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Andrea Nahles, SPD-Bundesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende der SPD, kämpft gegen schlechte Umfragewerte.

© dpa/Wolfgang Kumm

Sozialdemokraten in der Krise: Liebe SPD, besser machen statt besser wissen

Ein offenes Wort der sozialdemokratischen Spitzenpolitikern zu eigenen Fehlern, das wär’ schon was. Ein Kommentar zur Krise der SPD.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Haben wir jetzt eine Regierungskoalition oder nicht? Quälend lang hat es gedauert, bis CDU, CSU und SPD zueinander kamen. Und jetzt sieht es an manchen Tagen so aus, als gäb’s kein Morgen. CDU und CSU, die Uneinigen – um einen berühmten Bayern-Trainer zu zitieren: Was erlauben Seehofer? Bei dessen erratischer Politik könnte man auch sagen: Flasche leer.

Könnte man – sollte man aber nicht, wenn man gerade von der SPD ist. Die könnte den Streit ausnahmsweise mal den anderen überlassen. Das bekäme ihr besser. Erstens, weil sie eigene Probleme hat; zweitens, weil sie aus freien Stücken in diese Koalition gegangen ist; drittens, weil sie doch von diesem Bündnis profitieren will. Und wie geht das besser, als wenn einer der Partner sich selbst disqualifiziert?

Aber so eindimensional wie das Verhalten mancher Spitzengenossen ist ihre Taktik: immer feste druff. Allmählich dürfte sich der Wähler beleidigt fühlen. Als ob der das nicht durchschaut: Es geht viel weniger um die Sache – darin sind sich die drei von der Zankstelle oft weitgehend einig – als darum, sich über Kritik an Personen zu profilieren. Aber als was?

Das hochbegehrte Publikum ist gar nicht so dumm. Wenn es doch so schlimm steht um Merkel und Seehofer, dass es mit ihnen schier gar nicht zum Aushalten ist – was macht die SPD dann noch in dieser Koalition? Das hätte sie sich mal früher überlegen sollen. Jetzt ist sie drin und muss liefern. Stetig. Nur nicht ein Drama nach dem anderen.

Die SPD-Wirklichkeit: In Sachsen einstellig, in Bayern knapp zweistellig

Sie darf sich nicht über die anderen definieren – sie kann doch ihre Performance selbst bestimmen. Zumal Zoff mit den anderen ihr auch nichts nutzt. Inzwischen muss die SPD jede Wahl fürchten, im Westen, im Osten, auf allen Ebenen. Die AfD war kürzlich in einer Umfrage sogar schon im Bund stärker als die ruhmreiche Sozialdemokratie. Das ist die Wirklichkeit: in Sachsen einstellig, in Bayern knapp zweistellig. Überall sonst sind 20 Prozent auch schon ein schönes Ergebnis.

Da ist keine Zeit für Lamentos, erst recht nicht über die Partner, die man sich ausgesucht hat. Ein offenes Wort der SPD-Spitze zu eigenen Fehlern, das wär’ schon was. Und dann: Transparenz aller Entscheidungen, der inhaltlichen wie der personellen. Mehr Wettbewerb um Positionen – mit mehr inhaltlichen Positionen. Offenheit für Ideen von außen. Und Demut vor dem Wähler. Dem wird gerade vorgemacht, dass die Sozialdemokraten alles besser wissen, und dass der Wähler sich besser so verhält, wie es ihre Nomenklatura sagt, wenn er politisch auf der richtigen Seite stehen will. Bloß: Wer so denkt, hat den wachsenden Widerwillen gegen Bevormundung nicht begriffen.

Genauso, wie die Führung nicht begriffen hat, welche Chance die linke Sammlungsbewegung „Aufstehen“ bietet. Es geht nicht darum, dass die SPD Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine mögen muss. Vielmehr geht es – dialektisch gedacht – darum, möglichst viele der Kräfte, die dort zueinander finden, zur SPD zu lenken. Sollen die anderen doch medioker sein, umso besser. Dann kann die älteste aller Parteien zeigen, wie verlässlich, solide und stark sie im Unterschied zu allen anderen Linken als Interessenvertretung ist. So viele Wähler zieht die SPD ja nun gerade nicht an, dass sie sich diese Gelegenheit entgehen lassen könnte.

Aber sie lässt lieber keine Gelegenheit aus, als Kritikaster und Besserwisser in der Koalition aufzutreten. Bessermacher wäre besser.

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