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03.03.2023, Berlin: Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Verkehr und Digitales, stellt bei einer Pressekonferenz im Bundesministerium für Verkehr und Digitales die neue Verkehrsprognose bis 2051 vor. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Mit den Richtigen streiten: Wissing beschädigt die Glaubwürdigkeit des Landes

Was in der Ampel-Koalition nützt, kommt in der EU gar nicht gut an. So hat sich der Verkehrsminister das falsche Thema zur falschen Zeit ausgesucht.

Ein Kommentar von Henrik Mortsiefer

Streiten sollte erlaubt sein in der Demokratie. Da hat Volker Wissing (FDP) recht. Selbst innerhalb der Regierungskoalition tut eine offene Kontroverse gut, wenn am Ende dabei bessere Politik herauskommt. Für den von Wissing und der FDP angezettelten Streit um den Verbrenner-Ausstieg in der EU trifft das aber alles nicht zu.

Diese Auseinandersetzung war unnötig und schädlich. Am Ende steht nämlich die (nicht neue) Erkenntnis, dass Verbrennungsmotoren keine Zukunft haben werden – auch, wenn der Verkehrsminister und seine Parteifreunde etwas anderes glauben wollen.

Als Erfolg verbuchen kann Wissing, dass die EU-Kommission nun wohl bis Herbst einen delegierten Rechtsakt vorlegen wird, der die Anrechnung von E-Fuel-Fahrzeugen auf die CO₂-Ziele für Pkw rechtssicher ermöglicht. Wahrscheinlich wird dafür sogar die nötige parlamentarische Mehrheit zustande kommen. Abgewendet wurde sogar in letzter Minute, dass sich die Verabschiedung der längst entscheidungsreifen CO₂-Flottenregulierung in der EU erneut verzögert.

Doch zu welchem Preis? Und was ist gewonnen? Verloren gegangen, bestenfalls beschädigt ist die Glaubwürdigkeit Deutschlands. Die Meister des Verbrenners wollten doch eigentlich ebenso meisterlich Elektroautos bauen. Oder doch nicht, so haben sich viele in Europa in den vergangenen Tagen gefragt.

An den wirtschaftlichen und physikalischen Rahmenbedingungen für synthetische Kraftstoffe hat sich in den Tagen des Streits nichts geändert. In der Automobilindustrie glaubt niemand, dass klimaneutral produzierte E-Fuels in Verbrennungsmotoren nach 2035 „bezahlbare Mobilität für alle“ ermöglichen werden. Das behauptet Volker Wissing.

Auch gibt es in der Industrie nur sehr wenige Hersteller, die in Europa überhaupt noch neue Verbrennungsmotoren nach 2035 verkaufen wollen – Sportwagen zum Beispiel. Porsche spricht ehrlicherweise von einer Nische und setzt ansonsten ganz auf Elektromobilität.

Wissing argumentiert mit Technologieoffenheit und gegen die kann man ja auch grundsätzlich nichts haben. Aber zu behaupten, in der Transformation senkten Investitionen in mehrere parallele Technologien und Infrastrukturen automatisch die Preise, weil es der Markt schon reguliere, ist neoliberales Wolkenkuckucksheim.

Die „soziale Frage“ (Wissing), wie wir uns morgen klimaneutral bewegen, wird damit gewiss nicht beantwortet. Seine Wähler werden es vielleicht honorieren. Alle anderen haben erkannt, dass Wissing hier Etikettenschwindel betrieben hat.

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