das werden sie nicht tun. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Matthias Meisner

Vielleicht ist es sogar verständlich, dass ein verbitterter alter Mann es noch einmal allen beweisen will. Oskar Lafontaine ist in seinem politischen Leben schon für manche Überraschung gut gewesen. 1995 putschte er sich auf dem Mannheimer Parteitag gegen Rudolf Scharping an die SPD-Spitze, 1999 warf er das Amt des Parteichefs und des Bundesfinanzministers im Streit mit Gerhard Schröder Knall auf Fall hin. 2005 betrieb er gemeinsam mit Gregor Gysi die West-Ausdehnung der PDS unter neuem Label. Mehr und mehr aber geriet er danach im Konflikt mit Gysi in der eigenen neuen Partei, der Linken, an den Rand.

Kann so einer es schaffen, die linke (Parteien-)Landschaft abermals neu zu gestalten, gar Linkspartei und SPD versöhnen? Seit Herbst 2017, also fast ein Jahr schon, geht Lafontaine mit der Idee einer linken Sammlungsbewegung hausieren. Seine Gattin Sahra Wagenknecht hat er zur Frontfrau der Initiative gemacht, die am 4. September unter dem Titel #Aufstehen offiziell starten will.

Wünschenswert wären neue linke Allianzen vor dem Hintergrund eines Rechtsrucks in Deutschland und Europa allemal, mancher hofft auf eine solche Alternative. Grundsätzlich gibt es eine Sehnsucht nach Harmonie unter Linken. Demoskopen haben ermittelt, dass sich unter den Anhängern von Linken, SPD und Grünen ein großer Teil vorstellen kann, eine von Wagenknecht geführte Sammlungsbewegung zu wählen, sollte sie bei einer Bundestagswahl antreten. Das schwingt wohl auch bei den Initiatoren mit: Wagenknecht selbst hatte zunächst von einer neuen „linken Volkspartei“ gesprochen. Lafontaine gab als Ziel aus, das „erstarrte Parteiensystem zu überwinden“. Man muss also nicht glauben, beide wollten eine Beteiligung an Wahlen ausschließen.
Der Wirbel um das Projekt aber steht im Missverhältnis zu den realen Chancen. Die potenzielle Regierungsmehrheit für Rot-Rot-Grün, noch 2013 rechnerisch vorhanden und damals nicht genutzt, ist seit 2017 dahin. Eine Änderung dieses Zustands ist nicht in Sicht.

AfD-Wähler werden zu Objekten der Begierde erklärt

Die SPD wird sich den Weg aus der Krise nicht von Lafontaine diktieren lassen. Kaum ein gutes Wort ist von Funktionären zum Projekt Sammlungsbewegung gefallen. Die Sozialdemokraten sind nach einer Serie von Wahlniederlagen extrem verunsichert. Ex-Vorsitzende sabotieren die Stabilisierung der Partei: Martin Schulz hat sich zurückgezogen, Sigmar Gabriel konzentriert sich auf ungebetene Ratschläge, Gerhard Schröder auf das Russland-Geschäft. Die Demütigung der SPD potenziert sich, weil AfD als auch Grüne in Umfragen gleichziehen. Letztere auch gerade deshalb, weil sie sich nicht mehr eindeutig im linken Lager bewegen.

Die Sammlungsbewegung tut so, als ob sie alte Gräben zuschütten und chronische Spaltungstendenzen der Linken überwinden will. Aber sie facht neue Konflikte an. Wagenknecht und Lafontaine wollen das neue Bündnis nutzen, um ihre sehr eigenen Vorstellungen durchzusetzen: in der Asyl-Politik, gegen die EU, für nationalstaatliche Lösungen. AfD-Wähler werden direkt adressiert und zu Objekten der Begierde erklärt.

Eine Sammlungsbewegung könnte das linke Spektrum versöhnen, wenn sich Lafontaine und Wagenknecht sehr weit zurücknähmen, inhaltlich wie persönlich. Aber es spricht nichts dafür, dass sie auf den Egotrip verzichten werden. Das deutet dann doch eher auf eine neue Spaltung hin.

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