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Landeshauptstadt: „Suchet der Stadt Bestes“

Der Wiederaufbau der Garnisonkirche wird zum Gemeinschaftswerk, das dem Ort einen neuen Sinn geben wird

Der Wiederaufbau der Garnisonkirche wird zum Gemeinschaftswerk, das dem Ort einen neuen Sinn geben wird Von Michael Erbach Der radikalste aller Schnitte, nämlich die Abnabelung von den Millionen der Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel, war längst überfällig. Denn Max Klaar, der Vorsitzende des Vereins, der bereits rund 5,7 Millionen Euro für den Wiederaufbau des Garnisonkirchturms gesammelt hat, war und ist ein Mann der klaren Worte. Noch am Dienstag, nachdem durchgesickert war, dass sich ein Förderverein unter Federführung des Industrieclubs Potsdam nun selbst an die Spitze der Bewegung für den Wiederaufbau der Garnisonkirche stellen will, gab es für den früheren Offizier kein Wanken. In der Sache „gibt es nichts Neues zu vermelden“, sagte Klaar am Telefon und verabschiedete sich mit seinem üblichen Spruch: „Gott befohlen!“ Der Mann, der 1984 in Iserlohn die Traditionsgemeinschaft gründete, sich also noch mitten im Kalten Krieg scheinbar unbeirrbar an den Wiederaufbau des geschichtsträchtigen Kirchenbaus heran wagte und dafür als ersten Schritt nach der Wende das Glockenspiel auf der Plantage wiedererklingen ließ; der Mann, der als Fallschirmjägeroffizier der westdeutschen Bundeswehr für seine Idee zunächst nur Ärger statt Ruhm erntete; der Mann, dem Potsdam überhaupt den Beginn der Diskussion um den Wiederaufbau verdankt, droht jetzt – ebenso unbeirrbar – endgültig ins Abseits zu geraten. Denn die Bedingungen, die Klaar der evangelischen Kirche im Gegenzug zur Übergabe der Spenden-Millionen diktieren wollte, waren und sind unannehmbar. Vor allem sein Ansinnen, Kirche dürfe sich nicht politisch engagieren, in der Garnisonkirche allein das Wort Gottes gepredigt werden dürfen, musste zurückgewiesen werden. Denn der Ort ist ein besonderer: Nicht etwa nur, weil die von Philipp Gerlach entworfene und 1735 eingeweihte Kirche zu den stadtbildprägenden Bauten des alten Potsdam gehörte und gleich zweimal Zerstörung erlitt – 1945 durch alliierte Bomber, 1968 durch ein Sprengkommando, das auf Geheiß der SED-Oberen die Ruine dem Erdboden gleich machte. Lediglich vier Stadtverordnete hatten damals den Mut, gegen diesen Beschluss zu stimmen. Ein Rechenzentrum und ein Spielplatz befinden sich jetzt an diesem Ort. Nein, viel schwerer wiegt die Geschichte des Ortes: als Militärkirche ein Spiegel preußischer Geschichte, seit dem „Tag von Potsdam“ am 31. März 1933 Symbol des Schulterschlusses zwischen Preußentum und Nationalsozialismus. Der Händedruck zwischen dem Reichskanzler Adolf Hitler und Reichspräsident von Hindenburg hat dem Ort die Unschuld genommen, seine Wiedergewinnung mit einer schweren Last versehen. Kein Wunder, dass sich die evangelische Kirche – vom Verein Max Klaars übrigens von Anfang an als Betreiber des Gotteshauses vorgesehen – ein ganzes Jahrzehnt mit der Frage quälte, ob es klug und richtig sei, die Garnisonkirche wieder aufzubauen, jenen belasteten Ort in seiner früheren Gestalt wieder zugänglich zu machen. Die wiedererrichtete Garnisonkirche als Wallfahrtsort deutschtümelnder- und kriegsverherrlichender Preußen-Fans, ein Tummelplatz von Rechtsradikalen? Folgerichtig konnte die Entscheidung der Kirche, den Wiederaufbau des Garnisonkirchturms nun doch zu verfolgen, nur mit einem Konzept verbunden werden, das die Auseinandersetzung mit dem Ort, mit Geschichte und Gegenwart sucht: Die Garnisonkirche, so sieht es das im September 2001 vorgestellte Konzept vor, soll als City- und Symbolkirche weitgehend historisch wiederaufgebaut werden, im Innern ein Internationales Versöhnungszentrum seine Arbeit aufnehmen. Das Konzept wurde von der Kreissynode der evangelischen Kirche bestätigt, erhielt von der Stadtverordnetenversammlung eine klare Unterstützung. Und eine Abfuhr von Max Klaar. Er bleibt bis heute bei den drei Bedingungen: Wiederaufbau in der historischen Gestalt, reine kirchliche Nutzung, keine Politik. In dem Kirchengebäude dürften daher auch keine homosexuellen Paare getraut, Wehrdienstverweigerer beraten werden oder Kirchenasyl erlaubt sein. Diese Forderungen wies die Kirche als unannehmbar zurück. Max Klaar muss sich darauf einstellen, dass er mit seinem Verein mehr und mehr allein da steht. So ist auch Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), der von der TPG und der Stiftung preußischer Kulturbesitz als Schirmherr des Wiederaufbaus benannt wurde, nach frustrierenden wie auch ergebnislosen Vermittlungsbemühungen jetzt – neben Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und dem Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche Deutschlands, Wolfgang Huber – einer der Schirmherren für die weltweite Spendensammlung unter Federführung des Industrieclubs. 50 Millionen Euro sollen zusammenkommen, damit spätestens 2012 das Glockenspiel „Üb’ immer Treu und Redlichkeit“ im Turm der Garnisonkirche erklingen kann. Die 5,7 Millionen Euro des Iserlohner Vereins wären dafür ein guter Grundstock. Zumal die evangelische Kirche der Traditionsgemeinschaft schon entgegengekommen ist, die Ziele der Fördergemeinschaft allen Spendern aus dem Herzen sprechen müssten. So soll nunmehr auf dem Turm des Kirchenbaus nicht mehr das Kreuz der Versöhnungskirche Coventry errichtet werden, sondern sich die alte preußische Wetterfahne im Winde drehen. Mehr noch: Statt des Turms soll jetzt gleich die ganze Kirche wiedererrichtet werden. Auch wird die Nutzung weitgehend kirchlich sein. Pfarrer Martin Vogel verweist zum Beispiel darauf, dass das Versöhnungszentrum ganz eindeutig „vom Zentrum des Glaubens“ aus agieren solle. Das Wort vom Frieden, von Versöhnung und Gerechtigkeit war schon immer auch das Wort der Kirche. Wohl auch aus diesem Grund hofft Hans P. Rheinheimer, der Vorstandsvorsitzende des Industrieclubs, dass sich der Traditionsverein doch noch an dem Projekt beteiligen wird. Jetzt, wo der Wiederaufbau der Kirche nicht mehr zwingend an die Übergabe der Spendengelder der TPG gebunden ist, sind auch die Spender gefragt. Sie müssen abwägen, ob sie ihr Geld nicht doch dem großen Ziel des Wiederaufbaus zur Verfügung stellen oder ideologischen Ansichten folgen, die sich nicht durchsetzen werden. Am gestrigen Abend, als die neue Initiative im Gebäude des Industrieclubs offiziell vorgestellt wurde, rief Huber zum Gebet für die Garnisonkirche auf. Als offene Stadtkirche soll sie Heimstatt für Suchende und Glaubende werden und zugleich ein Hort des Friedens und der Versöhnung sein. Sein Wunsch: Der berühmte Potsdamer Dreikirchenblick solle auch dem demokratischen Potsdam ein erkennbares Gesicht geben. Hubers Grußwort stand unter dem Motto: „Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn!“ Die evangelische Kirche und viele engagierte Potsdamer sind dabei, Bestes für die Stadt zu tun. Selbst wenn sie dafür bei Null anfangen.

Michael Erbach

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