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Personen warten auf eine Corona-Impfung im Impfzentrum in Schoenefeld.

© /imago images/photothek

Experten kritisieren Beschluss: Impfpriorisierung wird in drei Wochen aufgehoben

15 Millionen Impfungen von Menschen mit besonderem Risiko sind bis zum 7. Juni vorgesehen. Dann wird die Priorisierung aufgehoben, so Gesundheitsminister Spahn.

Bis Ende Mai sollen 40 Prozent der Menschen in Deutschland mindestens einmal gegen Corona geimpft sein. Das teilte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag in Berlin mit. 15 Millionen Impfungen von Menschen mit besonderem Risiko seien von heute bis zum 7. Juni vorgesehen. Dann werde die Priorisierung in Impfzentren und in den Arztpraxen aufgehoben. Spahn wertete den bis dahin noch weiter geltenden Vorrang für Ältere, Kranke und Menschen in bestimmten Berufen als wichtig.

„Sie zuerst zu impfen, das war epidemiologisch geboten“, sagte er. Die Priorisierung sei auch moralisch geboten gewesen. „Das war keine Bürokratie, das hat Menschenleben gerettet.“ Dennoch könnten die Kommunen bestimmte Kontingente von Impfdosen weiter für bestimmte Stadtteile oder Personengruppen verwenden.

Das Ethikrat-Mitglied Andreas Lob-Hüdepohl hat die Aufhebung der Impfpriorisierung in mehreren Bundesländern kritisiert. Es verstoße gegen das Prinzip der Gerechtigkeit, „die noch nicht durchgeimpften Personen mit höherer Dringlichkeit dem Windhund- und Ellenbogenprinzip auszusetzen“, sagte der Berliner Theologe im Interview der „Welt“ (Dienstag). Die über 80-Jährigen hätten ein 500-fach höheres Risiko, schwer an Corona zu erkranken, als die 40-Jährigen. Bei den über 60-Jährigen sei das Risiko noch 50-fach erhöht. „Wenn Bayern, Baden-Württemberg und jetzt auch Berlin und Brandenburg die Priorisierungsregeln außer Kraft setzen, setzen sie auch das Gerechtigkeitsprinzip in der Impfstoffverteilung außer Kraft.“

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Lob-Hüdepohl forderte den Gesetzgeber zudem auf, auch Nicht-Geimpften mehr Freiheiten zu ermöglichen. „Wer einen negativen aktuellen PCR-Test vorweisen kann, muss eine Party besuchen können, ähnlich wie Geimpfte“, sagte er. „Ansonsten bekommen wir ein großes Akzeptanzproblem.“ Den Nicht-Geimpften sei bereits ein „doppelter Nachteil“ entstanden. „Sie müssen Einschränkungen ihres Gesundheitsschutzes hinnehmen und zudem länger warten, bis sie wieder in den Genuss ihrer Grundrechte kommen. Das ist durchaus bedenklich - auch mit Blick auf unsere Verfassung“, so der Theologe.

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Der Ehrenpräsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, zeigt sich skeptisch, ob eine Verteilung durch die Hausärzte zu einer besseren Verteilung führen werde. Die Aufhebung der Priorisierung sei „die klassische Verantwortungsverlagerung“ der Politik, sagte Montgomery bei RTL/ntv. „Sie macht den schlanken Fuß und schiebt den Hausärzten das Problem zu.“ Das Kernproblem sei der Mangel an Impfstoff, so der Experte.

Kritik kommt auch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. „Nicht ein Datum darf das Ende der ethischen Reihenfolge bei der Impfung bestimmen. Allein der Impffortschritt in den drei Prioritätsgruppen muss der Maßstab für das Ende der Priorisierung sein“, sagte Vorstand Eugen Brysch der „Rheinischen Post“ (Dienstag). Er warf Spahn vor, dieser kapituliere vor den Alleingängen der Ministerpräsidenten: „Es war ein Fehler, dass nicht der Bundestag die Regeln festgesetzt hat. Kommt im Herbst die notwendige Auffrischungsimpfung für wenigstens 60 Millionen Menschen, sind alle ethischen Leitplanken demoliert. Dann werden nicht mehr die Schwachen und relevanten Berufsgruppen geschützt, sondern es regieren die Starken und Schnellen.“ KNA, dpa

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