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Einer für Berlin. Jordan Torunarigha hat sich bei Hertha BSC bis zu den Profis hochgearbeitet und überzeugt in der Abwehr. Foto: Eibner/Imago

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Fußball-Bundesliga: Weshalb Hertha die Schalker schon längst überholt hat

Die Nachwuchsarbeit von Hertha erinnert an die des Gegners am zweiten Bundesliga-Spieltag – mit einem Unterschied: Die Berliner machen es besser.

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Obwohl er in Chemnitz geboren wurde, ist Jordan Torunarigha ein echter Berliner Junge. Und wie alle Berliner Jungs, die sich für Fußball begeistern, hat er einen Traumverein. Der heißt nicht Hertha BSC, für den Torunarigha seit 2006 am Ball ist, sondern Manchester United. Ein paar Nummern größer also. Von ManU träumt Torunarigha gerade aber eher selten. Warum, erklärt der 21-Jährige so: „Berlin macht es uns einfach, hier zu bleiben. Es ist eine geile Stadt, eine, die für Multikulti steht, in der viele Kulturen Zuhause sind. Jeder kann sich hier wohlfühlen. Für die Spieler, die – wie ich – schon in der Jugend für Hertha spielten, kommt noch dazu, dass auch unsere Familien hier leben. Auch das ist toll.“

Mit der geilen Stadt Berlin, ihrer Coolness und Lässigkeit könne der Bundesligist Hertha BSC nicht mithalten, heißt es oft. Zu verstaubt, verwestlicht, verkopft. Zu viel Zander, zu wenig Seeed. Herthas junge Fußballer wie Torunarigha, der bei den Berlinern den Innenverteidiger gibt, sehen das anders. In ihren Augen spielen sie in einer geilen Stadt und für einen geilen Klub. Das liegt weniger am Rahmenprogramm, sondern an den sportlichen Perspektiven. Bei Hertha haben junge Kicker glänzende Chancen.

Zwölf Spieler aus der eigenen Akademie

Spieler wie Torunarigha – jung, talentiert und ambitioniert – tummeln sich derzeit einige im Kader. Sie sind Resultat einer Transferpolitik, die ein wenig an die des heutigen Gegners erinnert.

Bei Schalke 04 wurden einst Manuel Neuer, Mesut Özil, Julian Draxler, Leroy Sané, Max Meyer oder Joel Matip ausgebildet, sie sind die bekanntesten Gesichter der hervorragenden Gelsenkirchener Nachwuchsarbeit. Als letzter Beweis gilt Thilo Kehrer, für den die Schalker erst kürzlich 37 Millionen Euro von Paris St. Germain überwiesen bekamen. Dass Kehrer den Verein verließ, verteidigte Schalkes Manager Christian Heidel so: „Der Transfer hat eine wirtschaftliche Dimension, bei der auch Schalke nicht Nein sagen kann. Kritiker wird es immer geben, aber ich muss wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen.“ Weil Spieler wie Sané oder Kehrer wechselten, hätten Mannschaft und Verein die Chance, sich weiterzuentwickeln.

Die Weiterentwicklung wird bei Schalke mit gestandeneren Fußballern umgesetzt, etwa mit Mark Uth (von der TSG Hoffenheim) und Sebastian Rudy (vom FC Bayern). Der jugendliche Esprit im Team von Trainer Domenico Tedesco hat jedenfalls merklich abgenommen, dafür spielt der Verein wieder in der Champions League. Fertige Spieler versprechen in dieser mehr Erfolg als eigene Nachwuchskräfte. Am ersten Spieltag in Wolfsburg stand mit Torhüter Ralf Fährmann nur noch ein Schalker in der Startelf, der mehrere Jahre in den Jugendteams des Vereins ausgebildet wurde. Zum Vergleich: Im April 2015, starteten die Schalker in Wolfsburg mit sieben Eigengewächsen. Stolze elf Spieler des 18er Kaders kamen aus dem eigenen Nachwuchs.

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Was Schalke damals war, ist die Hertha heute: Ein Aus- und Weiterbildungsklub. Einer, von dem die Jungen wissen, dass sie den Kader nicht ergänzen, sondern wesentlich prägen können. Manager Michael Preetz sagt zwar: „Die Mischung muss stimmen, wir haben ja auch erfahrene Spieler in unserem Kader.“ Doch im Endeffekt ist es eben so: „Wir verfolgen eine Philosophie.“ Nun muss eine solche nicht zwingend Erfolg versprechen, das vorläufige Ergebnis ist dennoch beeindruckend.

Zwölf Kicker aus der eigenen Akademie tummeln sich in Herthas Bundesliga- Kader. Maximilian Mittelstädt, 21, Torunarigha und Arne Maier, 19, gelten längst als etablierte Erstliga-Kräfte. Palko Dardai, 19, und Dennis Jastrzembski, 18, die am ersten Spieltag gegen Nürnberg eingewechselt wurden, stehen für höhere Aufgaben ebenfalls bereit.

Gegen Nürnberg: Altersdurchschnitt von 21,6 Jahren

Es sind aber nicht nur die in Berlin ausgebildeten Kicker, die Herthas jugendlichen Stil stützen. Zum zarten Durchschnittsalter der Feldspieler von 21,6 Jahren gegen Nürnberg tragen auch die externen Spieler bei. Karim Rekik, 23, Niklas Stark, 23, Ondrej Duda, 23, oder Valentino Lazaro, 22, standen gegen den Club von Beginn an auf dem Feld.

Spieler mit Entwicklungspotenzial also, die häufig – wie Rekik bei Olympique Marseille – andernorts nicht mehr richtig glücklich geworden sind. Die Vorteile solcher Transfers, in dessen Schema auch die zuletzt geholten Derrick Luckassen (PSV Eindhoven) und Marko Grujic (FC Liverpool) passen, liegen auf der Hand. Die Ablösesummen sind vergleichsweise überschaubar, das Risiko ebenfalls.

Dass Hertha diese Spieler dann auch tatsächlich bekommt, verdankt der Klub auch seinem neuen guten Ruf. „Er hat mir gesagt, dass es ein wirklich guter Klub ist, um mich als junger Spieler zu entwickeln“, sagte Grujic über seinen Wechsel zur Hertha. Mit er war Jürgen Klopp gemeint, der Trainer des FC Liverpool. Ein Lob von hoher Stelle also, was wiederum die Frage aufwirft, wie viel dies letztlich wert ist.

Hertha-Trainer Dardai hat ein Dilemma

Bei allem jugendlichen Drang zählt der Tabellenplatz am Ende natürlich mehr als nette Worte aus England, das wissen sie bei Hertha ganz genau. Trainer Pal Dardai kennt die Fallen des, wie er es formuliert, „schönen Weges“. Er sagt: „Hertha BSC lebt von diesem Dreieck: Es gibt die Trainer, die Zuschauer und das Team. Wenn einer aus dem Dreieck wackelt, wird das nicht mehr funktionieren.“ Soll heißen: Wenn ein Teil die Geduld verliert, weil die Erfolge ausbleiben, kann der schöne Weg schneller zu Ende sein als gewünscht.

Des Trainers Worte beschreiben das Dilemma ziemlich gut. Und Dardai hat auch einen Lösungsvorschlag: „Hertha BSC fehlt ein Titel. Wenn wir irgendwann einen Titel holen, dann kommt der nächste Schritt und dann wächst der Verein noch weiter.“ Er sage das „als Ausländer, als Beobachter, als kleiner ungarischer Junge von einem schwarzen Aschenplatz“. Und vielleicht auch im Namen seiner jungen Spieler, denen eines Tages womöglich Angebote aus Manchester vorliegen.

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