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Politik: „Schwung für Europa“

Berlin und Paris verteidigen deutsch-französischen Vorschlag

Der deutsch-französische Reformvorschlag für die Europäische Union hat gute Chancen, eine der Grundlagen der Konventsdebatte zu werden. Nachdem am Montag die Kritiker ihrem Groll Luft gemacht hatten, meldeten sich am Dienstag die Befürworter zu Wort. Außenminister Joschka Fischer und sein französischer Amtskollege Dominique de Villepin waren kurz nach Brüssel gekommen, um den Vorschlag zu verteidigen. Fischer nannte ihn eine „ganz wichtige Schwungradinitiative“.

Besonders umstritten blieb allerdings der Vorschlag, den EU-Ratspräsidenten künftig für bis zu fünf Jahre zu bestimmen. Die Niederlande, Belgien und Luxemburg sehen dadurch die Gleichheit der Mitgliedstaaten gefährdet. Das Machtgleichgewicht werde aufs Spiel gesetzt, sagte auch der Vertreter des polnischen Parlamentes im Konvent, Wittbrodt. Konventspräsident Valery Giscard d’Estaing warnte den Verfassungskonvent davor, beim Status quo zu verharren. Er sagte, es herrsche Einigkeit darüber, das Gleichgewicht zwischen Rat, Kommission und Parlament zu erhalten. Er sehe jedoch nicht, dass eine längere Amtszeit des Ratspräsidenten dieses Gleichgewicht infrage stelle. Der italienische Vizepräsident Amato sagte, sowohl Giscard als auch er seien für eine längere Amtszeit des Ratspräsidenten.

Zustimmung sieht Giscard bei der Schaffung des Amts eines europäischen Außenministers. Unterstützung erhielt der deutsch-französische Vorschlag vom Vertreter der britischen Regierung, Peter Hain, und dem dänischen Regierungsdelegierten Henning Christoffersen. Skeptischer sind sie bei der Doppelspitze aus Kommissionspräsident und Ratspräsident. Beide verlangten eine klare „Jobbeschreibung“ für den Ratspräsidenten. Außerdem sei auf anderen Ebenen die Rotation der Mitgliedstaaten beizubehalten, sei es bei den Vizepräsidenten, beim Vorsitz der Fachministerräte oder den Orten, an denen EU-Gipfel stattfinden sollten. „So kommt die EU in jedes Land“, sagte Hain.

Nachdem sich zunächst offenbar ein Teil der Konventsmitglieder durch den deutsch- französischen Vorschlag überfahren gefühlt hatte, gliederte Giscard ihn nun in das Arbeitsprogramm des Konvents ein. Weitere offene Fragen seien, ob im Rat über außenpolitische Fragen künftig mit einfacher Mehrheit und nicht mehr wie bisher einstimmig entschieden werden solle und ob der Kommissionspräsident vom Europäischen Parlament gewählt werden solle.

Mariele Schulze Berndt[Brüssel]

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