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Macht sich schlaue Gedanken: Hertha-Trainer Pal Dardai will Titel und größere Tore.

© dpa

Kolumne: Auslaufen mit Lüdecke: In Berlin fehlt immer etwas

Pal Dardai hat Recht: Hertha braucht mehr Erfolge. Allerdings könnte die Forderung nach größeren Toren zu ganz neuen Mauertaktiken führen.

Zwei Runden sind in Liga eins gespielt, da fegt schon wieder eine Pause dazwischen – der Länderspiele wegen. Halten wir also kurz inne, um dem Fußballsport eine kleine philosophische Komponente abzugewinnen. Einer der Vordenker dieses Sports, Herthas Trainer Pal Dardai, hat kürzlich mit einigen überraschenden Thesen reüssiert.

So sagte er zum Beispiel, dass Hertha BSC, um weiter wachsen zu können, „Titel fehlen würden“. Aber absolut! Volle Zustimmung! Endlich spricht mal einer aus, was mich seit Kindheitsgedenken an dieser Stadt wurmt. Hier hat nämlich immer was gefehlt. Mal waren es Wohnungen. Dann war es der Flughafen. Früher die Freiheit. Irgendwas fehlte eigentlich immer. Vor allem aber: Titel! Jedenfalls, solange ich mich erinnern kann. Interessant ist nun, dass Dardai in diesem Zusammenhang noch auf eine andere Erkenntnis gestoßen ist. Dass nämlich im Fußball mittlerweile zu wenig Tore fallen.

Auch das stimmt. Vor allem bei Hertha BSC. Viel zu wenig Tore! Und man darf nicht außer Acht lassen: Wenn man weniger Tore schießt, gewinnt man weniger Spiele. Und wenn man weniger Spiele gewinnt, holt man keine Titel. Und wenn man keine Titel holt, kann man nicht wachsen. Es ist ein Teufelskreis. Woran könnte das liegen? Dardai meint, es läge an „der Evolution“. Früher seien die Torwarte kleiner gewesen. Da sei das Toreschießen einfacher gewesen.

Das kann echt sein. Ich habe diese Beobachtung auch schon in meinem näheren Umfeld gemacht. Alles um mich herum wächst. Und wie! Die Pflanzen. Die Bäume. Die Menschen. Mein Sohn! Was der gewachsen ist – in den letzten Jahren! Das geht auf keine Kuhhaut! Nur die Tore bleiben immer gleich. 7,32 mal 2,44.

Dardai regte nun an, man könne doch „einen halben Meter nach oben und einen halben Meter nach links und rechts“ dranhängen. Ja, das wär’s vielleicht. Aber ich fürchte, der Ungar (1,79 Meter) hat in seinen Optimierungsvorschlägen eine kleine Sache unterschlagen. Dass es nämlich immer wieder Fußball-Trainer gibt, deren taktisches Denken sehr defensiv ausgerichtet ist. Denen es – plump gesagt – eher darum geht, Tore zu verhindern, als selbst welche zu erzielen. Und was würden die tun, bei größeren Toren? Die würden den größten Mann ins Tor stellen und davor mit zehn Innenverteidigern eine Mauer bauen. Es ist wie bei der Freiheit. Die Mauer ist in den Köpfen.

Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt hier jeden Montag über die Fußball-Bundesliga

Frank Lüdecke

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