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Ein Teilnehmer einer Kundgebung rechter Gruppen in Köln hält ein Plakat mit der Aufschrift "Lügenpresse halt die Fresse".

© Henning Henning Kaiser/dpa

Fake News: Wie gefälschte Nachrichten in Chemnitz Karriere machen

Im Internet heißt es, in Chemnitz habe es ein zweites Todesopfer gegeben. Die Polizei dementiert. Doch die "Fake News " reißen nicht ab.

Es sind grauenvolle Bilder: Frauen mit Platzwunden im Gesicht, geschwollenen Lippen und blutigen Augen. Seit 2017 kursieren die Fotos im Netz, als angeblicher Beleg für „Migrantengewalt“. Es handelt sich dabei jedoch um „Fake News“, gefälschte Nachrichten. Zwar haben die Frauen tatsächlich Gewalt erlebt, wie das Recherche-Team von „Mimikama“ belegt. Doch die Täter waren die Ehemänner oder Ex-Freunde der Frauen – und keine Asylbewerber.

Vor kurzem tauchten die Fotos nun in Chemnitz auf. Rechte Demonstranten hielten vor wenigen Tagen ein Transparent hoch. „Wir sind bunt bis das Blut spritzt“, war darauf zu lesen. Daneben zu sehen: die Bilder der misshandelten Frauen. Seit dem gewaltvollen Tod eines 35-Jährigen vor gut einer Woche kochen die Gerüchte hoch. „Das ist das stärkste Aufkommen an Falschmeldungen, das ich je erlebt habe“, sagt Patrick Gensing, der für den „Faktenfinder“ der Tagesschau arbeitet. So hieß es zunächst im Internet, es habe in Chemnitz ein zweites Todesopfer gegeben. Die Polizei dementierte. Auch an der Behauptung, die Verdächtigen hätten vor dem Tötungsdelikt eine Frau sexuell belästigt, war nichts dran. Doch die „Fake News“ reißen nicht ab. Eine gefälschte Kriminalitätsstatistik macht im Netz die Runde, manipulierte Foto- und Videoaufnahmen sowie Verschwörungstheorien breiten sich aus.

Es geht um die Deutungshoheit

Das sei schon im Fall Kandel so gewesen, sagt der Journalist Gensing. Rechtsextreme schlachteten den tragischen Mordfall an einer 15-Jährigen aus. Heute gingen die Urheber der „Fake News“ noch routinierter vor, sagt Gensing. Das Muster bleibe jedoch gleich: Ein reales Ereignis werde genutzt, um mit gefälschten Meldungen Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen.

Nach den Ausschreitungen in Chemnitz gehe es manchen nun auch darum, die Deutungshoheit zu erlangen, sagt Gensing. So behaupteten einige, die vielen Hitlergrüße auf den rechten Demos der vergangenen Tage seien von eingeschleusten Provokateure ausgegangen. „Hinter der gezielten Desinformation steht die Absicht, Verwirrung zu stiften und die öffentliche Berichterstattung zu disqualifizieren“, sagt André Wolf von „Mimikama“. „Die Menschen sollen glauben, dass man Medien nicht mehr trauen kann.“ Dass dahinter eine politische Strategie steckt, glaubt auch der Medienwissenschaftler Patrick Dongens. Doch auch die Nutzer der sozialen Medien stünden in der Verantwortung, meint er. Die sollten sich vor dem Teilen einer Nachricht vor allem fragen: „Ist das plausibel?“

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