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Der Vater starb, ohne dass die Tochter ihn sehen konnte: Der Bundespräsident (hinten) und Kirstin Grieshaber, die von ihren Erfahrungen berichtete.

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Steinmeier traf Angehörige von Corona-Toten: „Endlose Tage des Schreckens“

Es war ein besonderer Termin, zu dem Frank-Walter Steinmeier einlud: Angehörige von Corona-Opfern schilderten ihre Erfahrungen.

Von Hans Monath

„Und dann hab’ ich zugesehen, wie mein Kind gestorben ist“, sagt Michaela Mengel mit gebrochener Stimme. Der Bundespräsident hört ihr zu in diesem Moment, nur ihr. Elf Tage lag Mengels Tochter Annalena mit Corona schon im Krankenbett, Maschinen hielten die geistig schwer Behinderte am Leben.

Dann aber versagten mehr und mehr Organe, während Michaela Mengel ihr Kind festhielt. „Sie spürt nichts“, versicherte das Klinikpersonal, aber die Mutter fragte sich: „Stimmt das, woher weiß ich das?“

Öffentlich um Angehörige trauern, die an Corona gestorben sind, wollen das Hinterbliebene? Ist das gemeinsame Sprechen über den Schrecken des Verlusts in der Pandemie und das Weiterleben danach womöglich sogar hilfreich und nötig? Frank-Walter Steinmeier jedenfalls ist davon überzeugt.

Vor Monaten schon hat er eine staatliche Gedenkfeier für die Covid-Opfer vorgeschlagen. Am Freitag empfängt er deshalb Angehörige und Trauerexperten zu einem teils virtuellen Gespräch über ihre Erfahrungen. Es wird dann ein Termin, bei dem sich nicht nur die Gäste ihren Gefühlen stellen müssen, sondern der auch das Staatsoberhaupt sichtlich mitnimmt.

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„Endlose Tage des Schreckens“ erlebte die Journalistin Kirstin Grieshaber. In den dreieinhalb Wochen, in denen ihr Vater vor seinem Covid-Tod im Krankenhaus lag, konnte sie ihn nicht mehr sehen. „Das ist nicht das, was die Menschen am Ende brauchen“, sagt sie über diese Erfahrung. Auch Aslan Mahmood aus Berlin-Moabit oder Anita Schlegel aus Passau erzählen davon, wie ihnen die medizinisch begründeten Distanz- und Kontaktverbotsregeln in den letzten Stunden und Tagen des Abschiednehmens das Leben schwer machten.

Die Pandemie verändert auch das Trauern, die Hinterbliebenen leiden darunter.
Die Pandemie verändert auch das Trauern, die Hinterbliebenen leiden darunter.

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Trauerrituale wie Begräbnisse sind zudem massiv eingeschränkt. Diese harten Regeln gelten nicht nur für die mehr als 70.000 Corona-Toten, sondern „auch für die 900.000 anderen im vergangenen Jahr in unserem Land Verstorbenen“, sagt Trauerbegleiterin Katharina Ziegler und fügt mit Blick auf Isolierungsgebote in Pflegeheimen oder Krankenhäusern hinzu: „Das sind manchmal einsame Tode.“ Dabei hätten auch sie eine Würde.

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Auch Steinmeier verweist auf die mehr als 70.000 Corona-Toten. Bisher hätten die Hinterbliebenen meist im Stillen und individuell getrauert, es fehle eine Form des gemeinsamen Gedenkens und Abschiednehmens. „Denn wir haben doch gespürt in dieser dunklen Zeit, wie verletzlich wir als Menschen sind und wie sehr wir als Gemeinschaft aufeinander angewiesen sind“, meint der Bundespräsident und lenkt den Blick auf die Gedenkfeier mit der Staatsspitze und Hinterbliebenen, die für Ende April geplant ist.

Steinmeier hält es für wichtig „dass wir innehalten, um gemeinsam in Würde Abschied zu nehmen von den Verstorbenen“. Seine Gäste ermutigen ihn in dieser Hinsicht. Katharina Ziegler sagt: „Ich finde es großartig, dass Sie das in Angriff nehmen.“

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