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Wenn Brücken bröckeln... Aber am Geld liegt es nicht, es ist genug da.

© Paul Zinken/dpa

Förderung der Kommunen durch den Bund: Wenn der Segen zum Fluch wird

Viele Milliarden liegen in den Fördertöpfen des Bundes für die Kommunen. Doch sie fließen nur stockend ab. Was läuft da schief?

Beim Abfall sieht es ziemlich gut aus. Die Kultur kann nicht klagen. Im Gesundheitsbereich hapert es nicht wirklich, auch der Energiesektor leidet kaum. Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) in Berlin hat unlängst bei den Kommunen nachgefragt, wo es denn klemmt bei den Investitionen und wo nicht. Die genannten vier Bereiche sind demnach nicht die Sorgenkinder der Bürgermeister, Kämmerer, Baudezernenten und Gemeinderäte. Bei Abfall, Energie, Gesundheit und Kultur zeigt sich deutschlandweit der seit Jahren beklagte Investitionsstau kaum oder gar nicht.

Die Problemzone ist vor allem die Verkehrsinfrastruktur, also die in der öffentlichen Debatte gern beklagten bröckelnden Brücken und die Schlaglöcher. Hier ist der Rückstand am größten. 61 Prozent der befragten Kommunen gaben an, einen nennenswerten Investitionsbedarf zu haben, 16 Prozent sehen sogar einen gravierenden Rückstand. Nur ein knappes Viertel der Kommunen gibt an, nur gering oder gar nicht investieren zu müssen.  Auch bei der Wasserversorgung tut sich offenbar eine Investitionslücke auf: Hier sieht jede siebte Kommune einen gravierenden Bedarf. Andererseits ist die Situation bei fast der Hälfte nicht angespannt. Ähnlich ist das Bild bei den Schulen, wo die öffentlichen Klagen am lautesten sind. 46 Prozent der Kommunen haben hier keinen oder nur einen geringen Investitionsrückstand, 42 Prozent halten ihn für nennenswert, zwölf Prozent für dringlich. Ähnlich sieht es auch bei den Sportanlagen aus, besser dagegen (mit 58 Prozent Geringbedarf) bei den Kinderbetreuungsstätten. Kurzum: Die Republik zerbröselt örtlich und sektoral sehr unterschiedlich.

 In der Summe ein großer Rückstand

Doch auch wenn nicht überall der Investitionsnotstand herrscht, hat sich über die Jahre in der Summe doch ein gewaltiger Rückstand aufgebaut. Die bundeseigene Kreditbank KfW beziffert den Ausgabenstau - auf der Basis von Angaben aus den Kommunen selbst - auf knapp 159 Milliarden Euro. Die drei größten Blöcke: Schulen mit 48 Milliarden Euro, Straßenbau und Verkehrsinfrastruktur mit 39 Milliarden, Verwaltungsgebäude mit 18 Milliarden. Der Druck steigt auch, weil 2017 insgesamt zwei Millionen Menschen mehr in Deutschland lebten als fünf Jahre zuvor, darunter viele Kinder und Jugendliche. Mehr Geburten sind ein Grund, die Flüchtlinge ein anderer. Die Kommunen erhöhen daher (und weil auch sie derzeit Überschüsse haben) ihre Investitionen in die Infrastruktur von 25 Milliarden im vorigen Jahr auf gut 28 Milliarden in diesem Jahr.

Doch einige kommen hier nicht mit, wenn zur Finanzschwäche noch hohe Schulden kommen. Ein Viertel der Kommunen gehört in diese Gruppe, die Hilfen brauchen. Meist sind es mittlere und größere Städte. Das hat die Politik längst erkannt. Der Bund legte, um die Länder zu unterstützen, unter anderem zwei Kommunalprogramme auf mit jeweils 3,5 Milliarden Euro Volumen gezielt für finanzschwache Kommunen. Doch Planungsstand und Mittelabfluss liegen unter den Erwartungen. Das erste Bundesprogramm, begonnen 2015 und für den allgemeinen Infrastrukturbedarf gedacht, ist noch immer nicht vollständig mit Vorhaben belegt. Bis Ende Juni waren 3,3 Milliarden Euro verplant und verteilten sich auf 12000 Maßnahmen, häufig für energetische Sanierung. Laut Bundesfinanzministerium ist der Abfluss der Mittel „zögerlich“. Als Gründe werden genannt: langer Planungsvorlauf, Auszahlung der Mittel erst wenn die Rechnungen vorliegen, zu wenig Kapazitäten bei den Baufirmen.

 Ganz schlimm: der Breitbandausbau

So ist es kein Wunder, dass aus dem im Vorjahr aufgelegten zweiten 3,5-Milliarden-Programm bislang noch kein Cent abgerufen worden ist. Das Volumen der beantragten und bewilligten Maßnahmen beträgt erst 427 Millionen Euro. Das heißt: Nach einem Jahr liegen 88 Prozent der Bundesmittel praktisch brach. Geradezu katastrophal ist die Situation beim Breitbandausbau: Aus dem vor drei Jahren unter Verantwortung des damaligen Verkehrsministers Alexander Dobrindt (CSU) aufgelegten Hilfsprogramm des Bundes für die Kommunen ist bisher kaum Geld abgeflossen. Offenkundig dauern hier schon die Planungen und Vorbereitungen weitaus länger als gedacht. Hans-Günter Henneke vom Landkreistag verweist darauf, „dass solche grundlegenden Infrastrukturen nicht von heute auf morgen aufzubauen sind“.

Längst hat eine Art Schwarze-Peter-Spiel zwischen Bund, Ländern und Kommunen begonnen um die Frage, warum Geld liegenbleibt und alles irgendwie länger dauert. Darin steckt Konfliktstoff, der auch die von der Bundesregierung geplante „Kommission gleichwertige Lebensverhältnisse“ beschäftigen wird, die bis 2020 Vorschläge machen soll, wie man finanzschwache Kommunen noch besser fördern und strukturschwachen Regionen aufhelfen kann. Zuständig ist „Heimatminister“ Horst Seehofer (CSU). Aus der Sicht des CDU-Haushaltspolitikers Eckhardt Rehberg (CDU) gibt es „ein Umsetzungsproblem in weiten Teilen unseres Landes“. „Der mäßige Mittelabfluss bei den Sondervermögen des Bundes für Kommunalinvestitionen und für den Kita-Ausbau legt das schonungslos offen“, sagt er. Für ihn keine Geldfrage: „Seit 2012 erzielen die Gemeinden insgesamt Überschüsse. Dazu hat der Bund mit erheblichen Entlastungen der vergangenen Jahre beigetragen.“ Abhilfe soll durch gesetzliche Erleichterungen kommen. „Ich bin froh, dass die Koalition einen wesentlichen Punkt zur Lösung dieses Problems angehen und ein Planungs- und Baubeschleunigungsgesetz verabschieden will“, sagt der CDU-Politiker aus dem südlichen Mecklenburg-Vorpommern.

 "Immer Dritte mit am Tisch"

Doch in den Kommunen und den Ländern (über die alle Bundesprogramme laufen) wächst auch der Unmut mit dem Vorgehen der Bundesregierung, die sich als großzügiger Geldgeber darstellt, aber möglicherweise auch Teil des Problems ist. Carsten Kühl, einst Finanzminister in Rheinland-Pfalz und neuerdings Chef des Difu in Berlin, sagt: „Kommunale Investitionsprogramme des Bundes sind für die Kommunen Fluch und Segen zugleich. Das Geld ist der Segen und der Fluch die Bürokratie und Fremdbestimmung.“ Beides wächst mit der Zahl der Programme. In allen möglichen Feldern mischt der Bund mit seinen Milliarden mit, die häufig aber – gemessen am Gesamtbedarf – kaum über eine „Anschubfinanzierung“ hinausreichen und damit kaum nachhaltig sind, wie der Difu-Wissenschaftler Henrik Scheller sagt. Kita-Ausbau, Ganztagschulen, Flüchtlingshilfe, Teilhabeförderung, Städtebau, sozialer Wohnungsbau, Digitalpakt für die Schulen, die „Diesel-Milliarden“ zur Reduktion des Feinstaubs – der Bund schüttet breit aus. Doch so „sitzen immer Dritte mit am Tisch, die über Zweck, Höhe, Zeitraum und Bedingungen der Mittelverwendung mitentscheiden“, sagt Scheller. Das untergrabe nicht nur die Selbstverwaltungsautonomie. „Viele Städte und Gemeinden kommen angesichts der zunehmenden Zahl an Programmen aus der Mittelbeantragung und entsprechenden Projektabwicklung nicht mehr heraus.“ Aus Sicht der Länder hat das unlängst der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in einer Wutrede im Bundesrat auf den Punkt gebracht: „Wir brauchen keine Programmmittel. Wir brauchen Steuermittel.“

 Steuermittel statt Programme - eine Lösung?

Für die Kommunen fordert Henneke schon länger einen höheren pauschalen Umsatzsteueranteil, um aus der Enge der Programmlenkung herauszukommen.  „Investitionsförderprogramme des Bundes können dann zum Problem werden, wenn von Kreisen und Städten erwartet wird, dieses Geld umgehend einzusetzen, Personal- und Planungsressourcen zu schaffen und eigene Vorhaben zurückzustellen“, sagt er. „Das ist das Gegenteil nachhaltiger und kostensparender Personal- und Infrastrukturplanung.“ Stattdessen sollten sie „eine dauerhaft bessere Finanzausstattung“ bekommen. „Dann kann man auch Planungs- und Umsetzungskapazitäten langfristig betrachten und muss nicht versuchen, auf Biegen und Brechen Fördermittel in kurzer – oft zu kurzer – Zeit in Beton umzusetzen.“

Difu-Chef Kühl sieht es ähnlich. Zu viel Mitsprache des Bundes lasse sich bei „bei kommunalen Pflichtaufgaben wie Kitas und Schulbau gar nicht rechtfertigen. Wenn die Bedarfe dann auch noch regional kaum streuen, spricht alles dafür, den Kommunen das Geld und die Verantwortung zu geben.“ Eine Erhöhung der kommunalen Umsatzsteueranteile „wäre der richtigere Weg gewesen“, sagt er mit Blick auf die Milliarden-Programme des Bundes. Derzeit geht fast das gesamte Volumen dieser Steuer an den Bund (51,5 Prozent) und die Länder (46,3 Prozent). Den Gemeinden fließen nur 2,2 Prozent zu. Allerdings stoßen die Wünsche der Kommunalebene auf Widerstand im Bundestag. „Den Kommunen zusätzliche Einnahmen über die Umsatzsteuer zulasten des Bundes zu geben, halte ich angesichts der guten Haushaltslage der Kommunen und der finanziellen Aufgaben des Bundes für falsch“, sagt CDU-Mann Rehberg. „Außerdem liegt die Verantwortung für die Kommunen nach dem Grundgesetz bei den Ländern – und nicht beim Bund. Schließlich wäre eine Kontrolle der Verwendung dieser zusätzlichen Mittel durch den Bund nicht möglich.“

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