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Umstrittene Entscheidung: Ab Montag ist Schluss mit Krankschreibungen per Telefon.

© Daniel Karmann/dpa

Streit über Arztbesuche: Kliniken und Ärzte kritisieren Ende der telefonischen Krankschreibung

Im Streit um das Ende von telefonischer Krankschreibung stellen sich Ärzte und Kliniken gegen die Kassen. Und die Grünen wollen, dass der Minister eingreift.

Der überraschende Beschluss, dass es trotz anhaltender Coronakrise ab Montag nicht mehr möglich sein soll, sich bei Atemwegsbeschwerden telefonisch krankschreiben zu lassen, hat zu einem heftigen Konflikt in der Selbstverwaltung des deutschen Gesundheitswesens geführt. Nach Protesten der Ärztevertreter wandte sich nun auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) vehement gegen den kurzfristigen Stopp der bisherigen Ausnahmeregelung durch das oberste Selbstverwaltungsgremium und sprach von einer „Fehlentscheidung“, bei der man überstimmt worden sei. Man unterstütze „jede Initiative, diesen im Schnellverfahren am Freitag getroffenen Beschluss zu revidieren“.

Die gesundheitspolitische Sprechern der Grünen-Fraktion, Maria Klein-Schmeink, forderte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf, die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) „noch vor Montag außer Kraft zu setzen“. Der sehr kurzfristige  Beschluss konterkariere die Maßnahmen der Bundesregierung, „die ausdrücklich eine Verlängerung der Kontaktbeschränkungen bis Anfang Mai vorsieht, um unsere bisherigen Bemühungen in der Reduzierung der Infektionsausbreitung abzusichern“.

Auch die CSU fordert Verlängerung der Ausnahmeregelung

Kritik kam auch von der CSU. Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml nannte den Schritt „verfrüht“ und forderte eine Verlängerung der Ausnahmeregelung. Zum jetzigen Zeitpunkt sei es wichtig, Infektionsrisiken konsequent zu vermeiden, so die CSU-Politikerin „Es ist zu befürchten, dass nun auch Covid-19-Patienten wieder in den Arztpraxen erscheinen und dadurch andere Menschen anstecken. Das muss verhindert werden.“

Zuvor hatten bereits SPD-Experten gegen die übereilte Beendigung der Vorsichtsmaßnahme protestiert. Er sehe darin eine Gefährdung der Patienten, sagte Karl Lauterbach dem Tagesspiegel. Die meisten Praxen seien nicht auf den zu erwartenden Andrang vorbereitet, es könnten sich dort nun neue Corona-Infektionsherde bilden. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) äußerte „Erstaunen und Unverständnis“. Offenbar habe bei dem Beschluss „der große Druck der Arbeitgeberseite eine entscheidende Rolle gespielt“.

Gesundheitsministerium möchte sich nicht einmischen

Das Gesundheitsministerium zeigt bisher keinen Willen, sich in den Streit einzumischen. „Das ist eine Entscheidung der Selbstverwaltung“, sagte ein Ministeriumssprecher dem Tagesspiegel. Gleichzeitig betonte er, dass der Beschluss zu einem Zeitpunkt falle, „zu dem sich die niedergelassenen Ärzte besser auf Corona-Patienten haben einstellen können“.

Die Entscheidung sei gegen die Stimmen, der Ärzte, der Zahnärzte und der Krankenhäuser gefallen, betonte dagegen die DKG. „Man sollte es nicht Entscheidung der gemeinsamen Selbstverwaltung nennen, es war nämlich nicht gemeinsam.“  Der Beschluss, dass eine Krankschreibung per Telefon nicht mehr möglich ist, sei allein vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und dem unparteiischen Vorsitzenden des G-BA, Josef Hecken, getroffen worden. Das Beschlussgremium des Bundesausschusses ist mit drei unparteiischen Mitgliedern, fünf Vertretern der gesetzlichen Krankenkassen, jeweils zwei Vertretern von Ärzten und Krankenhäusern sowie einem Vertreter der Zahnärzte besetzt.

Spitzenverband der Kassen will Rückkehr zur "Normalität"

Der GKV-Spitzenverband verteidigte den umstrittenen Stopp der Ausnahmeregelung. Es handle sich um eine „Reaktion auf die Entscheidung der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten, das öffentliche Leben in sehr kleinen Schritten behutsam wieder hochzufahren“, sagte Verbandssprecher Florian Lanz dem Tagesspiegel. „Mit der Wiedereröffnung zahlreicher Geschäfte kehrt am Montag ein Hauch von Normalität in unser tägliches Leben zurück“, so der Sprecher weiter. „Wir sind sicher, dass die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte mit ihrer ganz besonderen Kompetenz für Gesundheit und Hygiene sicherstellen können, dass von dem Besuch einer Arztpraxis kein Gesundheitsrisiko und keine Ansteckungsgefahr mit dem Corona-Virus ausgeht.“

Allerdings gab es auch Kritik von Kassenseite. Es sei „sehr schade und für mich unverständlich, dass die sinnvolle telefonische Krankschreibung nicht zumindest bis 3. Mai verlängert wurde“, twitterte der Vorstandschef der IKK-Südwest, Roland Engehausen. Die einzelnen Krankenkassen seien „in diese Entscheidung leider nicht eingebunden“ gewesen. Die telefonische Krankschreibung so plötzlich und gleich mit Wirkung für Montag zu beenden, sei „ein Unding“. Man werde dies nun „sehr kritisch hinterfragen.

Verbraucherzentralen: Unverantwortlicher Beschluss

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) begrüßte das Auslaufen der Sonderregelung. Mit der schrittweisen Normalisierung sei es ebenso richtig, auch bei der Krankschreibung zum Regelzustand zurückzukehren.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen dagegen äußerte heftige Kritik. Der Beschluss, telefonische Krankschreibungen schon ab Montag zu beenden, während andere Einschränkungen bis zum 3. Mai liefen, sei „unverantwortlich und ein gravierender Fehler“, so Verbandsvorstand Klaus Müller. Der Gesundheitsexperte des Verbands, Kai Vogel, nannte die Entscheidung „in der aktuellen Lage nicht nachvollziehbar und nicht im Sinne der Patienten“.

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