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Tea for two: Die Einladung des türkischen Außenministers ins Goslarer Eigenheim trug Gabriel viel Kritik ein.

© Florian Gärtner/dpa

Deutsch-türkische Beziehungen: Sigmar "Eniste" - der Schwager hat das Wort

Nur ja im Gespräch bleiben: Jetzt Ex-Außenminister Sigmar Gabriel verteidigt noch einmal seine Türkei-Politik.

Er hatte schon ein paar Namen in seiner politischen Laufbahn: Siggi Pop etwa war einer, in der Zeit, als Sigmar Gabriel 2003 das neue Amt des Pop-Beauftragten der Partei übernahm, das es nach ihm auch nicht mehr gab. Jetzt, da die Karriere ganz an ihr Ende gekommen scheint, überrascht der Genosse Gerd Andres den Nicht-mehr-Außenminister die Versammlung und Gabriel mit einem weiteren, der eher an Mafia-Thriller denken lässt: "Der Schwager" nenne man ihn in deutsch-türkischen Zirkeln.

Das will Gabriel, als er am Pult steht, dann doch nicht unkommentiert lassen: Die Anrede "eniste", Schwager, die verdanke er echter Verwandtschaft, der türkischen Familie der Frau, mit der er in erster Ehe verheiratet war. Eine launige Anekdote noch vom ersten Treffen mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan, der ihn damals mit dieser türkischen Verbindung aufzog - und schon ist Gabriel vom Privaten wieder beim Politischen, als rede hier nicht einfach "der Abgeordnete Gabriel" (Andres) sein Grußwort, sondern noch der erste Mann im Auswärtigen Amt, aus dem ihn die SPD vor kurzem abgezogen hat.

Angst vor dem Abwandern der Türkei

Gabriel ist am Mittwochabend beim sogenannten Frühjahrsempfang der "Deutsch-Türkischen Gesellschaft" zu Gast. In der ersten Reihe neben Altbundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) viel alter und jüngerer sozialdemokratischer Adel. Der führt auch den Verein - neben dem Vorsitzenden, dem früheren langjährigen Hannoveraner Abgeordneten Gerd Andres, sitzt unter anderem Michelle Müntefering im Vorstand.

Die Gesellschaft widmet sich laut Satzung dem Dialog beider Länder. Und Gabriel nutzt den Termin zu einer Art Vermächtnis und Mahnung an die neue Regierung - und seinen Nachfolger Heiko Maas? Der Tenor: Vorsicht! Gerade hat Vorredner Andres die "widerlichen Bilder" aus dem syrischen Afrin beschworen, das türkische Truppen gerade erobert haben, und berichtet, dass die Verständigung mit Erdogans Türkei "in den letzten zwei, drei, vier Jahren immer schwieriger" geworden sei.

Man müsse, sagt Gabriel und wendet sich an den Parteifreund, nicht still sein, sich aber auch immer wieder um den Dialog bemühen, "nicht mit dem Finger aufeinander zeigen" und auch "nicht unterschiedliche Standards anlegen". Da gebe es schließlich Partnerländer, deren Menschenrechtsbilanz noch weitaus mieser sei als die der Türkei - auch wenn er die natürlich nicht verteidigen wolle.

So klingen alle Sätze Gabriels in dieser Rede: Natürlich "war das letzte letzte was Syrien brauchte, ein weiterer bewaffneter Konflikt". Andererseits habe die Türkei die USA gewarnt, sich nicht mit der kurdischen Miliz in Syrien zu verbinden. Auf humanitären Zusagen der Türkei im Kriegsgebiet zu bestehen, sei "ohne Frage die Aufgabe des Tages", aber es gebe auch noch Aufgaben danach: "Wie wollen wir das Verhältnis gestalten?"

Er selbst habe "keine Antwort darauf", aber wenn es jetzt zu einer "Abkehr von der prinzipiellen Bindung der Türkei an die Nato und die Vereinigten Staaten" käme, könne dies eine Bedeutung haben, "die uns vielleicht noch nicht richtig klar ist". Europa und Deutschland hätten jedes Interesse, weiter in einem Gesprächskontakt zu bleiben und gar keins, die Bindung der Türkei an Europa zu schwächen.

Ein bisschen ist's, als verteidige Gabriel vor einem sichtlich wohlgesonnenen Publikum noch einmal die Teestunde vom Januar in Goslar, als er dem türkischen Kollegen Cavusoglu im heimischen Wohnzimmer aufwartete. Für die demonstrative Nähe zum Minister des Autokraten Erdogan und die anschließenden Aussagen zu neuen Rüstungsprojekten hagelte es Kritik an Gabriel.

Das optimistische Gesicht von Rita Süssmuth

"Optimismus" heißt dagegen Gabriels Zauberformel. So hat er den Vortrag begonnen, mit einer Hommage an Rita Süssmuth, "das optimistischste Gesicht, das ich in der deutschen Politik kennengelernt habe". Es gebe doch so viel in den Beziehungen, das Deutsche Gymnasium in Istanbul werde gerade 150 Jahre alt, die deutsch-türkische Universität, für die sich die CDU-Politikerin engagiere, sei im Werden. Es gebe so viel, "ein Schatz, den man sich nicht durch die Hände rinnen lassen darf".

Und wenn man dann nicht mehr weiter wisse, sagt Gabriel: "Dann sollten wir versuchen, uns an das optimistische Gesicht von Rita Süssmuth zu erinnern."

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