zum Hauptinhalt
Wo früher Getreide lagerte, ist ein Ort für Kunst und Kultur entstanden.

© dpa / Patrick Pleul

Industriecharme mit Panoramablick: Denkmalpreis geht nach Gramzow

Jahrzehntelang stand das Industriedenkmal Speicher Gramzow in Brandenburg leer. 2015 entdeckten Manuela Busch und Frank Wiemeyer das Potenzial des Gebäudes, kauften und sanierten es denkmalgerecht.

Von Jeanette Bederke, dpa

Von außen wirkt der ehemalige Speicher im uckermärkischen Gramzow wie ein in die Jahre gekommener alter Betonklotz. Mit immerhin zehn Stockwerken ist er imposant und bereits von Weitem zu sehen. Da er mit 30 Metern Höhe alle anderen Gebäude des Dorfes weit überragt, fällt der Blick unwillkürlich auf das Bauwerk. So ging es auch Manuela Busch und Frank Wiemeyer. In Schwedt (Uckermark) wohnend, kamen beide seit der Wende immer mal wieder an dem inzwischen leerstehenden Speicher vorbei. „2015 waren wir erstmals auch im Gebäude und erkannten sofort sein Potenzial - 2800 Quadratmeter Nutzfläche, und jeder Raum sieht anders aus“, sagt Wiemeyer.

Prototyp aller Speicherbauten in der DDR

Der Gramzower Klotz, 1953/54 erbaut, sei der Prototyp aller Speicherbauten in der damaligen DDR gewesen, recherchierten er und seine Lebensgefährtin. „Es gibt ein ziegelsichtiges Mauerwerk mit siebenfach geteilten Fensterfronten in allen Etagen, eine Bauweise, die an die Bauhaus-Architektur erinnert und so in späteren Speichern nicht mehr umgesetzt wurde“, erklärt der 58-jährige Fotograf, der vor allem den kulturhistorischen Wert des seit 1990 unter Denkmalschutz stehenden Speichers hervorhebt. Wiemeyer und Busch kauften das Gebäude einer Handelsgenossenschaft ab, begannen es gemeinsam mit Freunden zu entrümpeln und zu sichern. Eine sechsstellige Summe inklusive einiger Fördermittel investierten sie bisher, um den Koloss wieder nutzbar zu machen.

Instandsetzung und Umnutzung

Seit drei Jahren ist der alte Speicher Kunst- und Kulturort für Ausstellungen und Konzerte - allerdings nur von Mai bis Oktober. „In den kalten Monaten müssten wir heizen, von den Kosten her wäre das nicht zu stemmen“, sagt der Speicherretter. Für sein Engagement zum Erhalt des Industriedenkmals werden er und seine Partnerin am 7. November mit dem Deutschen Denkmalpreis 2022 geehrt. Wiemeyer und Busch erhalten sie für „die Sicherung, denkmalgerechte Instandsetzung und Umnutzung des Speichers als Industriemuseum mit Ausstellungsmöglichkeiten“, heißt es in der Begründung des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz.

Manuela Busch und Frank Wiemeyer stehen in ihrem Getreidespeicher.

© dpa / Patrick Pleul

„So einen Preis für ein Industriegebäude aus DDR-Zeiten zu bekommen, ist schon bemerkenswert“, meint Wiemeyer. Der Denkmalstatus des Speichers sei schon eine Herausforderung gewesen. „Du beginnst mit Leidenschaft und musst später mental stark sein“, sagt er schmunzelnd. Sie hätten den richtigen Riecher gehabt, als sie 2015 erstmals im Speicher standen. „Doch das war uns damals nicht bewusst“, ergänzt Busch. Dass sich ihre Bemühungen lohnen, hatten die beiden Speicherretter bereits im vergangenen Jahr bestätigt bekommen - mit dem Brandenburger Denkmalpflegepreis und dem Vorschlag des Landes an das Nationalkomitee für den Deutschen Denkmalpreis.

Denkmalschutz polarisiert. Der Speicher Gramzow könnte Mutmacher für weitere Projekte in der Uckermark sein.

Anet Hoppe, Geschäftsführerin der tmu Tourismus Marketing Uckermark.

„Über viele Jahre haben sich Besucher der Region gefragt, was mit dem beeindruckenden Objekt wohl passiert“, erinnert sich Anet Hoppe, Geschäftsführerin der tmu Tourismus Marketing Uckermark GmbH. Im Spannungsfeld zwischen Industriedenkmal und einer Neuinterpretation von einem Kunstort sei das Gebäude öffentlichkeitswirksam wiederbelebt worden, lobt sie. „Denkmalschutz polarisiert. Der Speicher Gramzow könnte Mutmacher für weitere Projekte in der Uckermark sein“, hofft sie. Mit Ausstellungen und Konzerten, bei denen Musiker die besondere Akustik loben, locken die Speicherliebhaber nicht nur Kunstinteressierte aus ganz Deutschland an. „Wir wollten auch immer etwas für die Region tun“, betont Wiemeyer.

1000
Besucher aus der näheren Umgebung beim Tag der offenen Tür.

So sei die Veranstaltungsreihe „Techno und Beton“ inzwischen bei jungen Leuten aus der Uckermark beliebt. Beim Tag der offenen Tür seien rund 1000 Besucher aus der näheren Umgebung gezählt worden. Inzwischen müsse man Künstler für Ausstellungen nicht mehr suchen. „Die melden sich inzwischen bei uns und wollen sich hier präsentieren“, betont Wiemeyer. Die Berliner Fotografin Isabel Kittler, die gemeinsam mit 22 anderen Künstlern schon in Gramzow ausstellte, ist „voller Bewunderung“ für das Projekt. „Das Gebäude hat Industriecharme und ist trotzdem nicht total steril oder aalglatt gestaltet, Busch und Wiemeyer sind professionell und gleichzeitig einfühlsam, mit ansteckendem Enthusiasmus“, lobt Kittler, die sich als Künstlerin wahrgenommen und verstanden fühlte.

Noch immer recherchieren die Speicherretter zur Geschichte des Gebäudes, in dem zu DDR-Zeiten neben Getreide auch Raps und Hülsenfrüchte in insgesamt 28 Silos gelagert wurden. Die beiden Schwedter haben dazu Kontakt zur ehemaligen technischen Leiterin des einst volkseigenen Erfassungs- und Ankaufbetriebes der Getreidewirtschaft Prenzlau (Uckermark).

„Wir machen ja auch Führungen und wollten den Leuten erklären, wie der Speicher funktionierte und welche ingenieurtechnische Leistung dahinter steckt“, sagt die studierte Germanistin Busch. Viele Besucher seien überwältigt, nicht zuletzt vom Panoramablick in die malerische uckermärkische Landschaft, der sich durch die Fenster in den oberen Etagen bietet, freut sich die 58-Jährige. Wer eine Eintrittskarte für den Speicher kauft, kann diese während der gesamten Saison nutzen, so oft er will.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false