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Unbekannte hatten am Mittwoch einen Galgen in der Nähe des Kapitols errichtet.

© Andrew CABALLERO-REYNOLDS/AFP

Sturm auf das Kapitol: Menschenjagd auf Pelosi und Pence

Ein Teil des Mobs aus Trump-Anhängern, der ins US-Kapitol eindrang, ging offenbar gezielt vor. Gefragt wird: Gab es Pläne für Geiselnahmen und Erschießungen?

Nach und nach wird immer deutlicher, wie groß die Gefahr beim Sturm auf das US-Kapitol am Mittwoch tatsächlich gewesen ist. Videos und Zeugenaussagen legen nahe, dass der in das Kongressgebäude eingedrungene gewalttätige Mob nicht nur entschlossen war, die gemeinsame Sitzung von Senat und Repräsentantenhaus, bei der Joe Biden als Sieger der Präsidentschaftswahl vom 3. November bestätigt werden sollte, zu unterbrechen und Druck auf die Parlamentarier auszuüben.

Anhänger des Wahlverlierers Donald Trump waren auch gezielt auf der Suche nach Nancy Pelosi, der obersten Demokratin im Kongress.

Und sie suchten „Verräter“ – jene Republikaner, die es abgelehnt hatten, ihren Präsidenten zu unterstützen. Besonders in Gefahr war demnach Vizepräsident Mike Pence, der trotz Trumps Drängen vor der Sitzung erklärt hatte, er habe nicht die Macht, diesem den Wahlsieg zuzuerkennen.

Sie suchten den „Verräter“ Mike Pence

Besonders verstörend sind Tweets des Reuters-Fotografen Jim Bourg, in denen er erklärt, mehrere der Eindringlinge hätten getönt, sie hofften, Pence zu finden. Dieser solle dann „als Verräter“ an einem Baum vor dem Kapitol gehängt werden. Unbekannte hatten in der Nähe des Kongressgebäudes sogar einen Galgen errichtet.

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Videoaufnahmen zeigen zudem, dass mehrere Männer Kabelbinder mit sich führten, die von der Polizei häufig bei Massenfestnahmen als Handschellenersatz verwendet werden. Vor allem das Foto eines Ex-Militärs ging viral, der in Spezialausrüstung über die Sitzreihen der Galerie in der Senatskammer springt, in der linken Hand hält er mehrere Kabelbinder. Ein anderer dieser paramilitärisch gekleideten Eindringlinge hatte ein halbautomatisches Gewehr und elf Molotowcocktails dabei.

Einer der Randalierer soll Freunden geschrieben haben, dass er Nancy Pelosi töten wolle. Er hatte in Washington ein Gewehr und Hunderte Schuss bei sich.

Nun wird der Frage nachgegangen, ob es konkrete Pläne für Geiselnahmen gab. Erst im Oktober waren in Michigan 13 Männer angeklagt worden, die die demokratische Gouverneurin Gretchen Whitmer entführen wollten und auch über ihre Ermordung spekuliert hatten.

Auch Journalisten wurden brutal angegriffen

Erschreckend sind zudem Videoaufnahmen, wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur AP vor dem Kapitol von wütenden Demonstranten angegriffen und brutal herumgestoßen wird. Eine „New York Times“-Fotografin im Kongress wurde ebenfalls massiv attackiert und zu Boden geworfen. Angesichts dieser bereits bekannten Bilder und Berichte scheint es fast erstaunlich, dass am Mittwoch nicht noch viel mehr passiert ist.

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Dabei zählen zur Bilanz dieses 6. Januar bereits fünf Tote. Ein Angehöriger der „Capitol Police“, jener 2300 Mann starken Einheit, die für die Sicherheit des Kongresses zuständig ist, verstarb am Donnerstagabend. Er war mit einem Feuerlöscher angegriffen worden. Ermittelt wird nun wegen Mordverdachts.

Eine Trump-Anhängerin, eine 35-jährige Air-Force-Veteranin aus Maryland, wurde von Sicherheitskräften erschossen. Drei weitere Menschen, die ebenfalls aus anderen Bundesstaaten angereist waren, starben an „medizinischen Komplikationen“, wie es offiziell heißt.

Die Aufarbeitung der Geschehnisse wird noch lange dauern – auch über das reguläre Ende von Donald Trumps Amtszeit am 20. Januar hinaus. Anders als dieser wird Noch-Vizepräsident Pence an der Amtseinführung von Biden teilnehmen. Sein Verhältnis zu Trump ist wohl irreparabel beschädigt.

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