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Unmittelbare Reaktion: Palästinenser prostestierten gegen den neuen Nahostplan, unter anderem, indem sie ein Foto verbrannten, das Trump und Netanjahu zeigt.

© AFP

Trumps Nahost-Vorschläge markieren eine Zäsur: Ein Plan, der keinen Frieden bringen wird

Eine Premiere: Der erste Friedensplan, bei dem der Interessenausgleich zwischen Israelis und Palästinensern keine Rolle mehr spielt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Es hat unzählige Friedenspläne für den Nahen Osten gegeben, die keine Chance auf Realisierung hatten. Der Trump-Plan ist nur einer mehr – und doch ist er zugleich eine Premiere: Es ist der erste Nahost-Plan, bei dem das Ziel eines Friedens durch Interessenausgleich zwischen Israelis und Palästinensern keine erkennbare Rolle mehr spielt. Trump verfolgt innenpolitische Motive in den USA und in Israel.

Trumps Wahlgeschenk an die christliche Rechte

Zugleich führt er den Europäern einmal mehr mit schonungsloser Brachialität vor Augen, was er von ihren Denk- und Politikansätzen hält: wenig. Wer genug Macht hat, um sich durchzusetzen, muss in Trumps Welt keine Rücksicht auf Schwächere nehmen, keine Kompromisse schließen, keine Geduld für multilaterale Ansätze wie das Nahostquartett (UN, USA, EU, Russland) und seine mühsam austarierte Zwei-Staaten-Lösung aufbringen.

Trump kann noch so oft den Frieden beschwören und behaupten, dass er den Palästinensern ein großartiges Angebot mache. Der Kern des Plans, wie er und Netanjahu ihn vorstellten: Israels Souveränität über große Teile der besetzten Gebiet wird anerkannt, Jerusalem ist die unteilbare Hauptstadt Israels. Man fragt sich, wo da überhaupt noch ein palästinensischer Staat Platz haben soll, der diesen Namen verdient.

Trump will im Herbst wiedergewählt werden. Er führt kein gottgefälliges Leben, geht nicht in die Kirche und weiß doch, wie er die christliche Rechte für sich einnimmt. Das Heilige Land wird nicht geteilt. Weder Christen noch Juden müssen ihren Anspruch auf die Kontrolle über Judäa und Samaria, Nazareth, Bethlehem und Jerusalem mit Muslimen teilen.

In den ersten drei Jahren tat Trump noch so, als solle sein Schwiegersohn Jared Kushner einen Nahostfrieden vermitteln. Schon das machte wenig Hoffung, denn Kushner ist nur in Israel vernetzt – und kennt Premier Netanjahu seit Kindheitstagen. Ihm fehlen belastbare Kontakte zu Palästinensern. Wie sollte da das nötige Vertrauen wachsen, damit die Kontrahenten die Zugeständnisse machen, die einen Verhandlungsfrieden tragen?

Netanjahu wird am Tag seiner Anklage entlastet

Ähnlich Netanjahu. Am Tag seiner Anklage wegen Bestechung, Betrug und Untreue verschafft ihm Trump Entlastung. Der Aufhebung seiner Immunität will er durch einen Wahlsieg am 2. März zuvorkommen. Der soll wie ein Freispruch durch den Souverän, die Bürger, wirken. Netanjahu hat den Israelis seit Jahren versprochen, was jetzt auch Trump vorschlägt. Keine Zugeständnisse an „die Terroristen“, keine Aufgabe von besetztem Land für Frieden.

Er präsentiert sich den Wählern als Regierungschef, der Frieden durch Stärke garantiert. Und der diesem Konzept international Rückendeckung verschafft, seit Jahren schon durch die USA und jetzt auch durch Russland; eben erst hat er sich beim World Holocaust Forum Arm in Arm mit Wladimir Putin gezeigt.

Zwei, die sehr zufrieden mit sich sind: US-Präsident Donald Trump und der israelische Premier Benjamin Netanjahu.
Zwei, die sehr zufrieden mit sich sind: US-Präsident Donald Trump und der israelische Premier Benjamin Netanjahu.

© AFP

Die Friedensbewegung ist marginalisiert

Eine machtvolle Opposition, die andere Vorstellungen vom Umgang mit den palästinensischen Nachbarn hat, gibt es nicht mehr. Die Friedensbewegung, auf die sich Jitzhak Rabin in den 1990er Jahren bis zu seiner Ermordung durch einen Siedler 1995 stützen konnte, ist marginalisiert. Der so genannte „Mitte-Links“-Block unter Benny Gantz propagiert ähnlich wie Netanjahu die Annexion der besetzten Gebiete, nicht die Rückgabe. Die jüdische Zuwanderung aus Nordafrika und Russland hat Israels politische Mitte nach rechts verschoben.

Für die Palästinenser rächt es sich, dass Jassir Arafat, als sie noch stark waren, vor den Kompromissen zurückscheute, die ihm ein Friedensvertrag abverlangt hätte. Politisch sind sie gespalten in die Fatah im Westjordanland und die Hamas im Gazastreifen. Die arabischen Staaten unterstützen sie nur durch Lippenbekenntnisse. Ägypten und Jordanien pflegen einen kalten Frieden mit Israel. Syrien fällt als Machtfaktor aus. Eine neue Intifada als Protest gegen den Trump-Plan ist wenig wahrscheinlich.

Israel ist den Nachbarn überlegen, Europa schaut tatenlos zu

Der Trump-Plan steht für diese Machtverhältnisse. Israel muss eine vereinte Übermacht arabischer Nachbarn nicht fürchten. Es ist in allen Belangen überlegen und in vielen Zukunftstechnologien Weltspitze. Allenfalls massive Raketenangriffe der von Iran unterstützten Hisbollah können – begrenzte – Angst auslösen.

Europa hat dieser Realität derzeit nichts entgegenzusetzen. Und muss sich damit abfinden, dass der Nahostkonflikt auf absehbare Zeit nicht gelöst wird. Jedenfalls nicht nach europäischen Vorstellungen.

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