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Sport: Der schönste Moment

Jens Nowotny ist nach zwei Kreuzbandrissen wieder zurück

Kiel. Gänsehaut? Rührung? Ja, sagt Jörg Butt, „wie selten in meiner bisherigen Karriere“. Der Torhüter von Bayer Leverkusen ist nach dem 3:1 (0:0)-Sieg seines Teams beim Regionalligisten Holstein Kiel sichtlich bewegt. Einen unprätentiösen Sieg wie diesen in der ersten Runde des DFB-Pokals frühstückt Butt normalerweise en passant ab. Dies jedoch ist ein besonderer Tag, einer, der in der Erinnerung haften bleiben wird, und Butt hat beschlossen, diesen Augenblick zu genießen. „Wenn man so lange nicht dabei sein kann, ist das wirklich eine Riesensache, wieder mitzuspielen“, sagt er. Er hat fast Tränen in den Augen. Dabei geht es nicht um ihn, sondern um einen Mitspieler.

Nach zwei schweren Kreuzbandrissen hat Jens Nowotny sich soeben zurückgemeldet. Und wie.

Es waren zwar nur 240 Sekunden, die er spielte, zwei Ballkontakte zählten die Statistiker, aber in diesen flüchtigen Momenten spiegelte sich die ganze Leidenszeit des Innenverteidigers, der laut Bayer-Manager Reiner Calmund „wie kein anderer den ehrlichen Fußball verkörpert“. Allein das fast vierzigminütige Warmlaufen des 29-Jährigen hatte die knapp 10 000 Zuschauer im Holstein-Stadion mehr interessiert als das müde und niveaulose Gekicke auf dem Rasen. Als Nowotny dann zur Einwechslung an die Seitenlinie schritt, erhob sich das norddeutsche Publikum in der Fußball-Diaspora und applaudierte heftig. „Eine tolle Geste“, sagte Sportdirektor Jürgen Kohler, „der schönste Moment heute, viel wichtiger als das 3:1“, sagte ein ebenfalls gerührter Calmund.

Und auch der bejubelte Rückkehrer würdigte den Augenblick. „Das ist wie Balsam auf die Seele“, sagte Nowotny, „man wird nach so langer Verletzungszeit eingewechselt, und dann feiern einen die Zuschauer des Gegners.“ Dass es nur vier Minuten waren – egal. „Es gibt wenige ergreifende Momente für einen Fußballer“, sagte Nowotny, „aber das war einer im kleinen Stil“. Man habe ihn in Deutschland nicht vergessen.

Dass dieses Comeback so spektakulär ausfiel, ist nicht allein zu erklären mit dem fast ewigen Kampf gegen das drohende Karriereende. Calmund sagt, der Abwehrspieler habe schon immer„außerordentliche Qualitäten vermittelt, die bei vielen anderen Spielern zu kurz kommen: Identifikation mit dem Klub, Einstellung, Leidenschaft“. Nowotny strahle natürliche Autorität und Ehrlichkeit aus, sagt Calmund, fast Charisma, und „das honorieren die fußballkundigen Zuschauer, die haben dafür ein absolutes Feeling“.

Begonnen hatte die Kreuzband-Malaise im Mai 2002 im Champions-League-Halbfinale gegen Manchester United. Eine Fortsetzung fand sie im Januar 2003 im Spiel gegen Cottbus, in deren Vorfeld Nowotny als Heilsbringer dargestellt worden war. Allein seine Rückkehr, hatte der damalige Trainer Toppmöller behauptet, werde die kränkelnde Mannschaft im Nu heilen. Toppmöllers Nachfolger Klaus Augenthaler warnt nun davor, zu viel zu erwarten. Er möchte, „dass sich der Jens ganz in Ruhe in die Mannschaft spielt“, er brauche schließlich noch die nötige Fitness. Reiner Calmund sagt: „Er wird uns gut tun, und er wird der Nationalelf gut tun.“

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