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Auf Konfliktkurs: Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron.

© Kenos Triboullard/REUTERS

Kür des Kommissionspräsidenten: Macron ist auf Konfliktkurs mit seinen Wählern

Frankreichs Präsident kämpft gegen die Idee, dass der siegreiche Spitzenkandidat EU-Kommissionspräsident wird. 85 Prozent seiner Anhänger sind anderer Meinung.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kämpft hart gegen die Berufung von Manfred Weber (CSU) als EU-Kommissionspräsident. Er ist gegen das 2014 durchgesetzte Prinzip, dass die Person an die Spitze der Kommission treten solle, die zuvor in der Europawahl als Spitzenkandidat einer Parteifamilie angetreten ist und deren Fraktion die meisten Sitze im Europäischen Parlament hat.

So wurde Jean-Claude Juncker 2014 Kommissionspräsident, nachdem er zuvor an der Spitze der Europäischen Volkspartei (EVP), dem Zusammenschluss christdemokratischer Parteien in der EU, angetreten war. Nach diesem Vorbild möchte nun Weber Kommissionspräsident werden, da die EVP erneut die stärkste Fraktion im Europäischen Parlament geworden ist.

Macron beruft sich bei seinem Widerstand gegen Weber auf Europas Wähler. Die hätten ja gar nicht überall die Chance, für den Spitzenkandidaten zu stimmen. Abgestimmt werde in jedem EU-Land nach nationalen Listen. Das System der Spitzenkandidaten funktioniere nur, wenn es transnationale Listen geben und die Bürger überall die gleiche Auswahl haben.

Macrons Wähler sind nicht seiner Meinung

Doch nun zeigt eine Umfrage: Eine sehr große Mehrheit der EU-Bürger ist der Meinung, dass die Staats- und Regierungschef der EU das Spitzenkandidatenprinzip respektieren sollen. Das meinen auch 85 Prozent der Anhänger der Macron-Partei "La Republique en Marche". Und 88 Prozent der Anhänger von "Renew Europe" (RE), der liberalen Parteienfamilie in Europa, der Macrons Partei angehört. Macron kann sich in seinem Kampf gegen das System der Spitzenkandidaten also nicht einmal auf seine eigenen Wähler berufen. Und auch nicht auf eine Mehrheit der EU-Bürger. Im Schnitt der sieben EU-Staaten, in denen die Umfrage lief, waren 87 Prozent dafür, dass der siegreiche Spitzenkandidat Kommissionspräsident wird.

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Die Ergebnisse stammen aus einer viel weiter gefassten Umfrage in den sieben EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Griechenland, Niederlande, Polen, Spanien und der Tschechischen Republik, welche Erwartungen die Bürger dort nach der Europawahl haben. Sie wurde von der EVP in Auftrag gegeben und von der französischen Tochter des Umfrageinstituts Ipsos durchgeführt.

Deutschland hält an seinem Kandidaten fest

Über die Zahlen zur Unterstützung des Spitzenkandidatensystems hatte Politico am Mittwoch Morgen aus Brüssel berichtet. Die Unterstützung für das Spitzenkandidatensystem reicht von 78 Prozent in den Niederlanden zu 96 Prozent in Griechenland. In Deutschland und Frankreich sind gleichermaßen 85 Prozent dafür. Aufgeteilt nach den Sympathien für Parteien unterstützen 91 Prozent der EVP Anhänger und 88 Prozent der Liberalen, die sich neuerdings RE nennen, die Idee, dass der siegreiche Spitzenkandidat Kommissionspräsident werden soll.

Nach den Europäischen Verträgen muss der Europäische Rat - das Gremium der nationalen Staats- und Regierungschefs - einen Vorschlag machen, wer die EU-Kommission führen soll. Er muss dabei aber das Ergebnis der Europawahl berücksichtigen. Dieser Mechanismus ist derzeit blockiert, weil eine Staatengruppe, darunter Deutschland, am Spitzenkandidatenprinzip und damit an Weber festhält. Und weil eine andere Staatengruppe, darunter Frankreich, sich nicht danach richten möchte. Die EU möchte diese Blockade bei ihrem nächsten Gipfel am Wochenende lösen. Der Streit kann sich aber auch noch Wochen hinziehen.

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