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Brandenburg: Ein Leben für die DDR-Kobolde

Die Erfinderin der Abrafaxe, Lona Rietschel, feiert am heutigen Samstag ihren 80. Geburtstag

Berlin - Es ist der längste Fortsetzungscomic der Welt: das Mosaik. Gerade ist Nummer 453 mit einem neuen Abenteuer der Kobolde Abrax, Brabax und Califax – kurz: der Abrafaxe – erschienen. Dass das Trio solch eine große Nummer ist, verdankt es vor allem seiner Erfinderin Lona Rietschel, die am heutigen Samstag ihren 80. Geburtstag feiert. Die Comicserie ist eines der wenigen Kulturgüter, das den Transfer aus dem Sozialismus in die kapitalistische Marktwirtschaft überlebt hat. In der DDR wurden die Hefte so geliebt, dass sie trotz Millionenauflage oft ausverkauft waren. Dabei hatte Lona Rietschel einst davon geträumt, Modezeichnerin zu werden. 1949 begann sie im zerbombten Berlin ein Modegrafikstudium, dem sie ihre Ausbildung in figürlichem Zeichnen verdankt. Nach drei Jahren wollte sie etwas Lustigeres machen und wechselte in eine Klasse für Zeichentrickfilm an die Meisterschule für das Kunsthandwerk in Charlottenburg und arbeitete später für die Defa-Studios für Trickfilme, die Mitte der 50er-Jahre von Potsdam nach Dresden verlegt wurden. Rietschel hätte mitziehen können. Sie aber blieb in Berlin, dessen Teilung in der Luft lag. 1960 holte Hannes Hegen, der seit 1955 mit den Digedags den Grundstein der Mosaik-Hefte legte, die Zeichnerin in sein Karlshorster Haus. 15 Jahre zeichnete Rietschel unter ihm; ihre prägendsten Jahre. Wehmütig erinnert sie sich an die angenehme Arbeitsatmosphäre beim „Vater“ der Mosaik-Hefte. 1975 aber verlässt dieser die Mosaik-Redaktion – im Streit. Rietschel macht das bis heute zu schaffen.

Das Mosaik zieht derweil von Karlshorst nach Mitte, in die Räume des Verlags „Junge Welt“ in der Mauerstraße. Für den Verlag erfand sie mit Lothar Dräger die Abrafaxe, die seither im Mittelpunkt der Hefte stehen. Bekamen westeuropäische Heranwachsende mit Tim und Struppi oder Asterix Wissen und Kulturgeschichte eingeimpft, übernahmen in der DDR die Kobolde Abrax, Babrax und Califax diese Funktion.

Nach der Wiedervereinigung sicherte sich ein Westberliner Werbefachmann die Rechte an den Abrafaxen. Die Redaktion zog nach Westend, wo Rietschel noch bis zur Rente 1999 zeichnete. Gern würde sie, wie der späte Donald-Duck-Zeichner Carl Barks, noch eigene Kunstwerke mit ihren Figuren machen. Doch zeichnen darf sie nur für den Verlag, der die Urheberrechte hat. Der „Mutter der Abrafaxe“ sind ihre Kinder entzogen worden – auch diese Tragödie gehört zu Lona Rietschel, die ein Leben für das „Mosaik“ gelebt hat. Beim diesjährigen Comicfestival in München wurde sie dafür ausgezeichnet. Thomas Hummitzsch

Lona Rietschel: Bilder meines Lebens. Mosaik Steinchen für Steinchen 2013. 96 Seiten. 16,90 Euro

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