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Die Polizei hatte alle Mühe, die Demonstranten vor dem Reichstag abzudrängen.

© Lukas Dubro/dpa

Update

Politik bestürzt über Ereignisse am Reichstag: „Dass am Bundestag die Reichsflagge wieder weht, ist nicht zu ertragen“

Im Zusammenhang mit den Corona-Demonstrationen wollte eine Gruppe Rechtsextremer den Reichstag stürmen. Die Polizei konnte das nur mit Not verhindern.

Politiker fast aller Parteien haben sich bestürzt gezeigt über die Ereignisse am Berliner Reichstag während der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen.

„Reichsflaggen und rechtsextreme Pöbeleien vor dem Deutschen Bundestag sind ein unerträglicher Angriff auf das Herz unserer Demokratie“, sagte Bundespräsident Frank Walter-Steinmeier. Wer sich über die Corona-Maßnahmen ärgere oder ihre Notwendigkeit anzweifele, könne das tun, auch öffentlich, auch in Demonstrationen. „Mein Verständnis endet da, wo Demonstranten sich vor den Karren von Demokratiefeinden und politischen Hetzern spannen lassen.“

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Am Samstagabend durchbrachen mehrere hundert Menschen – augenscheinlich aus dem rechtsextremen Milieu, aus der Reichsbürgerszene und vom AfD-Nachwuchs „Junge Alternative“ – eine Absperrung am Reichstagsgebäude und stürmten die Treppe hoch bis vor den Eingang.

[Lesen Sie hier die Video-Analyse: Wer beim Sturm auf die Reichstagstreppe mitmischte]

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Polizeibeamte drängten die Menschen mit Mühe zurück. Die Polizei setzte Pfefferspray später ein, es kam zu Rangeleien. Am Reichstagsgebäude hatte es zuvor eine Kundgebung gegeben.

Bei den Demonstranten waren auch die von Reichsbürgern verwendeten schwarz-weiß-roten Reichsflaggen zu sehen. Die Polizei löste die Demo dann auf. Einsatzkräfte räumten den Platz vor dem Reichstagsgebäude und schoben die Demonstranten weg.

Reichstags-Sturm: Nur drei Polizisten stehen den Demonstranten im Weg

Videos, die im Internet kursieren, zeigen, wie die Menschen direkt vor der Tür des Reichstags stehen. Nur drei Polizisten standen ihnen noch im Weg.

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Polizeisprecher Thilo Cablitz erklärte dazu: „Wir können nicht immer überall präsent sein, genau diese Lücke wurde genutzt, um hier die Absperrung zu übersteigen, zu durchbrechen, um dann auf die Treppe vor dem Reichstag zu kommen.“

Die Polizei geht gegen Demonstranten vor dem Reichstag vor.
Die Polizei geht gegen Demonstranten vor dem Reichstag vor.

© REUTERS/Christian Mang

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kritisierte die Berliner Demonstration. „Es war zutiefst unsolidarisch und auch unpatriotisch, keine Masken zu tragen, keinen Abstand zu wahren und damit andere zu gefährden“, sagte Spahn der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“. Die Auflösung von Demonstrationen sei für Demokraten „kein Grund zur Freude“. „Aber es ist richtig, dass die Polizei eingreift, wenn zu vielen Demonstranten in Berlin Freiheit und Gesundheit ihrer eigenen Mitbürger offenbar egal waren.“

Auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble verurteilte die Vorfälle. „Es betrifft uns alle, wenn eine gewaltbereite, ersichtlich rechtsradikale Minderheit den Sitz der Volksvertretung stürmen will“, sagte der CDU-Politiker am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Nach diesen Szenen sollte der Letzte verstanden haben, dass es auch Grenzen des Anstands gibt, wie weit man mitträgt, wer mit einem mitläuft. Der Verantwortung, sich bei seinem Protest nicht von Extremisten instrumentalisieren zu lassen, kann sich niemand entziehen.“

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Schäuble betonte, dass das Demonstrationsrecht ein zentrales Bürgerrecht sei, aber es gelte nicht uneingeschränkt.

Seehofer spricht von "Chaoten und Extremisten"

„Das Reichstagsgebäude ist die Wirkungsstätte unseres Parlaments und damit das symbolische Zentrum unserer freiheitlichen Demokratie. Dass Chaoten und Extremisten es für ihre Zwecke missbrauchen, ist unerträglich“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) der „Bild am Sonntag“. „Meinungsvielfalt ist ein Markenzeichen einer gesunden Gesellschaft. Die Versammlungsfreiheit hat aber dort ihre Grenzen, wo staatliche Regeln mit Füßen getreten werden“, sagte Seehofer weiter.

Außenminister Heiko Maas (SPD) twitterte zu dem Vorfall: „Reichsflaggen vorm Parlament sind beschämend.“ SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz schrieb: „Nazisymbole, Reichsbürger- & Kaiserreichflaggen haben vor dem Deutschen Bundestag rein gar nichts verloren.“

[Mehr zum Thema: Corona-Demos auch am Sonntag in Berlin – verfolgen Sie alle aktuellen Entwicklungen im Liveblog]

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat eine harte Antwort des Staates auf die Proteste von Gegnern der Corona-Schutzmaßnahmen vor dem Bundestag gefordert. „Das unerträgliche Bild von Reichsbürgern und Neonazis vor dem Reichstag darf sich nicht wiederholen - nicht vor dem Parlament und niemals im Parlament“, sagte Lambrecht am Sonntag den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Gegen diese Feinde unserer Demokratie müssen wir uns mit aller Konsequenz zur Wehr setzen.“

Der demokratische Rechtsstaat garantiere das Recht, friedlich zu demonstrieren, sagte Lambrecht. „Wer aber den Bundestag attackiert und Reichsflaggen schwenkt, zeigt nichts als Hass auf die Demokratie und Verachtung für alles, was unser Land ausmacht.“

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) nannte die Szenen vor dem Reichstag „beschämend“. Er dankte den „drei Polizisten, die sich zuerst den Rechtsextremen in den Weg gestellt haben, bevor sie Unterstützung bekamen. Das war sehr mutig.“

Grünen-Politikerin Baerbock fordert wehrhafte Demokratie

Auf die Frage, ob es vielleicht besser gewesen wäre, die Demonstration zu verbieten, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, er wundere sich, dass der Verfassungsschutz nach eigenen Angaben im Vorfeld keine Hinweise darauf entdeckt habe, „dass hier Rechtsextreme versuchen, diese Demonstration zu unterwandern“.

Die Bilder des Tages zeigten etwas anderes. „Das wird man sich nochmal genauer angucken müssen, warum diese Hinweise im Vorfeld anscheinend nicht vorlagen oder nicht vernünftig ausgewertet wurden“, sagte der SPD-Politiker bei „Bild live“. Nun werde im Ältestenrat des Bundestages zu klären sein, „wie Sicherheitskonzepte ausgesehen haben.“

Der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz twitterte: „Nazisymbole, Reichsbürger- & Kaiserreichflaggen haben vor dem Deutschen Bundestag rein gar nichts verloren.“

Auch die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer äußerte sich. „Ich muss sagen, ich bin richtig wütend über das und über die Bilder, die man dort gesehen hat. Dass am Deutschen Bundestag die Reichsflagge wieder weht, das ist etwas, was nicht zu ertragen ist.“

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Auch die Grünen-Chefin Annalena Baerbock äußerte sich via Twitter und schrieb: „Wenn vor dem Reichstag Fahnen des deutschen Reichs wehen, dann ist das kein Ausdruck von Meinungsfreiheit, sondern ein Angriff auf unsere Demokratie. Und die muss wehrhaft sein.“

Rund 50.000 Menschen bei den Corona-Protesten in Berlin

Nach Schätzungen der Behörden vom Sonntag nahmen an den Protesten am Samstag in der Stadt insgesamt rund 50.000 Menschen teil, zuvor war die Teilnehmerzahl der Demo an der Friedrichstraße auf 38.000 geschätzt worden. Wie Berlins Innensenator Geisel am Abend berichtete, wurden über den Tag verteilt rund 300 Menschen festgenommen, allein vor der russischen Botschaft etwa 200.

Hier ging es vorwiegend bürgerlich zu: Teilnehmer applaudieren bei einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen vor der Siegessäule.
Hier ging es vorwiegend bürgerlich zu: Teilnehmer applaudieren bei einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen vor der Siegessäule.

© Kay Nietfeld/dpa

Dort flogen unter anderem aus einer Menge von rund 3000 sogenannten Reichsbürgern und Rechtsextremisten Steine und Flaschen auf die Polizei, wie er sagte. Laut Polizei gab es dort auch Gefangenenbefreiungen. Geisel bezeichnete die Ereignisse als vorhersehbar. „Es war erwartbar, was heute passiert ist“, sagte er am Samstagabend in den ARD-„Tagesthemen“.

Ausgehetzt: Der ehemalige Vegan-Influencer und Möchtegern-Reichskanzler Attila Hildmann im Schwitzkasten.
Ausgehetzt: Der ehemalige Vegan-Influencer und Möchtegern-Reichskanzler Attila Hildmann im Schwitzkasten.

© REUTERS/Christian Mang

Festgenommen wurde vor der russischen Botschaft auch der Vegan-Koch Attila Hildmann, der sich selbst „ultrarechts“ und einen Verschwörungsprediger nennt. Zu den Hintergründen der Festnahme Hildmanns äußerte sich Geisel nicht.

[Mehr zum Thema: Kommentar zu den Corona-Demonstrationen in Berlin: Unerträglich, bizarr – aber auch legitim]

Im Laufe des Tages wurden auch Straßen vorübergehend blockiert, Absperrungen durchbrochen und ein Baucontainer angezündet, wie die Polizei weiter mitteilte. Sie war mit rund 3000 Beamten im Einsatz.

Aufgerufen zum Protest hatte die Stuttgarter Initiative Querdenken 711. Sie hatte mit rund 22.000 Teilnehmern gerechnet, es kamen aber deutlich mehr. Es gab auch Gegenproteste, unter anderem aus der linken Szene.

Polizei trägt Demonstranten von der Friedrichstraße

Der US-Rechtsanwalt, Umweltaktivist und Impfgegner Robert Francis Kennedy junior, Neffe des früheren US-Präsidenten John F. Kennedy, wandte sich in einer Rede auf der Kundgebung gegen den Aufbau des neuen 5G-Mobilfunknetzes, warnte vor einer Totalüberwachung und attackierte in diesem Zusammenhang unter anderem Microsoft-Gründer Bill Gates.

Einen geplanten Demonstrationszug am Mittag hatte die Polizei nicht starten lassen, weil die Mindestabstände zum Infektionsschutz nicht eingehalten wurden. Nach längeren Verhandlungen mit den Veranstaltern erklärte die Polizei, sie löse die Versammlung auf. Es bleibe „leider keine andere Möglichkeit“. Danach trug die Polizei Demonstranten weg, die auf der Straße sitzen blieben und nicht freiwillig gingen.

Ein Demonstrant hält vor der russischen Botschaft Blumen vor Polizisten. So friedlich gestimmt waren nicht alle Teilnehmer der Demo.
Ein Demonstrant hält vor der russischen Botschaft Blumen vor Polizisten. So friedlich gestimmt waren nicht alle Teilnehmer der Demo.

© Christoph Soeder/dpa

Auf Transparenten forderten Teilnehmer den Rücktritt der Bundesregierung sowie ein Ende der Schutzauflagen und Alltagsbeschränkungen wegen der Corona-Pandemie. Auf Plakaten stand „Maulkorb-Demokratie - ohne uns“, „Stoppt den Corona-Wahnsinn“ und „Corona-Diktatur beenden“. Immer wieder skandierte die Menge „Widerstand“ und „Wir sind das Volk“.

Auch AfD-Politiker und andere rechte Gruppen hatten zur Teilnahme aufgerufen. Am Brandenburger Tor und anderen Orten waren auch Flaggen mit Reichsadler, T-Shirts in Frakturschrift und andere Symbole von Rechtsextremisten zu sehen. Ein AfD-Politiker war auch bei der Erstürmung der Reichstagstreppe dabei.

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Insgesamt versammelte sich aber auf der Friedrichstraße, wo die Demo starten sollte, und später an der Siegessäule eine breite Mischung von Bürgern, darunter Junge und Alte sowie auch Familien mit Kindern.

"Feinde der Demokratie mischen sich mit der gesellschaftlichen Mitte"

Der Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, warnte vor möglichen Folgen der Corona-Proteste. „Solche Demonstrationen sind für radikale Bewegungen ein ideales Umfeld, um immer mehr Menschen für ihre Ideologien zu gewinnen“, sagte Fiedler der „Rheinischen Post“.

Teilnehmer einer der Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen auf der Straße des 17. Juni.
Teilnehmer einer der Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen auf der Straße des 17. Juni.

© Michael Kappeler/dpa

„Dort mischen sich Feinde der Demokratie mit Teilen der gesellschaftlichen Mitte, Verschwörungstheorien können so immer schneller um sich greifen.“

Eigentlich wollten die Berliner Behörden die Versammlungen verbieten, sie unterlagen jedoch vor Gerichten. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin gegen das Verbot wurde in der Nacht zum Samstag bekannt.

Als Grund für die Verbotsverfügung hatte die Polizei angeführt, dass durch die Ansammlung Zehntausender Menschen - oft ohne Maske und Abstand - ein zu hohes Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung entstehe. Das habe bereits die Demonstration gegen die Corona-Politik am 1. August in Berlin gezeigt, bei der die meisten Demonstranten bewusst Hygieneregeln ignoriert hätten. (Tsp, dpa)

Demonstrant mit Reichsflagge vor dem Reichstag.
Demonstrant mit Reichsflagge vor dem Reichstag.

© REUTERS/Christian Mang

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