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Brandenburg: 90 Stufen über Rathenow

Bismarckturm ist bei der Buga doch zu erklimmen

Rathenow - Fast zwei Monate nach ihrer Eröffnung erlebt die Bundesgartenschau in der Havelregion eine Premiere. In Rathenow kann ab Montag der bislang geschlossene Bismarckturm auf dem Weinberg bestiegen werden. Wer die 90 Stufen der engen Wendeltreppe schafft, blickt über eine Balustrade weit über die Stadt, die Havel und die Umgebung. Das Gartenschaugelände befindet sich zwar direkt zu Füßen des Turms, aber ein dichtes Blätterwerk behindert doch die freie Aussicht auf die Blumenrabatten, den Rhododendronhain, die Senkgärten und die neue Brücke zwischen Weinberg und Optikpark, dem zweiten Buga-Gelände im Ort. Dennoch kämpfte Rathenow unablässig um die Öffnung des 32 Meter hohen Turms, der im Konzept der Buga-Organisatoren bislang keine Rolle spielte.

„Aus Sicherheitsgründen“ hatte die Vorsitzende des Zweckverbandes, die Brandenburger Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann (CDU), eine Begehung des Bauwerks abgelehnt. Niemand könne den Ansturm der Besucher kontrollieren und somit beherrschen, hieß es von ihr. „Der Bismarckturm ist ja kein Aussichtsturm, sondern ein Denkmal“, sagte Tiemann. Doch damit löste sie einen unerwarteten Proteststurm in der Stadt aus. Die ganze Stimmung der Rathenower für und gegen die Buga schien plötzlich von diesem Turm abzuhängen. Wochenlang gab es kein anderes Thema. „Die Einwohner identifizieren sich einfach mit dem Bismarckturm“, erklärte Bürgermeister Roland Seeger den Aufruhr. Deshalb setzte er den nun gefundenen Kompromiss durch: Maximal dürfen 25 Personen gleichzeitig nach oben und ein Sicherheitsdienst kontrolliert den Auf- und Abstieg. Nicht zuletzt deshalb muss jeder Besucher ab acht Jahren einen Euro Eintritt bezahlen. Außerdem wurde die tägliche Öffnungszeit auf 10 bis 17 Uhr begrenzt.

In den Ziegelsteinen der Balustrade fallen eingeritzte kyrillische Buchstaben ins Auge. Einige dürften vor 70 Jahren angebracht worden sein, als die Rote Armee die nach alliierten Bombenangriffen zu 60 Prozent zerstörte Stadt nach schweren Kämpfen eingenommen hatte. Andere Namen und Geburtsdaten künden vom Mut späterer Turmeroberer, war doch das Bauwerk lange Zeit einsturzgefährdet. Erst seit 2002 können Besucher gefahrlos nach oben steigen und hier sogar in einem Turmzimmer heiraten. Claus-Dieter Steyer

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