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Eine Informationstafel bei der Vorstellung des Wahl-O-Maten für die Europawahl.

© Foto: Paul Zinken/dpa

Gerichtsbeschluss zum Wahlomat: Politik ist kein Spiel

Die Online-Wahlhilfe der Bundeszentrale für politische Bildung ist unfair zu kleinen Parteien. Zeit, sie neu zu programmieren. Ein Kommentar.

Auch hier gibt es Wissenswertes zum Grundgesetz – wer noch eines braucht, kann es sich kostenlos bei der Bundeszentrale für politische Bildung besorgen. Die Aufklärungsbehörde unter Fachaufsicht von Bundesinnenminister Horst Seehofer bietet neben diesem Klassiker allerlei Mühen und Kreativität auf, damit die Deutschen bei Sinnen bleiben. Eine ihrer besten Ideen steht jetzt in der Kritik: der Internet-Wahlomat für unentschlossene Stimmbürger, der auch wieder für die Europawahl freigeschaltet wurde. Die pan-europäische Kleinpartei „Volt“ fühlt sich benachteiligt und klagte. Jetzt hat das Kölner Verwaltungsgericht im Eilverfahren entschieden: Der Betrieb bleibt vorläufig untersagt.

Der Wahlomat ist ein Erfolgsmodell und hat in seiner kurzen Digitalgeschichte mehr als 70 Millionen Nutzer angezogen. Anhand von drei Dutzend Fragen können Interessierte checken, welche Partei ihnen nahesteht. Tiefseriös und stets auf der Höhe von Programmen und Parteitagsbeschlüssen. Am Ende werden alle zur Wahl stehenden Parteien aufgeführt. Acht darf sich der Nutzer aussuchen. Dann schieben sich Säulendiagramme und Prozentzahlen ins Bild, die Übereinstimmung markieren. Nicht wenige soll es geben, die sich davon ihr Kreuzchen diktieren lassen.

"Volt" hat die rote Laterne

Genau dort sieht „Volt“ das Problem. Es ist ein Vergleich von acht Parteien, nicht von 41, die auf dem Wahlzettel stehen. Wer wenig Zeit hat, klickt nur die großen und im Parlament vertretenen Parteien an, die stets am Anfang angezeigt werden. Danach geht es alphabetisch weiter. „Volt“ hat die rote Laterne.

Für weitere Vergleiche müssten die Ergebnisse notiert und acht andere Parteien ausgewählt werden. Das scheuen viele. Dann wählt jemand SPD wegen der Spitzen-Übereinstimmung von 70 Prozent, obwohl er mit „Volt“ vielleicht 80 erzielt hätte. Oder einer bleibt bei der AfD hängen, obwohl der Wahlomat als Partei seines Herzens die NPD auswerfen könnte.

Die Bundeszentrale schildert den Wahlomat als „politischen Appetitanreger“. Letztlich soll man spielen und sich spielerisch informieren, aber sich nicht mit dem Totalvergleich eine Entscheidung aufzwingen lassen.

Ein pädagogisch wertvoller Ansatz, doch jetzt kommt wieder das Grundgesetz: Es verpflichtet jede Behörde, die Chancengleichheit im politischen Wettbewerb zu wahren. Ein Spiel, bei dem stets die Großen gewinnen, ist kein faires Spiel. Zudem nehmen viele Spieler den Wahlomat ernst. Sein Erfolg hat mit dem Versagen der Parteien zu tun, Positionen plausibel und unterscheidbar zu machen. Zudem geht es hier nicht um die „Bundeszentrale für politische Spiele“. Insofern ist zu erwägen, ob die Behörde ihren Service neu programmieren sollte, unabhängig vom endgültigen Ausgang des Rechtsstreit. Das Publikum kann selbst entscheiden, ob es spielen will oder nicht. Und auch, wen es dann wählt.

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