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Ein gerahmtes Porträtfoto des erschossenen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU).

© Swen Pförtner/dpa

Einstufung als politischer Mord: Anschlag auf Walter Lübcke jetzt auch offiziell rechtes Delikt

Es dauerte ein halbes Jahr, bis die hessische Polizei offiziell mitteilt: Der Anschlag auf den Kasseler Regierungspräsidenten gilt als politisch motiviert.

Von Frank Jansen

Ein halbes Jahr nach der Tat wird im Fall Walter Lübcke die überfällig erscheinende Einstufung als politischer Mord bekannt. Das hessische Landeskriminalamt teilte jetzt auf Anfrage des Tagesspiegels mit, es habe den Anschlag auf den Kasseler Regierungspräsidenten „als Gewaltdelikt im Phänomenbereich ,Politisch motivierten Kriminalität – rechts‘ bewertet“.

Lübcke wurde am 2. Juni vor seinem Haus im nordhessischen Wolfhagen mit einem Kopfschuss getötet, mutmaßlicher Täter ist der Neonazi Stephan Ernst. Obwohl Ernst im Juni festgenommen wurde und kurz darauf ein Geständnis ablegte, fehlte der Fall bislang in der offiziellen Statistik zu Todesopfern rechter Gewalt. Die Bundesregierung hat das Attentat in den Antworten auf monatliche Anfragen von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau und der Linksfraktion zu rechter Kriminalität noch nicht genannt.

Mit der Bewertung des Anschlags auf Lübcke als politisch motivierte Tat steigt die offizielle Zahl der Todesopfer rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung auf 95. Wahrscheinlich sind aber deutlich mehr Menschen bei Angriffen von Neonazis und anderen Rechten gestorben.

Der Tagesspiegel kommt in seiner Langzeitrecherche auf mindestens 170 Todesopfer rechter Gewalt seit dem Oktober 1990. Zahlreiche Fälle hat die Polizei allerdings im Laufe der Jahre als doch rechts motiviert nachgemeldet. Anlass waren die mediale Berichterstattung, die systematische Überprüfung von Altfällen in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin sowie parlamentarische Anfragen von Abgeordneten der Linkspartei und der Grünen.

„Zureichende Anhaltspunkte für einen rechtsextremen Hintergrund“

Wann der Fall Lübcke als rechts motiviert eingestuft wurde, will das hessische LKA nicht sagen. „Das ist wegen des noch laufenden Ermittlungsverfahren nicht möglich“, teilte ein Sprecher am Montag mit. Naheliegend ist allerdings, dass die Einstufung bereits erfolgte, als die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen am 17. Juni an sich zog.

Als Grund nannte die Behörde „zureichende Anhaltspunkte für einen rechtsextremen Hintergrund der Tat“ und somit eine besondere Bedeutung des Falles. Der Mord an Lübcke ist das erste tödliche Attentat eines Rechtsextremisten auf einen Politiker in der Geschichte der Bundesrepublik.

Obwohl Stephan Ernst sein Geständnis am 2. Juli widerrief, bleibt er der Hauptverdächtige. Der wegen Gewalttaten vorbestrafte Neonazi hatte der Polizei den Anschlag detailliert geschildert und das Erddepot gezeigt, in dem die Tatwaffe lag. Ernsts Verteidiger hat zudem kürzlich eine neue Aussage seines Mandanten angekündigt. Man werde kaum davon ausgehen können, dass Ernst „gar nichts mit der Tat zu tun hat“, sagte der Dresdener Anwalt Frank Hannig dem ARD-Magazin „Panorama“.

Offen bleibt, ob der Neonazi alleine handelte. Zwei mutmaßliche Komplizen, Markus H. und Elmar J., sitzen ebenfalls in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen allerdings nicht die Mittäterschaft am Attentat auf Lübcke vor. Die beiden Männer sollen über die Tatwaffe Beihilfe zum Mord geleistet haben.

Nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft stellte Markus H. 2016 für Ernst den Kontakt zum Waffenhändler Elmar J. her. Dieser soll dem späteren Attentäter den beim Anschlag genutzten Revolver verkauft haben. Womöglich war jedoch Markus H., fanatischer Rechtsextremist wie Stephan Ernst, stärker am Anschlag beteiligt. Ernst teilte „Panorama“ mit, sein Kontakt zu Markus H. sei „ein entscheidendes Verhängnis“ gewesen.

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