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Das Terminal ist mit seiner Brandschutzanlage nicht einmal im Ansatz funktions- und genehmigungsfähig, muss teils saniert und teils umgeplant werden. Und auch sonst gibt es für den neuen Flughafenchef viel zu tun.

© dpa

Neuer BER-Flughafenchef: Worauf sich Hartmut Mehdorn einlässt

Kostenexplosion, unabsehbarer Zeitrahmen, 20 000 Baumängel – der neue BER-Chef wagt sich an ein Mammutprojekt. Welche Probleme kommen auf ihn zu?

Um sieben Uhr am Montagmorgen, so hat es BER-Aufsichtsratschef Matthias Platzeck (SPD) gesagt, beginnt der Dienst für Hartmut Mehdorn. Als neuer Geschäftsführer soll er das Chaos um den künftigen Hauptstadtflughafen auflösen. Es wird ein Mammutprojekt.

In welchem Zustand übernimmt Mehdorn den Flughafen?

Schlimmer geht’s nimmer, Baustellen sind nämlich überall. Das Terminal ist mit seiner Brandschutzanlage nicht einmal im Ansatz funktions- und genehmigungsfähig, muss teils saniert und teils umgeplant werden. Flughafen-Technikchef Horst Amann ist nach einem halben Jahr immer noch bei der Bestandsaufnahme von rund 20 000 Baumängeln. Gerade erst musste er zugeben, dass das Licht im Terminal nicht abgeschaltet werden kann. Im Sommer 2013 will Amann so weit sein, einen neuen möglichen Eröffnungstermin zu nennen – nach vier verschobenen Eröffnungen. Es kann 2015 oder 2016 werden.

Auf der nach oben offenen BER-Skala sind die Kosten bereits auf 4,3 Milliarden Euro geklettert. Nach ersten Schätzungen wird mindestens noch eine Milliarde fällig, zumal Erweiterungen anstehen und eine Landebahn saniert werden muss. Das Betriebsklima in der Flughafengesellschaft ist gestört, gute Leute verlassen die Firma. Wegen der verschobenen BER-Eröffnungen laufen Schadenersatzprozesse gegen die Flughafengesellschaft. Flughafen und gefeuerte Architekten prozessieren gegeneinander. Das Verhältnis zwischen dem Flughafen und den Anrainern, den Kommunen und der Bevölkerung im dichtbesiedelten Gebiet ist wegen des fehlenden Lärmschutzes – kein einziges Haus ringsum hat adäquate Lärmschutzfenster – und der anhaltenden Auseinandersetzungen um das Nachtflugverbot gestört. Selbst das klassische Geschäft, nämlich der laufende Flugbetrieb, steht vor neuen Problemen. Erstmals seit Jahren droht 2013 eine „Stagnation“ bei der Passagierentwicklung der Berliner Flughäfen, was wiederum Auswirkungen auf die Erträge hat.

Was sind die dringlichsten Aufgaben?

Es gibt im Grunde nur eine einzige: Den Willy-Brandt-Flughafen ans Netz zu bringen. So schnell es geht. Alles andere ist nachrangig.

Wie steht Mehdorn zum Nachtflugverbot?

Auch das ist eine der Baustellen. Miteigentümer Brandenburg drängt – nach dem ersten erfolgreichen Volksbegehren im Land und einem Parlamentsbeschluss – neuerdings auf eine Verschärfung der rechtskräftigen Regelung, die bislang Flüge zwischen 24 und 5 Uhr verbietet, in den Randstunden begrenzt. Zwar hat Mehdorn klargestellt, dass nach seinem Verständnis eigentlich die ganze Nacht geflogen werden müsste. „In keiner Hauptstadt der Welt gibt es Restriktionen. Berlin wäre ein Novum“, sagte er. Doch zugleich signalisierte Mehdorn – anders als seine Vorgänger – durchaus Kompromissbereitschaft. Man müsse sehen, „ob es andere Kompromisslinien“ gibt, sagte er. „Wo Lärm vermieden werden kann, muss er vermieden werden.“

Mit welchem Personal muss sich Mehdorn arrangieren?

Mehdorn will den Flughafen samt Management „revitalisieren“, wie er andeutete. Er hat dabei, das sagte er selbst, „freie Hand“ von Aufsichtsratschef Matthias Platzeck. Zwar lässt er sich noch nicht in die Karten gucken, was genau gemeint ist. Auffällig war, dass er auch Zuständigkeitsveränderungen nicht ausschloss. Eng wird er mit Technik-Chef Horst Amann zusammenarbeiten müssen. Dieser war vor einem Jahr vom Flughafen Frankfurt am Main geholt worden und hatte seit dem Rausschmiss des langjährigen Flughafenchefs Rainer Schwarz im Januar 2013 das Unternehmen gewissermaßen allein geführt. Da außer Amann sonst kaum jemand in der Chefetage mehr da ist, kann Mehdorn hier auch nicht groß aktiv werden. Ein zusätzlicher Finanzgeschäftsführer muss nicht mehr gesucht werden. Das macht Mehdorn mit. In der Hierarchie ist er die Nummer eins, da Mehdorn anders als Schwarz nicht bloß Sprecher der Geschäftsführung ist. Amann ist die Nummer zwei.

Beide gelten als „Alphatiere“. Es bleibt ein Risiko, ob und wie beide miteinander klarkommen. Bei der Präsentation von Mehdorn saß Amann nur noch am Rand. Später sagte er: „Mehdorn ist ein Mann klarer Worte, ich auch.“ Amann kann sich jetzt ausschließlich auf die BER-Baustelle konzentrieren. Für die Außendarstellung, den Umgang mit der Politik, den Parlamentsgremien in Berlin (Untersuchungsausschuss), Brandenburg (Sonderausschuss) und im Bundestag dürfte nun vor allem Mehdorn zuständig sein, der darin als früherer Chef der Deutschen Bahn AG eine gewisse Erfahrung mitbringt.

Steht der Aufsichtsrat hinter Mehdorn?

Steht der Aufsichtsrat hinter Mehdorn?

Die Anteilseigner – Bund, Berlin, Brandenburg – in Person von Rainer Bomba, Klaus Wowereit und Matthias Platzeck haben es Hartmut Mehdorn in die Hand versprochen. Im Gegensatz zum gescheiterten Versuch, Ex-Fraport-Chef Wilhelm Bender anzuheuern, zogen bei der Mehdorn–Personalie tatsächlich alle an einem Strang. So hatten es im Dezember 2012 ursprünglich Platzeck, Wowereit, Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auch vereinbart, trotzdem gab es immer wieder Konflikte zwischen den vieren.

Wie reagiert die Luftverkehrswirtschaft auf Mehdorns Ernennung?

Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) begrüßte die Ernennung Mehdorns, weil damit „diese Hängepartie endlich vorüber ist“, wie Präsident Klaus-Peter Siegloch sagte. „Nach der langen Phase der Unsicherheit am BER ist es gut, dass mit der Ernennung Hartmut Mehdorns Stabilität und Planungssicherheit zurückkommen“, sagte er. Zu dessen wichtigsten Aufgaben gehöre jetzt, „dass er die, im Kompromiss mit der Region ausgearbeiteten und vom Bundesverwaltungsgericht bestätigten, Betriebszeiten für den BER durchsetzt“.

Was sagt die Bundespolitik?

SPD und Union im Bund haben keine großen Einwände gegen die Personalie. Die FDP gibt sich dagegen deutlich zurückhaltender. FDP-Generalsekretär und Verkehrsexperte der Liberalen, Patrick Döring, sagte, dass Mehdorn Führung könne und harte Hand. „Aber es fehlt vor allem auch Führung im Detail und da kennt sich Mehdorn beim BER auch nicht aus.“ Der Ruf des BER sei durch den gescheiterten Versuch, Wilhelm Bender als Chefberater zu engagieren, weiter beschädigt worden. „Wenn man auf irgendeiner Veranstaltung in Deutschland Lacher einheimsen will, muss man nur Flughafen BER sagen. Das ist traurig.“ Die Grünen sind wenig begeistert von Mehdorn. Die Verpflichtung sei ein Schnellschuss, sagte der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Anton Hofreiter. Wirklich überrascht sei er aber nicht. „Mehdorn ist ein klassischer politiknaher Manager, der sowohl mit der SPD gut kann als auch mit dem Bundesverkehrsministerium“, sagte Hofreiter. Er kündigte an, dass Mehdorn bald vor den Verkehrsausschuss zum Antrittsbesuch geladen werde.

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