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Bürgerrechtler und Pazifist. Bob Bahra engagierte sich für Freiheit und Selbstbestimmung – und nach dem Mauerfall für ein würdiges Gedenken an die Opfer des SED-Regimes.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Von einem, der bleiben wollte

Er war leidenschaftlicher Kämpfer für Freiheit und Selbstbestimmung: Der DDR-Bürgerrechtler Bob Bahra ist tot

Er hat sich eingemischt, bis zuletzt. Wenn es um DDR-Unrecht ging, um ein würdiges Gedenken an die Opfer der SED-Diktatur, zu denen er selbst zählte, dann erhob Bob Bahra seine Stimme. Und mahnte vor Vergessen und Verklärung: wie erst am vergangenen Wochenende, als er in den PNN seine Bedenken am Erhalt eines DDR-Kunstwerkes in der Stadt- und Landesbibliothek äußerte. Am Montag erlag der Grafiker, DDR-Oppositionelle und Bürgerrechtler im Alter von 70 Jahren einem Herzinfarkt.

Dass er eine ganz eigene Sprache hatte, merkte man in den Siebzigerjahren auch in den Programmheften des Hans Otto Theaters, die Bahra damals gestaltete. Hintergründiges war da zu entdecken. Beispielsweise bei „Die Gewehre der Frau Carrar“ von Bertolt Brecht, ein Stück, in dem Menschen zur Gewalt aufgefordert werden, um Krieg zu verhindern und zu beenden. Der Pazifist Bob Bahra brachte auch ein Gewehr aufs Titelbild: aber eines, das nicht schussfähig ist.

Bob Bahra war einer, der sich leidenschaftlich für Freiheit, Selbstbestimmung und gegen das Eingemauertsein einsetzte. Die eigene Unfreiheit stand dabei immer auf dem Spiel. Die Staatssicherheit hatte mehrere Augen auf ihn gerichtet. 23 Jahre lang, akribisch wurde alles notiert und archiviert. In seiner Stasi-Akte konnte er später, als die Mauer, gegen die er gekämpft hatte, gefallen war, nachlesen, um welche Uhrzeit er seine Wohnung betreten oder welches Unterhemd er getragen hatte.

1968 protestierte Bahra gegen den Einmarsch der sowjetischen Streitkräfte in die CSSR. Der Prager Frühling war in Gefahr. Die Staatsmacht wollte seinen Protest nicht akzeptieren. Er kam in den Knast. Später noch einmal.

1978 beantragten er und seine Frau Hanne die Ausreisegenehmigung. Nur raus aus dem Land der Unfreiheit. Es war dunkel, grau, aussichtslos. 1981 wurde ihnen die Ausreise gestattet. Aber plötzlich hatten die Bahras Angst vor dem Weggehen, vor dem Unbekannten, konnten sich nicht entscheiden. Die Staatsmacht verstand sie natürlich nicht. Es wäre ihnen ja nur recht gewesen, wenn der „Störenfried“ das Land verließe. Der Potsdamer Stadtrat für Inneres sagte in einem Gespräch zu dem Ehepaar: „Ich weiß genau, was Sie wollen: ein Loch in der Mauer mit einem Ein- und Ausgang, wo drüber steht ,Bahra‘!“ Ja, das wollen wir, sagten die Bahras. Sie blieben.

Aus Potsdam ziehen sich hin und wieder zurück. An der Ostsee fand Bob Bahra ein kleines Domizil. Dort malte und zeichnete er, auch ohne Auftrag. Am 10. Juni 1989 war er mit dabei, als rund 4000 Menschen, darunter Bürgerrechtler aus der gesamten DDR, vor dem ruinösen Belvedere auf dem Pfingstberg zusammenkamen. Unter dem Motto „Kultur in der Natur“ war das erste Pfingstbergfest bereits Teil der friedlichen Proteste, die das totalitäre System in die Knie zwingen sollten. „Die Wende kündigte sich in Potsdam an“, sagte Bob Bahra später. „An diesem Tag hatte unsere Welt bunte Farben.“ Noch fünf Monate gingen ins Land. Dann fiel die verhasste Mauer, das Symbol der Unfreiheit. Auch der Oppositionelle und Bürgerrechtler Bob Bahra konnte endlich frei atmen.

Und er mischte sich weiter ein: Seinem Engagement im Verein Forum zur kritischen Auseinandersetzung mit DDR-Geschichte ist es zu verdanken, dass die einzig erhalten gebliebenen Mauersegmente Potsdams am Griebnitzsee heute unter Denkmalschutz stehen. 2009 war er Mitinitiator des Potsdamer MauerVerLaufs.

Die Nachricht von Bahras Tod wurde am Mittwoch in Potsdam mit Trauer aufgenommen. Die Stadt würdigte ihn als „leuchtendes Beispiel bei der Aufarbeitung von DDR-Unrecht“ und wichtige Stütze für die Arbeit der Gedenkstätte Lindenstraße. „Als Zeitzeuge verdeutlichte er die Ausmaße und Absurdität des Verfolgungssystems in der DDR immer wieder anhand seiner Stasi-Akte“, sagte Bürgermeister Burkhard Exner. Auch Ministerpräsident Matthias Platzeck ehrte Bahra als unbeugsamen Aufklärer: „Bob war engagiert für die Wahrheit. Wo andere wegschauten, hat er umso genauer hingesehen. Wenn nötig hat er seine Stimme erhoben und sich eingemischt – auch schon zu einer Zeit, in der solch bürgerschaftliches Engagement Misstrauen und empfindliche persönliche Konsequenzen nach sich ziehen konnte.“

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