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Joachim Stamp (FDP) und Nancy Faeser (SPD) sprachen im Februar über ihre Pläne - seither ist noch nicht viel passiert.

© dpa/Kay Nietfeld

Faesers Mann für Migrationsabkommen: Noch liefert Joachim Stamp nur Zuversicht

Für die von der Ampel versprochene „Rückführungsoffensive“ braucht es Länder, die ihre Staatsangehörigen aufnehmen. Neue Migrationsabkommen gibt es bisher keine.

Den großen Erwartungen, die mit seinem neuen Job verbunden wurden, ist Joachim Stamp gleich zu Beginn entgegengetreten – zumindest was schnelle Erfolge anbelangt. „Das wird ein langwieriger und beschwerlicher Weg“, sagte der Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen bei Dienstantritt am 1. Februar.

Im Mai legte er im regierungseigenen Podcast „Aus Regierungskreisen“ nach: „Es bringt nichts, zu glauben, man habe jetzt einen Sonderbevollmächtigten, der mit dem Finger schnippt und in ein paar Monaten sind die Probleme in Luft aufgelöst.“

Mit steigenden Erstankunftszahlen, Brandbriefen aus Kommunen und Rechtsextremen, die aus der Migrationskrise Profit schlagen, steigt der Druck, den Worten Taten folgen zu lassen. „Wir wollen neue praxistaugliche und partnerschaftliche Vereinbarungen mit wesentlichen Herkunftsländern unter Beachtung menschenrechtlicher Standards schließen“, hieß es Ende 2021 im Koalitionsvertrag.

Ziel ist dem SPD-Innenpolitiker Sebastian Hartmann zufolge „ein Doppelnutzen“. So wolle man „dringend benötigte Fachkräfte für unser Land gewinnen und gleichzeitig die Herkunftsländer zur Wiederaufnahme ihrer unberechtigt eingereisten Staatsangehörigen motivieren“.

Laut Union nur „heiße Luft“

Neue Abkommen dieser Art, die die bereits existierenden, aber wenig effektiven Rückführungsabkommen Deutschlands mit insgesamt 30 Staaten ersetzen oder ergänzen sollen, gibt es bisher nur mit Indien – abgeschlossen im Dezember, vor Amtsantritt des Sonderbevollmächtigten.

Seither hat Stamp der kurzen Liste keine neuen Ländernamen hinzufügen können. Die Ampel habe, so das Urteil von Alexander Throm (CDU), dem innenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion, „mal wieder heiße Luft“ produziert: „Er bemüht sich nicht um Rückführungen, sondern um Arbeitskräfteeinwanderung“.

Dahinter steht auch eine Grundsatzkritik an den Migrationsabkommen, die im Gegenzug für die Kooperation bei der Wiederaufnahme eigener Landsleute auch Visa-Erleichterungen für die legale Einreise vorsehen. Throm bemängelt, dass Stamp auch mit der „Westbalkan-Regelung“ hausieren gehe, „mit der auch Arbeitskräfte ohne Ausbildung nach Deutschland kommen können“.

Weil die FDP auch von Ländern wie Gambia oder Nigeria spreche, bringe das „viel Armut in unsere Sozialsysteme“, dies löse aber „weder den Fachkräftemangel noch die Migrationskrise“.

Tatsächlich betont auch ein Sprecher des Innenministeriums von Nancy Faeser (SPD), die Abkommen seien „nicht besonderer Bestandteil der Rückführungsoffensive“, sondern vielmehr „ein Baustein, der auf eine dauerhafte Partnerschaft mit Herkunftsländern angelegt ist“, die „sowohl reguläre Migration ermöglichen als auch irreguläre Migration begrenzen“ solle. Daher sind weitere Häuser beteiligt, eine interministerielle Gruppe tagt regelmäßig dazu.

Interessen kennen und vermitteln

„Es ist ein großer Gewinn“, sagte Stamp dem Tagesspiegel, „dass wir mit den unterschiedlichen Ministerien mit einem gemeinsamen Ansatz gegenüber den Herkunftsstaaten auftreten.“ Für Migrationsabkommen, die praxistauglich und von Dauer seien, so der Liberale weiter, „müssen wir die Interessen unserer Partner kennen, ernst nehmen und ihnen umgekehrt unsere Interessen vermitteln, um daraus eine für alle gewinnbringende Partnerschaft zu entwickeln.“

Wenig überraschend wird die CDU-Kritik an den Abkommen und der Arbeit von Stamp in der Ampel nicht geteilt. Die FDP-Innenpolitikerin Ann-Veruschka Jurisch bescheinigt ihrem Parteifreund, bisher „hervorragende Arbeit“ geleistet zu haben: „Parallel zu seinem Büroaufbau führt er intensive und sehr gute Gespräche mit verschiedenen Ländern.“ Wegen der nötigen Vertraulichkeit ist zumindest ihr verständlich, dass Stamp „nicht alles direkt an die große Glocke hängt“.

Geplant sind auch Vereinbarungen mit den nordafrikanischen Mittelmeeranrainern, für die ganze EU wurde gerade eine mit Tunesien abgeschlossen. Das Innenministerium will aus Gründen eben jener Vertraulichkeit nicht alle potenziellen Partner gegenüber dem Tagesspiegel aufführen: „Genannt werden können aktuell Gespräche in Georgien, Moldau, Usbekistan, Kirgisistan sowie Vorbereitungen für Gespräche in Kenia und Marokko.“

„Für mich haben Georgien und Moldau Priorität, weil wir hier sofort irreguläre Migration reduzieren könnten.“

Joachim Stamp (FDP), Sonderbevollmächtigter der Bundesregierung

Besonders zwei potenzielle EU-Beitrittskandidaten stehen im Fokus. „Für mich haben Georgien und Moldau Priorität, weil wir hier sofort irreguläre Migration reduzieren könnten und sich beide Länder Partnerschaften wünschen“, sagt Stamp: „Sie sind deshalb besonders relevant, weil über zehn Prozent der abgelehnten Asylanträge in Deutschland allein aus diesen beiden Ländern kommen.“

Ein Abkommen würde daher „Kommunen und Gerichte in Deutschland entlasten – dazu müssen beide Staaten auch als sichere Herkunftsländer eingestuft werden“.

Die Grünen lenken ein

Aus diesem Grund haben die Grünen nach Informationen des Tagesspiegels ihren Widerstand gegen die Ausweitung dieses Länderkreises aufgegeben. Nach wochenlanger Blockade in der Ressortabstimmung durch das Familien- und das Wirtschaftsministerium, das wegen Robert Habecks Vizekanzlerschaft die „grünen“ Ministerien koordiniert, sollen beide Häuser ihre Zustimmung signalisiert haben. Ein Kabinettsbeschluss ist nun für Anfang September geplant.

Der SPD-Innensprecher Hartmann geht daher davon aus, dass Faeser und Stamp bald erste Erfolge vermelden können: „Diese Abkommen befinden sich in Vorbereitung, und ich bin zuversichtlich, dass es zum Abschluss solcher Abkommen als Blaupause für zukünftige und weitere Migrationsabkommen kommen wird.“

Vergangene Woche hat Joachim Stamp Kirgisistan und Usbekistan besucht und dort nach eigenen Angaben „sehr engagierte und kompetente junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erlebt, die sehr gut Deutsch sprechen und bei uns als Fachkräfte gebraucht werden, um mitzuhelfen, unsere riesige Arbeitskräftelücke zu schließen.“ Zudem hätten ihm die jeweiligen „Regierungsvertreter eine enge Rückkehrkooperation zugesichert“.

Die fachliche Eignung des ehemaligen Integrationsministers von Nordrhein-Westfalen wird selbst in der CDU anerkannt. „Migrationsabkommen sind ein mühsamer Prozess, weil die jeweiligen Staaten auch etwas dafür haben wollen, was dann wiederum in der Bundesregierung umstritten sein dürfte“, sagt sein früherer Düsseldorfer Kabinettskollege, NRW-Innenminister Herbert Reul: „Aber Joachim Stamp ist einer, der auch bei Gegenwind an einer Sache dran bleibt.“

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