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Neue Spesen kehren gut? Seit seiner Wahl zum Fifa-Präsidenten hat sich Gianni Infantino nicht nur Freunde gemacht im Weltverband.

© dpa

Machtkampf in der Fifa: Droht Gianni Infantino ein Ethikverfahren?

Fast täglich tauchen angebliche Belege für einen verschwenderischen Lebensstil von Fifa-Chef Infantino auf. Nun wird spekuliert, die Ethikkommission des Verbandes könnte offiziell Ermittlungen aufnehmen.

Ein Blick in die Privatgemächer von Gianni Infantino könnte sich lohnen. Wenn all die Vorwürfe stimmen, dann hat der Fifa-Präsident dort wahre Reichtümer angehäuft: sechs Fußballschuhe für umgerechnet gut 1500 Euro, einen Frack für 1300 Euro, eine Matratze für 10 500 Euro, ein Stepper-Fitnessgerät für 8200 Euro und Blümchen für 790 Euro. Klingt ein bisschen wie eine Garnitur bei „Der Preis ist heiß“. Und das alles angeblich auf Kosten des Fußball-Weltverbandes.

Die Spesenliste stammt aus einer internen Mail, die vor einem Monat aufgetaucht ist, und seitdem gibt es fast täglich weitere angebliche Belege für einen verschwenderischen Lebensstil Infantinos, den der Fifa-Chef sich fremdfinanzieren lasse. Schweizer Zeitungen spekulieren, die Ethikkommission des Verbandes könnte daher an diesem Dienstag offiziell Ermittlungen aufnehmen. Am Sonntag hätten sich bereits zwei Kommissionsmitglieder zu Beratungen getroffen. Voruntersuchungen laufen bereits, 18 Zeugen wurden befragt, wohl auch Infantino selbst.

Mehr als eine Geldstrafe ist unwahrscheinlich

Ein offizielles Verfahren gegen ihn als Präsidenten wäre eine Bankrotterklärung für Infantino, der als Reformer angetreten war, das korrupte Fifa-Image zu retten. Drohen ihm nun selbst eine Verurteilung und Sperre? Auch eine vorläufige Suspendierung über 90 Tage könnte den Schweizer politisch zum Rücktritt zwingen. So spekulieren derzeit diverse Medien.

Wenn man sich umhört, stellt sich die Lage etwas anders dar. Am Dienstag werden jedenfalls keine offiziellen Ermittlungen eröffnet. Und falls doch, drohen Infantino keine Sperren, weder vorläufig noch endgültig. Denn auch wenn die Summe der Vorwürfe beachtlich ist, ist wohl keine Anschuldigung schwer genug, dass sie für mehr als eine Geldstrafe durch die Ethikrichter reicht. Eine höhere Instanz wie das Sportgericht Cas würde eine Sperre gleich wieder einkassieren. Viele der Anzeigen sind eher ein Fall für die interne Spesenordnung der Fifa. Trotzdem müssen die Ethik-Ermittler jedem Vorwurf nachgehen. Und gehen damit das Risiko ein, politisch instrumentalisiert zu werden.

Infantino und seine Uefa-Leute sind unbeliebt

Denn in der Fifa-Zentrale in Zürich herrscht derzeit offenbar intern ein Lagerkampf. Infantino und seine Gefolgsleute, die er teils vom europäischen Verband Uefa mitgebracht hat, sind unbeliebt bei großen Teilen der alteingessenen 400 Mitarbeiter im Weltverband. Vor allem bei Unterstützern von Ex-Finanzaufseher Domenico Scala, der zurücktrat, und Ex-Finanzchef Markus Kattner, der entlassen wurde. Die Gräben verlaufen dabei nicht zwingend zwischen Reformern und Reformbremsern. Vielen passt die Umstrukturierung in der Fifa-Verwaltung nicht, die mit Entlassungen einhergeht.

Ob Infantino dabei wirklich Freunden Posten verschafft und Kritiker wie den Chef des internen Reisebüros feuert, sei einmal dahingestellt. Aber schon nach der Wahl des 47-Jährigen Ende Februar hatten viele Fifa-Angestellte die Augen verdreht. Nicht nur, dass Uefa und Fifa sich nicht grün sind, aus dem europäischen Verband eilte dem Uefa-Generalsekretär Infantino ein zweifelhafter Ruf voraus. Bei der Fifa irritiert Infantino mit seinem großspurigen Auftreten; er übt wenig präsidiale Zurückhaltung – wie es die Reformen eigentlich vorsehen –, sondern greift operativ ins Tagesgeschäft ein. Vielleicht hoffen nun einige, die Ethikkommission nähme ihnen den ungeliebten Chef ab. So soll Kattner Sitzungsprotokolle für viele Personen zugänglich auf einen Fifa-Server geladen haben, sie landeten in den Medien.

Wovon lebt Infantino eigentlich?

Infantino stehen seit seiner Wahl angeblich monatlich 2000 Franken pauschal für Spesen zu, Mehrausgaben kann er einreichen. Interessant ist aber, dass er bisher noch kein Gehalt erhält. Eine Vergütungskommission solle das Salär „in nächster Zeit festlegen“, teilt die Fifa mit. Womit finanziert sich Infantino dann seit einem halben Jahr? Rücklagen? Oder durch Gönner? Ein Oligarch soll ihm und seiner Familie einen Privatjet zu einer Papstaudienz bezahlt haben. Ein Gerücht lautet, es sei ein WM-Sponsor Russlands gewesen. Also ein unethischer Interessenskonflikt? Wenn dem so ist, dürfte das die Ethikkommission interessieren.

Wie auch der Fall Wolfgang Niersbach, der in der Affäre um die WM 2006 sein Wissen um fragwürdige Zahlungen zu spät weitergab. Der frühere DFB-Präsident sitzt ja noch in Führungsämtern bei Uefa und Fifa. Gegen ihn wurde vor einem Monat ein Ethikverfahren eröffnet, derzeit laufen noch Anhörungen. In zwei bis drei Wochen ist mit einer Entscheidung zu rechnen. Alles andere als eine Sperre über zwei Jahre wäre überraschend.

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