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Kosovos Präsident Hashim Thaci löste Verwirrung aus.

© Laura Hasani, Reuters

Neuer Balkankonflikt: In Serbien wächst die Angst vor Großalbanien

Ab dem 1. Januar werden die Grenzen zwischen Kosovo und Albanien vollständig geöffnet. Die Integration beider Länder ist in vollem Gange.

Albanien und Kosovo gehen zum Unmut Serbiens weiter aufeinander zu. Ab dem 1. Januar werden die Grenzen zwischen beiden Ländern vollständig geöffnet, hat Albaniens Regierungschef Edi Rama Ende vergangener Woche angeordnet. Den gleichen Beschluss hatte das Parlament von Kosovo schon Ende Mai verabschiedet. Ihre Zollbehörden hatten die beiden Länder bereits zusammengelegt.

Serbien reagierte erbost auf die Ankündigung. "Kosovo und Albanien haben gar keine Grenze miteinander", erklärte Marko Djuric, der Chef des Kosovo-Büros der serbischen Regierung. "Es gibt nur eine Grenze zwischen Serbien und Albanien, und die ist 111 Kilometer lang", fügte er hinzu. Damit erneuerte Djuric die Belgrader Ansprüche auf den seit zehn Jahren unabhängigen Staat. Serbien beruft sich dabei auf die Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates von 1999, die die vollständige Souveränität und territoriale Integrität einer "Bundesrepublik Jugoslawien" deklariert. Mit der Wirklichkeit hat diese Resolution schon lange nichts mehr gemein. 117 Staaten haben Kosovo inzwischen völkerrechtlich anerkannt, das Land ist Mitglied in 200 internationalen Organisationen. Die Resolution 1244 existiert einzig noch, weil Russland als alter Partner Belgrads ihre Aufhebung im Sicherheitsrat mit einem Veto blockieren würde.

Anspielungen auf eine faschistische Gefahr

Nach Ansicht von Dusan Prorokovic vom Belgrader Institut für Internationale Politik und Wirtschaft bedeute die albanische Erklärung die Verwirklichung der Idee von Großalbanien. Der Begriff wird von Belgrad immer wieder ins Spiel gebracht, weil er in der Region einen direkten Zusammenhang mit faschistischer Gefahr assoziiert. "Großalbanien" hieß ein von Deutschland und Italien während des Zweiten Weltkrieges zusammengezimmerter Satellitenstaat, der auch Teile Jugoslawiens einbezog.

"Formell erkennen die Albaner an, dass sie sich nicht zu einem Staat Großalbanien erklären können", sagt Prorokovic. "Aber sie verwirklichen eine funktionale Integration, ein einheitliches wirtschaftliches, kulturelles, Bildungs- und Handelssystem." Auch die Bereiche Sicherheit und Verteidigung seien bereits eng verbunden. "Diesem Weg werden sie weiter folgen, das ist nichts Neues, das passiert seit acht, neun Jahren", erklärt der Belgrader Experte. Von Kosovska Mitrovica bis Durres, der Hafenstadt an der Adria, werde ein einheitlicher Raum geschaffen.

Verwirrung um einen Austausch

Bei allen rhetorischen Aufwallungen und der Behauptung rechtlicher Ansprüchen, die sich nicht durchsetzen lassen, hat die serbische Führung längst eingesehen, dass sie die weitere albanisch-kosovarische Integration nicht verhindern kann. Präsident Aleksandar Vucic brachte deshalb eine andere, schon lange diskutierte Idee wieder auf die aktuelle Tagesordnung: Einer Normalisierung könne ein Gebietsaustausch zwischen Serbien und Kosovo entlang ethnischer Linien dienen. Dabei würde Serbien Gebiete im Norden des Kosovo erhalten, das wiederum das mehrheitlich von Albanern bewohnte Presevo-Tal im Süden Serbiens erhielte.
Dass Kosovos Präsident Hashim Thaci Ende Juli vermeintlich positiv auf den Vorschlag zum Gebietstausch reagierte, hat ihm in seinem Land scharfe Kritik eingebracht. Das serbische Projekt laufe praktisch auf eine Teilung des Kosovo hinaus, hieß es von allen Seiten. So ruderte das Staatsoberhaupt rasch zurück. Er habe lediglich gesagt, "wir haben 400 Kilometern Grenzen mit Serbien und die müssen markiert werden". Über Demarkation und Korrekturen der Grenzen müsse man diskutieren, sonst sei eine Normalisierung nicht möglich. Und Thaci fügte hinzu: Im Übrigen halte er die wiederholt geäußerte Bitte der Presevo-Gemeinden, sich mit Kosovo zu vereinigen, für "realisierbar und akzeptabel". Das aber hat Serbiens Präsident mit seinem Vorschlag gar nicht im Sinn gehabt.

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