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Die Maskenpflicht ist kein Dauerzustand, das wird oft vergessen.

© imago images/MiS

Die Politik ist zu fixiert auf das Jetzt: Wir brauchen mehr Hoffnung – gerade in der Coronakrise

Zwischenzeitlich braucht es drastische Maßnahmen gegen Covid-19. Doch genauso wichtig sind optimistische Signale – denn die fördern die Einsicht. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Caroline Fetscher

Auch Corona wird ein Ende nehmen. Doch das ins Auge zu fassen scheint sich kaum jemand öffentlich zu trauen, der staatliche Verantwortung innehat. Diese Weigerung verstört und frustriert viele. Nachgerade sabotierende Wirkung könnte der Begriff „neue Normalität“ entfalten, der suggeriert, es sei vollends eine neue Epoche angebrochen. „Hört das denn nie auf?“ So wettern und seufzen immer mehr Leute.

Tatsächlich geht es ja um eine vorübergehend veränderte Normalität. Die Naturkatastrophe ist zu bewältigen, das belegen alle Expertisen. Die Umstellung des Alltags ist ein kritisches Interim, eine beschwerliche Phase.

Auf der weltweiten Wegstrecke braucht der Prozess so viel Solidarität, wie irgend möglich, und es braucht zwei zentrale Botschaften: Gemeinsam muss jede Gesellschaft da durch. Und: Alle Gesellschaften werden da rausgelangen.

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Es gibt Hoffnungsbedarf. Zuversicht muss einen Silberstreif am Horizont ahnen lassen. Politik muss der Bevölkerung den Blick durchs Fernglas auf dem Dampfer der Gegenwart zeigen, besonders dann, wenn zwischenzeitlich drastischere Maßnahmen nötig sind.

Die Politik muss die Jetzt-Starre überwinden

Doch Verantwortliche wirken derzeit oft wie fixiert in einer Jetzt-Starre, anstatt Perspektiven für Post-Corona ins Spiel zu bringen. Vermutlich fürchten sie vor allem eins: Ein falsches Datum zu nennen, an dem man sie später messen könnte. Aber die Angabe von einem Tag X im Kalender erwartet niemand, der bei Verstand ist.

Unentbehrlich hingegen sind optimistische Signale als Grundlage für Einsichtsbereitschaft. Fehlt der Ausblick reizt das zur Haltung: Dann tanzen wir eben auf dem Vulkan! Je geringer die Hoffnung, desto beliebter wird der gefährliche Sport, Regeln zu brechen, ob auf cool autonome Weise, völkisch verbockt oder bourgeois überheblich. Und ohne Hoffnung können sich vereinzelte verzweifelte Momente viel eher zu traumatischen Zuständen verdichten.

Je besser jedoch Beschlüsse vermittelt und Aussichten jenseits des Jetzt erkennbar werden, desto motivierter werden Regeln beherzigt, Verordnungen, Richtlinien, Leitfäden, Einschränkungen. Und desto pragmatischer gehen Bürgerinnen und Bürger damit um.

Viele Hauseigentümer, zum Beispiel, dürften während der Flaute anstatt Mietern zu kündigen Ladenmieten stunden, sofern ihnen ein Zukunftspanorama eröffnet wurde. Leute sehnen sich nach Ferien und Feiern ohne Furcht, nach Klarheit für Arbeit und Ausbildung. All das muss Ziel sein und bleiben.

Die Pandemie wird entschleunigt werden

Aller Voraussicht nach kommt mit der Zeit ein gradueller Übergang zur Nach-Covid-Ära. Währenddessen wird das Schutzverständnis klarer, werden Behandlungen besser, und es wird höchstwahrscheinlich Impfungen geben. Ganz gewiss entsteht generell routiniertere Elastizität im Reagieren auf das Infektionsgeschehen, auch durch die bewegliche Organisation von Arbeit und Schule und durch bundesweit einheitliche Standards, die je nach Region maßgeschneidert angewendet werden.

Indem kollektive Lernprozesse und wissenschaftliche Fortschritte gedeihen, wird die Pandemie entschleunigt und schließlich beendet. Das gilt es permanent und parallel zu allen neuen Regularien zu vermitteln. Großspurige Versprechen à la Donald Trump („Covid wird einfach verschwinden!“) taugen freilich nicht. Gebraucht werden realistische, nachvollziehbare Aussagen. Je besser eine Bevölkerung begreift, worum es geht, desto eher verhält sie sich solidarisch. Und je deutlicher der Hoffnungsschimmer, desto resilienter wird die Solidarität.

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