zum Hauptinhalt
Reichsflaggen vor dem Reichstag. Corona-Demonstranten haben am Samstag die Treppe des Parlaments gestürmt.

© Achille Abboud/NurPhoto/dpa

Reichstag soll besser geschützt werden: Bundestag prüft schnellen Bau eines Schutzgrabens

Als Reaktion auf die Erstürmung der Reichtstagstreppe durch Rechtsextremisten will der Bundestag geplante Schutzmaßnahmen zeitlich vorziehen. Geisel will zudem Maskenpflicht für Demonstrationen vorschreiben.

Der Bundestag prüft nach den verstörenden Szenen vom Wochenende auf den Stufen des Reichstagsgebäudes, den geplanten Bau eines zehn Meter breiten Grabens und zweier Sicherheitszäune zeitlich vorzuziehen. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sei „aufgefordert, einen belastbaren Terminplan vorzulegen“, sagte ein Bundestagssprecher dem Tagesspiegel.

Mehrere Hundert teils rechtsextreme Demonstranten gegen die Corona-Schutzregeln waren bis vor die Türen des Parlaments gestürmt.

„Wir werden die Situation in einigen Tagen mit Land, Bezirk, Bundestag, Landeskriminalamt sowie mit dem Bundesinnenministerium ausgiebig erörtern“, sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) dem Tagesspiegel.

Drinnen ist die Bundestagspolizei für den Schutz zuständig, sie umfasst rund 200 Polizisten. Bis 2018 trugen sie nur eine unauffällige Zivilkleidung, inzwischen der Bundespolizei angelehnte blaue Uniformen.

Das Hoheitsabzeichen auf Mütze und Jacke ist aber nicht der schwarz-rot-goldene Bundesadler, sondern der silberne Parlamentsadler, betont der Bundestag. Der Wechsel hin zu einer sichtbaren Uniform hing auch mit dem Wunsch nach einer Stärkung des Sicherheitsgefühls zusammen. Aufgabe ist, alle Gebäude und die Plenar- und Ausschusssitzungen des Deutschen Bundestags zu schützen. Oberster Dienstherr ist Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU).

Bisher dachte man vor allem an die Gefahr terroristischer Angriffe

Draußen obliegt der Schutz der Berliner Polizei, die am Samstag zum Beispiel von Kollegen aus Brandenburg kurzfristig unterstützt wurde. Der Ältestenrat des Bundestags wird nun ein Vorziehen des ohnehin geplanten neuen Sicherheitskonzepts prüfen. Schon vor zwei Jahren erarbeitete die Bau- und Raumkommission ein neues Sicherheitskonzept, das aber noch nicht umgesetzt wurde. Es sieht vor, das Westportal des Reichstagsgebäudes, also die Front mit der Bundestagswiese zu einer Sicherheitszone zu machen.

Vor der Besetzung der Treppen am Samstag war es vor allem die Gefahr terroristischer Angriffe, die Sorgen macht. Geplant ist bis zu 2,50 Meter tiefer und zehn Meter breiter Graben über den Platz der Republik, parallel zum Reichstag, etwa in Höhe der heutigen Container, wo Besucher des Reichstags und der Kuppel registriert und dann über die Zufahrtrampe in das Gebäude geführt werden.

Besucher sollen künftig über einen Tunnel zum Gebäude gelangen

An den Enden der Gräben sollen jeweils über 50 Meter lange, 2,50 Meter hohe Zäune entstehen, bis zum Reichstagsgebäude hin; an den beiden Auffahrten zur Rampe sind Tore vorgesehen.

Geplant war dies im Zusammenhang mit dem Bau des neuen Besucherzentrums auf der anderen Straßenseite im Tiergarten, das die Container ablösen soll. Über einen Tunnel sollen Besucher dann zum Gebäude gelangen. Baubeginn sollte 2025 sein.

„Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ist aufgefordert, einen belastbaren Terminplan für die Gesamtmaßnahme vorzulegen“, sagt ein Bundestagssprecher. Eine Option könnte nun sein, den Bau von Graben und Zaun schonmal vorzuziehen. Damit würden Bilder wie vom Samstag praktisch ausgeschlossen.

[Wenn Sie die wichtigsten Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Steinmeier dankt den Polizeibeamten

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) will am Dienstag im Senat vorschlagen, die Eindämmungsverordnung gegen die Corona-Pandemie zu ändern. Darin soll nun das Tragen von Masken bei Demonstrationen verpflichtend vorgeschrieben werden. Bislang ist das nicht vorgesehen, sondern nur als Kann-Bestimmung enthalten.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfing am Montag Polizeibeamte, die am Samstag vor dem Reichstag Dienst taten.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfing am Montag Polizeibeamte, die am Samstag vor dem Reichstag Dienst taten.

© AFP

Dies war einer der vielen Gründe, warum Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht die Verbotsverfügung der Polizei als rechtswidrig und fehlerhaft eingestuft und aufgehoben hatten.

[Mehr aus der Hauptstadt. Mehr aus der Region. Mehr zu Politik und Gesellschaft. Und mehr Nützliches für Sie. Das gibt's jetzt mit Tagesspiegel Plus. Jetzt 30 Tage kostenlos testen]

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dankte den beteiligten Polizisten für ihren Einsatz. Nach einem Treffen mit sechs Beamten im Schloss Bellevue rief er zugleich alle Bürger zum engagierten Einsatz für die Demokratie auf: „Sie ist Aufgabe und Pflicht der gesamten Gesellschaft – und eines jeden Einzelnen. Aktiv, entschieden und mutig müssen wir gemeinsam den Feinden unserer Demokratie die Stirn bieten.“ Zudem warnte er Kritiker und Gegner der Corona-Schutzmaßnahmen davor, sich „vor den Karren von Demokratiefeinden und politischen Hetzern spannen zu lassen“.

[Behalten Sie den Überblick: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint das Aktuellste und Wichtigste aus Berlin. Jetzt kostenlos anmelden: checkpoint.tagesspiegel.de]

SPD fordert Pakt gegen Rechtsextremismus

Die SPD-Spitze fordert angesichts des zunehmendem Rechtsextremismus einen „Pakt für das Zusammenleben“ aller Demokraten. SPD-Chefin Saskia Esken sagte dem Tagesspiegel: „Der rechte Terror hat mit den 200 politisch und zumeist rassistisch motivierten rechten Morden der vergangenen Jahre, mit den Morden des NSU, der Ermordung von Walter Lübcke, den Anschlägen in Halle und Hanau eine Dimension und leider auch eine Normalität erreicht, die wie als SPD niemals hinnehmen werden.“

Es brauche ein koordiniertes hartes Vorgehen gegen rechte Netzwerke, Verfassungsfeinde und Hasskriminalität im Netz. So dürfe es nicht dabei bleiben, „dass sich trotz der akuten Bedrohungslage derzeit noch so viele gesuchte Rechtsextremisten auf freiem Fuß befinden“, heißt es in einem elfseitigen Papier.

„Zudem haben immer noch zu viele bekannte Rechtsextremisten und Reichsbürger legal Waffen in den Händen.“ Im Internet müsse eine Identifizierungspflicht der Nutzer gegenüber bestimmten Plattformen geprüft werden.

Zur Startseite