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Nehmt Euch in Acht. Im EM-Finale führt kein Weg am deutschen Flagschiff vorbei – seit zwei Jahren hat das Paradeboot kein Rennen mehr verloren.

© Caroline Seidel/dpa

EM-Finale der Ruderer: Was macht den Deutschland-Achter so stark?

Das Flaggschiff des deutschen Ruderverbandes gilt seit Jahrzehnten als nahezu unschlagbar – auch vor dem EM-Finale in Glasgow. Und das hat einen Grund.

Wenn die Ruderer um Steuermann Martin Sauer ihr Flaggschiff am heutigen Sonntag im Glasgower Strathclyde Loch zu Wasser lassen, wird es ziemlich genau 59 Jahre her sein. Am 23. August 1959 war es, als der Mythos Deutschland-Achter entstand. Ein Begriff, der die von Karl Adam trainierte Ruder-Mannschaft bezeichnetete, die an jenem schwülen Sommertag im französischen Macon die Konkurrenz deklassierte und Europameister wurde. Ein Titel, den sich der Achter auch am Sonntag sichern kann – vielleicht sogar muss.

Denn nichts anderes wird von ihm erwartet. Der Mythos vom unschlagbaren deutschen Boot existiert bis heute. Doch was macht ihn eigentlich aus? Und wie fühlt es sich als Beteiligter an, wenn immer nur der Sieg zählt? Max Planer muss es wissen. Er sitzt im aktuellen Deutschland-Achter und kämpft heute um den Titel (13.45 Uhr/live im ZDF). Für den 27-Jährigen ist es etwas Besonderes, Teil des Mythos zu sein. „Der Achter wird ja als Sinnbild genommen für Teamwork und Zusammenhalt“, sagt Planer. „Es ist nun mal die Bootsklasse, wo sich die meisten Menschen aufeinander abstimmen müssen.“ Ein Schlüssel zum Erfolg ist der Konkurrenzkampf.

Auch menschlich muss es im Achter passen

In jedem Frühjahr kämpfen die besten Ruderer Deutschlands um einen Platz im Paradeboot. Ausschlaggebend dafür, wer genommen wird, seien ausschließlich sportliche Kriterien, sagt Planer. Doch das allein reiche nicht, um Erfolge in Serie, EM- und WM-Titel, Olympiasiege und etwa die Weltbestzeit wie 2017 einzufahren. „Ich glaube schon, dass es menschlich passen muss, um richtig erfolgreich zu sein. Man hängt viel aufeinander, gerade im Trainingslager, und wenn man sich dann nicht ausstehen kann, leidet auch die Ruderleistung darunter“, erklärt Planer, für den ein Faktor entscheidend ist: Vertrauen.

Weiter, immer weiter. Max Planer sitzt im aktuellen Deutschland-Achter.
Weiter, immer weiter. Max Planer sitzt im aktuellen Deutschland-Achter.

© dpa

„Gerade im Wettkampf, wenn man die Kelle ab dem ersten Schlag einhundert Prozent reinhält und alles gibt, muss man sich darauf verlassen, dass die anderen das auch machen.“ Damit meint er nicht, dass „jeder mit jedem befreundet“ sein müsse.

Dass die Auswahl auch diesmal wieder zu stimmen scheint, ist nicht nur für Planer offensichtlich. Seit Mai des vergangenen Jahres, seit dem EM-Sieg des neu zusammengesetzten Achters haben Max Planer und seine sieben Kollegen alle ihre Finals gewonnen. Allerdings ist die Ausgangssituation jetzt bei den European Championships, wo sie nicht nur die Ruderer repräsentieren, sondern auch Teil einer großen deutschen Mannschaft aus Turnern, Schwimmern, Triathleten und Radsportlern sind, eine andere als bei den Großereignissen zuvor. Alles außer der Goldmedaille des deutschen Flaggschiffs in Glasgow würde als herbe Enttäuschung aufgefasst.

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Diese Erwartungshaltung ist für das Team nichts Neues. Dass es allerdings auch nach hinten losgehen kann, hat man bei Olympia in Rio 2016 gesehen. Nach dem Olympiasieg vier Jahre zuvor sollte der nächste Erfolg nur eine Formalie sein, klar. Als der Achter dann Zweiter wurde, hieß es: Ihr habt verloren.

Seither aber hat die Mannschaft immer nur gewonnen. Planer kann verstehen, dass immer nur der Sieg zählt, wenn man so erfolgsverwöhnt ist – und äußert doch leise Kritik am Deutschen Ruderverband: „Natürlich liegt die Hoffnung auf uns. Ich finde es aber ein bisschen schade, dass der Verband in den anderen Disziplinen nicht unbedingt die erste Mannschaft hinschickt.“ In anderen Disziplinen will man sich lieber voll und ganz auf die Weltmeisterschaft in Bulgarien in fünf Wochen konzentrieren. Der Achter muss – natürlich – in beiden Wettbewerben mit Bestbesetzung ran.

Das will Planer aber nicht als Ausrede gelten lassen. Das Ziel ist und bleibt der EM-Titel. Allerdings stellt er sich auf ein knappes Finale ein. Besonders die überraschend starken Niederländer zählt er zu den stärksten Konkurrenten. Die gewannen den zweiten Vorlauf vor Olympiasieger Großbritannien. „Es hängt davon ab, wer neben wem auf welcher Bahn ist“, sagt Planer und nennt als Beispiel das Weltcup-Finale in Luzern, als der deutsche Achter kurzzeitig geschwächelt hatte. „Die Australier waren auf der Bahn neben uns und haben sich die ganze Zeit daran aufgegeilt, dass sie ganz knapp vor uns liegen.“

Der Deutschland-Achter ist halt immer der Maßstab. Wenn es allerdings so endet wie in Luzern, wird es Planer und Co. egal sein. Denn da gewannen sie am Ende doch noch. Mal wieder.

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