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Was nach der Bahnrad-Karriere kommt, weiß Kristina Vogel noch nicht.

© dpa

Drama um Kristina Vogel: Wie sich Sportler nach einer Querschnittslähmung zurückkämpfen

Olympiasiegerin Kristina Vogel ist seit ihrem Unfall querschnittsgelähmt. Andere Sportler hat ein ähnliches Schicksal ereilt. Ihr Beispiel macht Mut.

Von David Joram

Bahnradsprinterin und Olympiasiegerin Kristina Vogel ist nach ihrem im Juni erlittenen Trainingsunfall querschnittsgelähmt. Im Moment kann sie noch nicht daran denken, wie es weitergeht. „Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder in den Leistungssport will und, wenn ja, in welche Disziplin“, sagte Vogel dem „Spiegel“. „Wenn ich nicht weiß, was ich kann, wie kann ich da wissen, wofür ich brenne?“ Andere Spitzensportler, die ein ähnliches Schicksal erlitten haben, machen Mut.

Rennfieber. Am 24. August 2018 sitzt Alessandro Zanardi in einem umgebauten BMW, mit dem er als Gastfahrer beim Nachtrennen der DTM im italienischen Misano teilnimmt.
Rennfieber. Am 24. August 2018 sitzt Alessandro Zanardi in einem umgebauten BMW, mit dem er als Gastfahrer beim Nachtrennen der DTM im italienischen Misano teilnimmt.

© Andreas Beil/dpa

Alessandro Zanardi, Rennfahrer

15. September 2001: Während in den USA lle Autorennen wegen des Terroranschlags abgesagt worden sind, findet auf dem Lausitzring die Champ-Car-Serie statt – vor 87 000 Zuschauern. Alessandro Zanardi, den alle nur Alex nennen, hat die Serie 1997 und 1998 gewonnen und ist nach einem kurzen Intermezzo in der Formel 1 zurückgekehrt. Sein Auto, ein Reynard-Honda, gilt als eines der schnellsten im Feld. Auf dem Lausitzring macht es nach einem Boxenstopp aber Probleme. Zwölf Runden vor dem Ende des Rennens, Zanardi liegt in Führung, stellt sich das Gefährt nach der Ausfahrt aus der Boxengasse plötzlich quer. Und dann geschieht das Unglück: Alex Tagliani rauscht heran, 320 Stundenkilometer schnell. Er kann Zanardi nicht mehr ausweichen, es kracht fürchterlich.

Zanardi verliert bei dem Crash beide Beine und unheimlich viel Blut. Wie Kristina Vogel wird auch er nach Berlin-Marzahn geflogen, 55 Minuten dauert der Transport. Keiner weiß, ob Zanardi überleben wird. „Ich empfand dieses feine Vergnügen, das aus der Gewissheit kommt, alles unter Kontrolle zu haben und ohne die leiseste Unsicherheit Herr der Situation zu sein“, schreibt Zanardi später in seiner Biografie. Drei Herzstillstände erleidet er im Hubschrauber Richtung Berlin, siebenmal wird Zanardi wiederbelebt. Der damals 34-jährige Italiener kommt nach einer Acht-Stunden- Operation durch – und erlebt nach seiner Rennsportkarriere eine zweite.

2003 fährt Zanardi in einem umgebauten Auto die restlichen Runden auf dem Lausitzring zu Ende. Die großen Erfolge feiert er fortan aber als Handbiker. 2012 gewinnt er bei den Paralympics in London zweimal Gold und einmal Silber, dasselbe gelingt ihm 2016 in Rio. Nach seiner zweiten Goldmedaille in London sagt er: „Dass ich dieses Rennen gewonnen habe, auf eine solch dramatische Weise, mit einem Sprint am Schluss, macht mich richtig stolz. Und es zeigt, dass ich inzwischen ein kompletter Radfahrer bin. Auch wenn ich keine Beine habe.“

Immer vorwärts. Ronny Ziesmer, früherer Topturner aus Cottbus, peilt die Paralympics 2020 in Tokio an.
Immer vorwärts. Ronny Ziesmer, früherer Topturner aus Cottbus, peilt die Paralympics 2020 in Tokio an.

© Jens Büttner/dpa

Ronny Ziesmer, Turner

„Die Situation um Ronny ist das schwärzeste Erlebnis meines Lebens. Wir stehen vor dem totalen Werteverlust. Was gestern noch erstrebenswert war, ist heute null“, sagt Bundestrainer Andreas Hirsch. Er meint den Trainingsunfall seines Schützlings Ronny Ziesmer, der sich am Montag, 12. Juli 2004 ereignet und die Stimmung im Team auf einen Tiefpunkt drückt. Die Diagnose nach dem missglückten Versuch, einen Tsukahara mit Doppelsalto zu stehen, steht schnell fest. Der auf dem Kopf gelandete Ziesmer hat sich kurz vor den Olympischen Spielen in Athen einen Halswirbelbruch sowie Schädigungen des Rückenmarks zugezogen. „Ziesmer wird wohl unterhalb des Kopfes gelähmt bleiben. Man kann ihm nur Hoffnung machen, dass er wieder ein erfülltes Leben führen wird“, erklärt Andreas Niedeggen, Chefarzt des Behandlungszentrums für Rückenmarksverletzungen im Unfallkrankenhaus Berlin, noch in derselben Woche.

Ziesmer muss sein Leben umstrukturieren, er probiert vieles aus, lernt wieder Auto fahren und studiert Biotechnologie. Zuletzt nimmt er an der Para- EM im August in Berlin teil, unter anderem im Keulenweitwurf. Es ist sein Debüt auf internationaler Ebene, und wo der heute 39-Jährige noch hin will, steht auch schon fest: Nach Tokio zu den Paralympics 2020 nämlich. Der „Süddeutschen Zeitung“ sagte Ziesmer vor ein paar Jahren aber auch, dass der Alltag nicht immer ganz einfach verlaufe. Es gebe „diese Tage, an denen ich alles verfluche, an denen nichts funktioniert und ich nicht so schnell machen kann wie früher.“

Kira Grünberg, Stabhochspringerin

Kira Grünberg sitzt mittlerweile zwar in einem Rollstuhl, in einer nicht ganz unwichtigen Bestenliste steht sie aber immer noch ganz oben. Grünberg hält nach wie vor den österreichischen Rekord im Stabhochsprung. Am 12. August 2014 überquert sie in Zürich 4,45 Meter und löst damit den 14 Jahre alten Rekord von Doris Auer ab. Es ist der Höhepunkt in Grünbergs Karriere – der Tiefpunkt folgt ein Jahr später. Am 15. Juli 2015 misslingt ein Trainingssprung. Statt auf der Matte landet Grünberg kurz davor und fällt auf den Hals. Der fünfte Wirbel der Halswirbelsäule ist gebrochen, die Diagnose: Querschnittslähmung. Da ist sie 21 Jahre alt und ihre sportliche Karriere beendet.

Grünberg orientiert sich neu. „Es war nach meinem Unfall logisch, dass ich einen neuen Beruf brauche“, sagte sie in einem Interview der „Tiroler Tageszeitung“. Grünberg entdeckt die Politik für sich, von der sie sagt: „Der Einstieg in die Politik hat mich nicht überrumpelt. Ich fühle mich körperlich so fit, dass ich das aushalte.“ Seit 2017 sitzt Grünberg für die Österreichische Volkspartei (ÖVP) im Parlament. In den Reihen der Konservativen ist sie als Behindertensprecherin aktiv. Erst kürzlich war Grünberg ins Visier der Korruptionsstaatsanwaltschaft geraten. Wie die „Tiroler Tageszeitung“ schreibt, wolle die Anklagebehörde gegen sie ermitteln, weil Grünberg im November 2017 ein behindertengerechtes Auto im Wert von rund 40 000 Euro geschenkt bekommen hatte. Das Problem: Die Staatsanwaltschaft schließt einen Zusammenhang mit ihrer politischen Tätigkeit nicht aus.

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