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Dieter Romann, Präsident der Bundespolizei.

© Jochen Lübke/dpa

Sicherheitsbehörden: Unmut über Merkels Flüchtlingspolitik

Die Sicherheitsbehörden haben seit 2015 ein teilweise gestörtes Verhältnis zur Kanzlerin. Zu ihren schärfsten Kritikern zählt Bundespolizeichef Dieter Romann.

Für Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen sind es anstrengende Tage. Mit seinen Äußerungen zu Chemnitz hat er sich gegen die Kanzlerin gestellt. Seit Tagen wird im politischen Berlin sein Rücktritt gefordert, weil er für seine Zweifel an der Echtheit eines angeblichen Hetzjagd-Videos zunächst keine Belege brachte. Doch wenn Maaßen an diesem Dienstagabend beim Herbstempfang der Sicherheitsbehörden im Schloss Charlottenburg auf der Bühne steht, kann er zumindest einer Sache gewiss sein: dass im Saal viele sind, die ähnlich ticken wie er – und die Politik der Kanzlerin ebenfalls kritisch sehen.

Das Verhältnis der Sicherheitsbehörden zu Angela Merkel ist spätestens seit 2015 stark abgekühlt. Viele Beamte konnten kein Verständnis für die Entscheidung der Kanzlerin aufbringen, die Grenzen nicht zu schließen – und Hunderttausende Flüchtlinge, vor allem aus Syrien, aufzunehmen. Einer der schärfsten Kritiker war Bundespolizeichef Dieter Romann. Er wird beim Herbstempfang mit Maaßen und den Chefs von Bundeskriminalamt, Bundesnachrichtendienst und Militärischem Abschirmdienst die Besucher begrüßen.

Grenzschließung jederzeit möglich

Die Rolle Romanns im Jahr 2015 ist in dem Buch „Die Getriebenen“ dokumentiert. Darin berichtet der „Welt“-Journalist Robin Alexander über die regierungsinternen Vorgänge während der Flüchtlingskrise. Er beschreibt, wie Romann schon im Frühjahr und Frühsommer 2015 versuchte, Kanzleramt, Innenministerium und SPD-Chef Sigmar Gabriel davon zu überzeugen, Flüchtlinge an der Grenze abzuweisen. Romann sei mit einer selbst gebrannten DVD durchs politische Berlin gezogen, darauf Aufnahmen von Flüchtlingen auf der Balkanroute. Romann – so beschreibt es Alexander – habe dafür gesorgt, dass eine Grenzschließung jederzeit möglich gewesen wäre. Container, Zelte, Lichtmasten – das Material sei noch vom G-7-Gipfel in Grenznähe gelagert gewesen. Die Schlüsselszene des Buches spielt am 13. September 2015, als der fertige Befehl, Asylbewerber an der Grenze abzuweisen, „in letzter Minute geändert“ worden sei.

Romann und Maaßen kennen sich aus ihrer gemeinsamen Zeit im Bundesinnenministerium. Die beiden Sicherheitsexperten befürchteten 2017, den zeitweise unkontrollierten Zustrom von Menschen könnten Terroristen und andere Kriminelle für sich nutzen. Bei dem verheerenden Terrorangriff des IS in Paris im November 2015 zeigte sich, dass diese Sorge nicht unbegründet war. Die Täter waren als Flüchtlinge getarnt nach Europa gereist.

Verhältnis zur Kanzlerin erholt sich schwer

Romann und Maaßen kritisierten auch die mangelhafte Identitätsprüfung in diesen Tagen. Sie befürchteten, dass sich selbst Flüchtlinge ohne böse Absichten durch die desaströse Lage in den Erstaufnahmeeinrichtungen radikalisieren könnten.

Von den Ereignissen im Jahr 2015 erholt sich das Verhältnis von Kanzlerin und Sicherheitsbehörden nur schwer. Maaßen und Romann nehmen es Merkel offenbar übel, dass sie sich über ihre Bedenken hinweggesetzt hat. In diesem Zusammenhang verwundert der jüngste Zwist nicht: Als Maaßen sagte, er habe keine Belege für Hetzjagden in Chemnitz, war das ein Angriff eben auch auf die Kanzlerin. Diese hatte gesagt: „Wir haben Videoaufnahmen darüber, dass es Hetzjagden gab, dass es Zusammenrottungen gab, dass es Hass auf der Straße gab, und das hat mit unserem Rechtsstaat nichts zu tun.“ Aus Sicherheitskreisen ist zu hören, dass Maaßen das Gefühl hatte, es gebe in den Sicherheitsbehörden insgesamt Unmut über die Kanzlerin und ihren Sprecher, die sich früh sehr eindeutig zu den Ereignissen in Chemnitz positioniert hatten. Er war sich also des Rückhalts in den eigenen Reihen sicher.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) stellt sich bislang hinter Maaßen. Doch im Kanzleramt würde es mancher wohl gern sehen, wenn Maaßen bald abgelöst wird. Ob sich dadurch das Verhältnis zwischen Merkel und dem Geheimdienst verbessern würde, dürfte aber stark davon abhängen, wer Maaßen nachfolgen würde.

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