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 Horst Seehofer (CSU, r), Bundesminister für Inneres, Heimat und Bau, sitzt neben Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

© dpa

Bundesamt für Verfassungsschutz: Wer hält noch zu Hans-Georg Maaßen?

Führende CDU-Politiker gehen auf Distanz zum Chef des Verfassungsschutzes. Am Mittwoch muss er im Bundestag um sein Amt kämpfen.

Der Fall des Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen (55) weitet sich zu einer Kraftprobe in der Bundesregierung aus. Es geht dabei um die Frage, ob Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) Maaßen als Geheimdienstchef halten kann oder ihn entlassen muss.

Merkel-Vertraute distanziert sich von Maaßen

Maaßen hatte sich am Freitag in der „Bild“-Zeitung offen gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) positioniert. Die hatte nach rechten Ausschreitungen in Chemnitz vor zwei Wochen von „Hetzjagden“ auf Migranten gesprochen. Maaßen behauptete hingegen, solche „Hetzjagden“ habe es nie gegeben. In dem Interview äußerte er außerdem den Verdacht, ein Internet-Video aus Chemnitz sei gefälscht worden, um von einem „Mord“ – der Tötung des 35-jährigen Daniel Hillig – abzulenken. Beweise dafür blieb Maaßen bislang schuldig.

Dafür gab es in der vergangenen Woche bereits massive Kritik aus den Reihen von SPD, Grünen und Linken – Rücktrittsforderungen inklusive. Die CDU verhielt sich anfangs zurückhaltend. Volker Kauder, Chef der Unionsfraktion im Bundestag, warnte zunächst vor Vorverurteilungen des Geheimdienstchefs. Kauder forderte dann jedoch, Maaßen vor dem Innenausschuss des Bundestags anzuhören. Am Wochenende übte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer Druck auf Maaßen aus. Der müsse seine Aussagen belegen, forderte sie. „Auf diesen Beleg hat die Öffentlichkeit auch ein Recht und darauf warten wir.“

Damit geht die Merkel-Vertraute Kramp-Karrenbauer auf Distanz zu Maaßen – und indirekt auch auf Konfrontationskurs zu Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Der hatte Maaßen am Freitag noch öffentlich das Vertrauen ausgesprochen – und angegeben, in engem Kontakt mit dem Verfassungsschutzchef zu stehen. Maaßen habe ihm die Erkenntnisse seiner Behörde über Chemnitz mitgeteilt, sagte Seehofer. „Worauf er sie stützt, weiß ich nicht.“ Berichte darüber, dass das „Bild“-Interview mit dem Innenministerium abgestimmt worden sei, wies eine Sprecherin Seehofers jedoch zurück. Auch über Maaßens Behauptungen zu angeblichen „Falschinformationen“ zu Chemnitz habe niemand im Ministerium vor Abdruck des Interviews gewusst.

Maaßens Zukunft hängt vom Parlamentarischen Kontrollgremium ab

Am Mittwoch wird Maaßen die Gelegenheit haben, das alles genauer zu erklären. Dann wird der Geheimdienstchef vor das Parlamentarische Kontrollgremium geladen, um „seine Behauptungen zu hinterlegen“, wie SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles sagte. Dabei werden die Abgeordneten den Verfassungsschutzchef wohl mit einer Reihe unangenehmer Fragen löchern. An der Stichhaltigkeit von Maaßens Antworten hängt auch seine Zukunft als Spitzenbeamter: Kann er beweisen, dass es über die Ereignisse in Chemnitz tatsächlich „gezielte Falschinformation“ gab? Gab es wirklich keinen rechten Mob, der in der Stadt „Hetzjagden“ veranstaltete? Und warum sprach Maaßen von „Mord“, obwohl im Fall von Daniel Hillig nur wegen Totschlags ermittelt wird?

Dass in Chemnitz Rechtsextreme Jagd auf Menschen gemacht haben, gilt als sicher. Der Bundesverfassungsschutz schließt das mittlerweile nicht mehr aus. Tatsächlich gibt es zahlreiche Berichte, wie Menschen von einer wütenden Meute über die Straße gehetzt und geschlagen wurden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in 120 Fällen, darunter auch wegen Körperverletzung und Landfriedensbruch. Auch im Zusammenhang mit dem Video, dessen Echtheit Maaßen in der „Bild“ anzweifelte, gebe es nun Ermittlungen wegen Körperverletzung, bestätigte die Generalstaatsanwaltschaft in Dresden. Die Opferberatung in Sachsen nennt mehr als 30 Überfälle seit Ende August. „Da sind Leute panisch durch die Stadt gerannt“, sagte die sächsische SPD-Generalsekretärin Daniela Kolbe, die mit Betroffenen und Augenzeugen gesprochen hat. „Etwas anderes zu behaupten, ist absurd.“

Vertraut Merkel dem Geheimdienstchef noch?

Der Auftritt vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium dürfte für Maaßen entsprechend unangenehm werden. „Wenn Herr Maaßen irgendeinen Beweis für seine Behauptungen hat, muss er den jetzt auf den Tisch legen“, sagte André Hahn (Linke), der Stellvertretende Vorsitzende Gremiums. Ansonsten müsse Maaßen sofort zurücktreten – oder von seinem Dienstherren Seehofer entlassen werden. Für den wäre das jedoch ein Gesichtsverlust, da er bis zuletzt Maaßen den Rücken gestärkt hat.

Was aber, wenn Maaßen keine Beweise vorlegt – und Seehofer trotzdem an ihm festhält? Es stellt sich die Frage, ob Merkel dann von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauchen machen könnte. Die Regierung wäre dann wieder dort, wo sie vor dem Asylkompromiss stand. Es wäre der nächste große Krach zwischen den Unionsparteien – Ausgang offen. Die Causa Maaßen könnte den alten Streit zwischen CDU und CSU neu entfachen.

Der innenpolitischen Sprecher der FDP im Bundestag, Konstantin Kuhl, forderte deshalb: „Die Bundeskanzlerin muss am Mittwoch in der Generalaussprache zum Bundeshaushalt klarstellen, ob die Bundesregierung dem Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz noch vertraut.“

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