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Velimir Petkovic, 62, muss mit den Füchsen Berlin am Donnerstag zum Auftakt der Handball-Bundesliga zu seinem alten Klub nach Göppingen (Beginn 19 Uhr, live bei Sky).

© Axel Heimken/dpa

Der Trainer der Füchse Berlin im Interview: Velimir Petkovic: "Training, Training, Training – das nervt"

Füchse-Coach Velimir Petkovic über den heutigen Saisonstart, seinen Titelfavoriten und die Chancen der Füchse Berlin.

Herr Petkovic, Sie haben zum Ende der letzten Saison erzählt, dass Ihnen oft die Zeit für ein gutes Buch fehlt. Was haben Sie in der Sommerpause gelesen?

Ganz ehrlich: nicht viel. Aber dafür war ich vier Wochen lang unterwegs. Ich war in Kroatien und Bosnien, habe Freunde in Eisenach und Göppingen besucht. Meine Frau ist auch zufrieden, weil wir oft zusammen spazieren gegangen sind. Es war extrem wichtig und angenehm für mich, mal ein paar Wochen gar nichts mit Sport zu tun zu haben und richtig herunterzufahren. Jetzt sind meine Batterien richtig aufgeladen und es kann wieder losgehen.

Handball war also gar kein Thema?

(Lacht) Sie kennen mich – ganz ohne geht’s auch nicht. Ich habe natürlich noch einmal die letzte Saison Revue passieren lassen und versucht, mich gedanklich auf die neue vorzubereiten.

Welche Erkenntnisse haben Sie erlangt?

Letztes Jahr war schon einmalig. Wir hatten so viele Probleme, so viele Verletzte, haben in der Winterpause mit Petar Nenadic einen unserer besten Spieler verloren – und wie hat meine Mannschaft reagiert? Sie klammert das ohne zu jammern aus und macht ihren Job. Das hat mich schwer beeindruckt und uns als Team richtig zusammengeschweißt. Von diesen Erfahrungen wird meine Mannschaft auch in Zukunft profitieren.

Teilweise standen Ihnen nur neun, zehn gesunde Spieler zur Verfügung. Wie wollen Sie dem künftig entgegenwirken?

Es war klar, dass wir in der spezifischen Vorbereitung etwas ändern mussten, ganz offensichtlich war die Belastung zu hoch. Die wenigen gesunden Spieler standen zu lange auf dem Platz, das war eine Negativspirale und hat zu weiteren Verletzungen geführt. Deshalb haben wir in der Vorbereitung auf die neue Saison ein ausgewiesenes Athletik-Trainingslager gemacht, in dem die Jungs den Ball kaum in der Hand hatten.

Welchen Eindruck haben Sie in der Vorbereitung von ihrem Team gewonnen?

Die Spieler sind erholt und motiviert. Als Trainer geht es für mich vor allem darum, auf psychologischer Ebene zu arbeiten, Charaktere zu entwickeln und sie manchmal auch zu provozieren – immer mit dem übergeordneten Ziel, dass jeder an seine Grenzen geht. Alles, was wir in den letzten Wochen gemacht haben, wird uns in der Saison helfen, das wissen auch die Spieler. Insgesamt gehen wir gut aufgestellt und vorbereitet in die Saison. Wir haben ja fünf neue Leute dazu bekommen.

Am Donnerstag startet die Bundesliga-Saison – und zum Auftakt ihrer 20. Saison als Trainer geht es gleich nach Göppingen, zu ihrem ehemaligen Verein, für den Sie viele Jahre gearbeitet haben.

Ich freue mich wahnsinnig, dass es endlich losgeht. Training, Training, Training – das nervt irgendwann, die Spieler können es langsam auch nicht mehr hören, glauben Sie mir. Das beste Konditions- und Athletiktraining sind immer noch Spiele, in denen man zusammen durchs Feuer geht. Außerdem ist das Spiel in Göppingen für mich immer eine Reise in die Vergangenheit. Die Hälfte der Leute, die am Donnerstag in der Halle sitzen werden, kenne ich ja noch bestens.

Herr Petkovic, wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?

Als Sie vor knapp zwei Jahren nach Berlin kamen, haben Sie recht offen das Ziel kommuniziert, irgendwann mit den Füchsen um die Meisterschaft mitspielen zu wollen. Ist die Mannschaft in diesem Jahr so weit?

Moment! Wenn ich mich recht erinnere, haben wir schon in der vergangenen Saison bis kurz vor Schluss um die Meisterschaft mitgespielt. Nur hat sich das für viele leider nicht so angefühlt, weil wir am Ende so dezimiert waren, dass wir keine realistische Chance hatten. Mit einem kompletten Kader wäre das vielleicht anders ausgegangen.

Mit Petr Stochl, Steffen Fäth und Drago Vukovic haben Sie im Sommer drei Ihrer erfahrensten Spieler verloren. Ein Problem?

Ich würde das eher eine Herausforderung nennen. Steffen war unser bester Torschütze, Drago hat bereits in jungen Jahren Olympia-Gold mit Kroatien gewonnen und danach eine große Karriere hingelegt. Und über Petr muss ich gar nichts weiter sagen: er war unser Kapitän, eine absolute Legende im Verein. Natürlich werden uns die drei fehlen. Aber jetzt müssen eben andere einspringen und versuchen, dieses Niveau zu erreichen. Das war im letzten Jahr unsere große Stärke und hat sich am Ende bezahlt gemacht. Wir haben perspektivisch gute Leute verpflichtet und verfügen über eine spannende, entwicklungsfähige Mannschaft. Die Frage wird nur sein: Funktioniert das in der neuen Besetzung gleich von Anfang an?

Die Mehrzahl der Bundesliga-Trainer sieht den THW Kiel im Meisterschaftsrennen vorn. Ihre Prognose?

Auf dem Papier hatte Kiel für mich auch in den letzten drei Jahren die beste Mannschaft, trotzdem sind sie nicht Meister geworden. Im Handball ist eben alles möglich. In dieser Saison erwarte ich aber einen sehr stabilen THW, die Kieler sind auch für mich der Topfavorit. Es wird spannend zu sehen sein, wie das bei denen funktioniert, zumal Erfolgstrainer Alfred Gislason in seine letzte Saison geht.

Für Sie ist im Moment gewissermaßen Halbzeit bei den Füchsen Berlin: Sie kamen vor zwei Jahren und besitzen noch einen Vertrag bis Sommer 2020. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?

Ich bin richtig zufrieden, wenn ich sehe, dass die Fans, der Manager, die Mannschaft und die Journalisten zufrieden sind. Das macht mich stolz. Ich hatte bisher eine super Zeit in Berlin, wir haben vieles angeschoben und bewegt. Wenn das so weitergeht, kann ich mir gut vorstellen, länger hier zu bleiben. Aber das entscheide ich nicht allein und auch nicht Manager Bob Hanning, das entscheiden wir alle zusammen – durch die Art und Weise, wie wir uns präsentieren und sportlich verkaufen.

Mit dem Sieg im EHF-Cup Anfang Mai dürften Ihre Chancen auf eine Weiterbeschäftigung nicht gerade gesunken sein.

Das war eine Genugtuung für mich, nachdem wir das Finale im Vorjahr noch verloren hatten. Wenn uns das wieder passiert wäre, hätte ich mir Gedanken darüber machen müssen, warum wir nicht in der Lage sind, den letzten Schritt zu machen. Das kann ich mir jetzt sparen. Aber ich sehe es wie Sie: Ich habe in meiner Zeit bei den Füchsen gute Argumente gesammelt. Allerdings weiß ich auch, dass Leistungssport ein Geschäft ist, in dem es schnell vorbei sein kann. Das Gesamtbild muss stimmen. Daran werde ich auch in Zukunft mit allem arbeiten, was ich habe.

Das Gespräch führte Christoph Dach.

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