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Lebenslang. Der Angeklagte Mario K. (r.) wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Von der Ermittlerin zur Praktikantin

Im Maskenmann-Prozess stehen Polizeibeamte offenbar massiv unter Druck. Auch vor Gericht. Eine Fahnderin der Mordkommission hatte Zweifel am Tatablauf. Jetzt will sie lieber Ruhe. Ein anderer Beamter berichtet von direkter Einflussnahme des Polizeipräsidenten

Frankfurt (Oder) - Ungewöhnlich lange muss die Zeugin in der blauen Uniformjacke einer Revierpolizisten auf eine einfache Frage vor dem Landgericht in Frankfurt (Oder) überlegen: „Gab es nach ihrer ersten Vernehmung ein Gespräch mit ihren Vorgesetzten?“ Das lange Schweigen dauert mehr als eine Minute, ehe sie nach einer Nachfrage endlich zugibt: „Ja, so ein Gespräch gab es.“ Die Folgen sind an der Uniform zu erkennen. Bis vor wenigen Wochen gehörte Frau B. zur Mordkommission in Frankfurt (Oder) und damit auch zur Sonderkommission „Imker“, die die drei Überfälle auf zwei Berliner Millionärsfamilien in Bad Saarow und Storkow in den Jahren 2011 und 2012 aufklären sollte. „Auf eigenem Wunsch“, wie die Frau um die 40 gestern vor Gericht erklärte, mache sie derzeit ein Praktikum auf dem Polizeirevier in Fürstenwalde. Sie wolle endlich abschließen mit den Ermittlungen rund um diesen spektakulären Prozess gegen den Angeklagten Mario K. aus Berlin, der als getarnter „Maskenmann“ sowohl die Familie P. auf deren Wochenendgrundstück angegriffen als auch den Investmentbanker Stefan T. entführt und seine Frau um eine Million Euro Lösegeld erpresst haben soll.

Man merkte der Polizistin sofort ihre Angst und ihre Hemmungen an. Sie gehörte zu jenen Kriminalisten, die von Anfang an Zweifel am geschilderten Ablauf der Entführung am Großen Storkower See hatten. „Ich habe sehr darunter gelitten, dass keine kritischen Fragen in der Sonderkommission gestellt werden durften“, hatte sie in ihrer ersten Vernehmung vor ihrem „freiwilligen Praktikum“ im November gesagt. Gestern wiederholte sie etwas zögerlich die von einer Kollegin in der Frankfurter Polizei erhaltene Mitteilung, wonach in einer Zusammenfassung der Ermittlungsergebnisse im Sommer 2013 sämtliche entlastende Indizien für den damals schon beobachteten Tatverdächtigen fehlen würden. Eine Beamtin, die der Mordkommission angehört hatte, hatte zuvor ausgesagt, eine Kollegin habe erzählt, aus einem Bericht hätten Fakten, die den Tatverdächtigen entlastet haben, gestrichen werden sollen. „Sie hat den Bericht nicht unterschrieben“, sagte die 52-Jährige mit Verweis auf ihre Kollegin. Laut „Bild“-Zeitung stellte das Gericht fest: Ihr Name fehlt als einziger von vier unter dem Bericht, ebenso entlastende Fakten. Diese tauchen nur in einem Anhang vom LKA auf. Dieser Bericht war schließlich entscheidend für die Festnahme von Mario K. im September 2013 vor einem Einkaufszentrum in Köpenick.

Nicht nur die Polizistin B. steht offenbar unter einem besonderen Druck ihrer Vorgesetzten. Auch andere Mitglieder der Sonderkommission „Imker“ verhielten sich im Zeugenstand äußerst zurückhaltend oder beriefen sich auf große Erinnerungslücken. Als weiteres Indiz für die offensichtlich starke Einflussnahme der Polizeiführung auf die Zeugenaussagen von Beamten dient auch ein von Frau B. bestätigtes Gespräch mit den betroffenen Polizisten. „Sie sind beim Chef auf ihre Vernehmung vor Gericht vorbereitet worden. Das habe ich vorher noch nie erlebt“, sagte sie.

Wie berichtet hatte vor allem Hauptkommissar Lutz B. als Mitglied der Sonderkommission „Imker“ erhebliche Zweifel an den Aussagen des Entführungsopfers Stefan T. Er hatte ihm nicht geglaubt, dass er sich aus einer 33-stündigen Fesselung auf einer Schilfinsel ohne sichtbare äußere Spuren selbst befreit haben konnte. „Der Mann war körperlich gut drauf und sehr euphorisch.“ Auch Kollegen hätten sich gefragt, ob die Tat – wie vom Opfer geschildert – so habe ablaufen können.

Aufklärung hätte hier ein rechtsmedizinisches Gutachten des Bankers bringen können. „Das gehört zu den üblichen Ermittlungen“, bestätigte der stellvertretende Soko-Chef Matthias Sch. am Nachmittag. „Aus mir unerklärlichen Gründen ist dieses Gutachten im Fall Stefan T. aber unterlassen worden.“ Auch zum Wohl des Opfers hätte das so manche Zweifel vielleicht gar nicht erst aufkommen lassen. Anfangs sei auch der Leiter der Mordkommission seiner Meinung gewesen. „Irgendwann hat er die Zweifel nicht mehr geteilt“, sagte der Zeuge. Unklar blieb, weshalb der Chef seine Auffassung geändert habe. „Da kann man nur spekulieren.“

Zudem sagte der Beamte laut „Bild“-Zeitung, Polizeipräsident Arne Feuring habe eine Fallanalyse gekannt, die selbst Teilen der SoKo-Führung nicht vorlag und in der eine Kriminologin starke Zweifel an den Schilderungen des angeblichen Entführungsopfers hatte. Bei einem Spitzengespräch mit den Soko-Chefs habe Feuring erklärt, die Fallanalyse müsse nachgebessert werden. Kriminalrat Sch.: „Das ist absolut unüblich. Als politischer Beamter hat der Polizeipräsident Distanz zu den Ermittlungen zu wahren.“(mit axf, dpa)

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