zum Hauptinhalt
Andreas Scheuer hat Maut-Akten zur Geheimsache eingestuft.

© imago images/Metodi Popow

Update

Ungewöhnlicher Vorgang im Bundestag: Scheuer lässt Maut-Akten als geheim einstufen

Scheuer hatte bei der Maut Transparenz versprochen, nun sind etliche Dokumente „vertraulich“. Während viele Deutsche seinen Rücktritt fordern, lobt Merkel ihn.

Verkehrsminister Andreas Scheuer hat in einem ungewöhnlichen Vorgang die Arbeit des Maut-Untersuchungsausschusses erschwert. Beamte des Ministeriums seien in den Bundestag gekommen und hätten Akten zur Maut, die bereits im Parlament lagen, als Geheimsache eingestuft, berichtet der „Spiegel“. Für die Öffentlichkeit seien sie somit gesperrt.

Scheuers Ministerium widerspricht

Verkehrsminister Scheuer hatte für die Aufklärung zur Maut-Affäre eigentlich volle Transparenz versprochen. Um das zu beweisen, hatte der CSU-Politiker im Sommer persönlich Akten im Handwagen von seinem Ministerium zum Verkehrsausschuss des Bundestages transportiert. Später seien weitere Unterlagen nachgereicht worden, sodass es am Ende 52 Aktenordner waren.

Ausgerechnet aus diesem Bestand hätten Ministeriumsbeamte nun viele Dokumente wieder abgeholt, berichtet der „Spiegel“. „Denen schien die ganze Aktion ein wenig unangenehm zu sein“, zitierte das Magazin einen Augenzeugen.

Die Dokumente seien bald wieder in den Bundestag zurückgebracht worden. Doch nun seien sie als „Verschlusssache – vertraulich“ gekennzeichnet – damit sind sie für die Öffentlichkeit unzugänglich. Sie könnten lediglich von Abgeordneten und sicherheitsüberprüften Mitarbeitern gelesen werden.

Das Verkehrsministerium beteuerte, es stehe weiterhin für „maximal mögliche Transparenz“. Dass die Arbeit des Untersuchungsausschusses behindert werde, wie der „Spiegel“ schreibt, sei „falsch“. Das Ministerium räumte allerdings ein, dass bei Dokumenten die Einstufung der Geheimhaltungsstufe geändert worden sei.

Deutliche Mehrheit der Deutschen will Scheuers Rücktritt

Das liege daran, dass die Akten für den nicht öffentlich tagenden Verkehrsausschuss geliefert worden seien. Nun würden sie aber im öffentlich tagenden Untersuchungsausschuss verwendet, deshalb seien bestimmte Akten nun als geheim eingestuft, „um sensible Daten zu schützen“, sagte ein Ministeriumssprecher.

Er verwies aber darauf, dass die Akten weiterhin „parlamentsöffentlich“ seien, dass Abgeordnete sie also einsehen könnten. Anders hatte der „Spiegel“ aber auch nicht darüber berichtet.

„Ich finde dass Andi Scheuer sehr gute Arbeit macht“, sagt Angela Merkel

Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für das Redaktions-Netzwerk Deutschland (RND) zufolge spricht sich inzwischen eine deutliche Mehrheit der Deutschen für einen Rücktritt Scheuers aus. Demnach gaben 60 Prozent an, Scheuer sollte als Verkehrsminister zurücktreten. 13 Prozent sind gegen eine Rücktritt des CSU-Politikers. 26 Prozent sind sich unschlüssig und antworteten mit „Weiß nicht“. Unterstützung erhielt Scheuer bei der Regierungsbefragung im Bundestag von Angela Merkel. „Ich finde, dass Andi Scheuer sehr gute Arbeit macht“, sagte die Bundeskanzlerin.

„Behinderung der Aufklärungsarbeit, die ihresgleichen sucht“

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, der Grünen-Politiker Cem Özdemir, twitterte, Scheuer habe Akten erst mit „Tamtam“ ins Parlament gerollt, nun aber würden sie „heimlich als geheimer als gedacht“ eingestuft. Der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler sagte, Scheuer ziehe wichtige Dokumente zurück und stufe sie als geheim ein. „Das ist eine offensichtliche Behinderung der Aufklärungsarbeit, die ihresgleichen sucht.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic sagte mit Blick auf die Unterlagen für den U-Ausschuss: „Scheuer wird nervös und will den Abgeordneten wohl einen Maulkorb verpassen. Anstatt für die großspurig angekündigte Transparenz zu sorgen, setzt er nun auf Geheimniskrämerei.“

Maut-Untersuchungsausschuss tagt seit dem 12. Dezember

Der Maut-Untersuchungsausschuss hatte am 12. Dezember seine Arbeit aufgenommen. Die Abgeordneten wollen die Vorgänge zur Pkw-Maut prüfen. Diese war ein Lieblingsprojekt der CSU, Scheuer wollte sie durchsetzen, obwohl es erhebliche rechtliche Bedenken gab.

Entsprechend hatte der Verkehrsminister Verträge mit den Betreibern Kapsch und CTS Eventim geschlossen. Kurz danach erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Pkw-Maut für rechtswidrig. Scheuers Ministerium kündigte umgehend die Verträge. Daraus könnten nun Forderungen der Firmen resultieren, letztlich zu Lasten der Steuerzahler. In der Opposition ist von mehreren hundert Millionen Euro die Rede.

Gescheiterte Pkw-Maut – Schadenersatz droht

Die Vorwürfe der Opposition sind gravierend: Scheuer habe Verträge voreilig abgeschlossen, Haushalts- und Vergaberecht gebrochen und Regelungen zum Schadenersatz vereinbart, die die Steuerzahler teuer zu stehen kommen könnten. Und: Der Minister kläre nicht genügend auf. Im Visier stehen etwa „Geheimtreffen“ Scheuers mit den Betreibern. Diese sollen ihm dabei angeblich vorgeschlagen haben, die Verträge erst nach dem EuGH-Urteil zu unterschreiben.

[Was waren die wichtigsten News des Tages? Was soll ich in der Flut an Texten heute Abend auf der Couch lesen? Was kann man abends in Berlin unternehmen? Und gibt es eine gute Zahl, mit der ich beim Kneipentalk glänzen kann? All diese Fragen beantwortet unser neuer Tagesspiegel-Newsletter. Neugierig? Dann können Sie sich hier kostenfrei anmelden.]

Scheuer weist die Vorwürfe zurück. Es sei seine Pflicht gewesen, die von Bundestag und Bundesrat beschlossene Pkw-Maut umzusetzen, deshalb hätte er die Verträge unterschrieben. Bis Ende 2018 hätte die Vergabe an die Betreiber klar sein müssen, weil nur bis dahin Haushaltsmittel bewilligt worden seien.

Und die Betreiber hätten auch gar keinen Anspruch auf Entschädigung. Denn das Ministerium hatte als Kündigungsgründe neben dem EuGH-Spruch auch Mängel in der Leistung der Auftragnehmer und deren Verhalten nach der Kündigung genannt. (Tsp, dpa)

Zur Startseite