zum Hauptinhalt
Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen und Innenminister Horst Seehofer (CSU)

© AFP/Tobias Schwarz

Bundesamt für Verfassungsschutz: Muss Seehofer Hans-Georg Maaßen entlassen?

Der Verfassungsschutzchef legt der Regierung einen Bericht zu seinen Chemnitz-Äußerungen vor. Ob Maaßen zu halten ist, entscheidet sich diese Woche.

Von

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, kämpft um seinen Job. Politiker verschiedener Parteien fordern, dass er seine umstrittenen Äußerungen zu rechter Gewalt in Chemnitz erklärt – oder zurücktritt. Am Montag hat er der Bundesregierung einen Bericht über die Ausschreitungen in Chemnitz Ende August vorgelegt. Damit kam Maaßen einer Weisung seines Dienstherren, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), nach.

Maaßen stellte sich offen gegen Merkel

Der will den Bericht in Ruhe prüfen. „Solche Dinge muss man sorgfältig machen“, sagte er. In dem vorgelegten Papier geht es um Äußerungen Maaßens aus der vergangene Woche. In einem Zeitungsinterview hatte er bezweifelt, dass es in Chemnitz „Hetzjagden“ auf Migranten gegeben habe – womit er sich offen gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte, die zuvor von „Hetzjagden“ gesprochen hatte. Seehofer hingegen unterstützte Maaßens Thesen: „Er wird schon seine Gründe haben, warum er zu diesen Zweifeln kam“, sagte der Innenminister am Montag.

Dennoch wackelt Maaßens Position gewaltig. Kritiker werfen dem Verfassungsschutzchef vor, dass er keine Belege für seine Behauptungen über Chemnitz vorgewiesen habe – und damit ohne Not die Darstellung der Rechten unterstütze. Hinzukommt ein aktueller Bericht des „Handelsblatts“, wonach interne Informationen aus dem Bundesamt an die AfD geflossen sein sollen.

Ramelow: von AfD bis "Neofaschisten"

Für Maaßens Kritikerpasst das ins Bild. Seit Tagen verstärken sie den Druck auf den Geheimdienstchef. Bodo Ramelow (Linke), Ministerpräsident von Thüringen, griff Maaßen scharf an. „Ich bin zutiefst erstaunt, dass Maaßen öffentlich die Zweifel an den Vorgängen in Chemnitz schürt“, sagte Ramelow dem Tagesspiegel. Der Verfassungsschutzchef habe sich zum „Teil des politischen Lagers aus AfD und Neofaschisten“ gemacht. Über Maaßens Chemnitz-Aussagen meinte Ramelow: „Für mich hört sich das zwischen den Zeilen an wie ,Merkel muss weg'. Das finde ich unerträglich.“

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckart sagte: „Was Herr Maaßen macht, kennen wir normalerweise von Rechtsradikalen: erst etwas heraushauen, um es dann zu relativieren.“ Für Dietmar Bartsch, den Chef der Linken im Bundestag, steht hinter Maaßens Verhalten „politische Einflussnahme und der Versuch der Bagatellisierung“ rechter Gewalt.

Kommt der nächste Unionstreit?

Dass sich ein Behördenchef in eine politische Debatte wie zu Chemnitz einschaltet, ist in der Tat ungewöhnlich. Mit seinem öffentlichen Widerspruch zum „Hetzjagd“-Zitat der Kanzlerin hat sich der Spitzenbeamte klar auf die Seite der Merkel-Kritiker geschlagen. Dass ihm Seehofer dabei öffentlich den Rücken stärkt, zeigt: Die Causa Maaßen spaltet die Union.

Wie schon im Asylstreit verlaufen die Konfliktlinien bei der Deutung der rechten Ausschreitungen in Chemnitz zwischen den Merkel-Kritikern und den Unterstützern der Kanzlerin. So hat die CDU-Generalsekretärin und Merkel-Vertraute Annegret Kramp-Karrenbauer den Verfassungsschutzchef wiederholt aufgefordert, seine Thesen zu erklären. Maaßens Zukunft ließ sie bewusst offen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor hält Maaßens Äußerungen hingegen für „nicht unplausibel“.

Diesmal ist das Kanzleramt informiert

Maaßen scheint mit seinem Bericht an die Bundesregierung indes für Beruhigung sorgen zu wollen. Die Stellungnahme des Inlandgeheimdienstes habe Maaßen „auch an das Kanzleramt weitergeleitet“, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Von seinen ursprünglichen Zweifeln an den Chemnitzer „Hetzjagden“ hatte Maaßen die Kanzlerin hingegen nicht informiert – im Gegensatz zu Seehofer, den er stets auf dem Laufenden gehalten hat. Indem er jetzt mit seinem Bericht auch das Kanzleramt einbindet, will Maaßen den Streit offenbar nicht weiter verschärfen.

Ob er so seinen Job behalten kann, wird sich zeigen. Das hängt auch von den Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags ab, vor dem Maaßen am Mittwoch Rede und Antwort stehen muss. Die Abgeordneten werden wissen wollen, warum Maaßen seine Zweifel an den „Hetzjagden“ dem Kanzleramt nicht frühzeitig mitgeteilt hat. Oder ob er seine Behauptungen belegen kann, es habe in Berichten über Chemnitz „gezielte Falschinformation“ gegeben. Wird Maaßen mit seinen Antworten die Abgeordneten nicht zufrieden stellen, dürfte es für Seehofer schwierig werden, den Präsidenten des Verfassungsschutzes zu halten.

Die Grünen wollen auch Seehofer vor das Gremium laden. Parteichef Robert Habeck hält Maaßen schon jetzt für untragbar. Seehofer müsse ihn sofort feuern, forderte er – und fügte hinzu: „Wenn Herr Seehofer das nicht tut, dann muss die Bundeskanzlerin ebenfalls Herrn Seehofer entlassen.“

Zur Startseite