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Pal Dardai übernimmt zum dritten Mal Hertha BSC als Cheftrainer.

© dpa/Andreas Gora

Update

Neuer Trainer nimmt bei Hertha BSC die Arbeit auf: Pal Dardai ist mehr als ein Feuerwehrmann

Pal Dardai ist zurück bei Hertha BSC. Zum dritten Mal springt er bei den Berlinern als Cheftrainer ein. So schwer aber war es noch nie. Das weiß auch Dardai.

Zum Ende des neuen Anfangs streckte Pal Dardai seinem Chef die Hand entgegen. Dardai und Benjamin Weber, der Sportdirektor von Hertha BSC, hatten sich von ihren Plätzen auf dem Podium erhoben. Sie posierten noch für ein letztes Foto und reichten sich die Hand. „Viel Glück“, sagte Dardai, der am Montag offiziell als neuer Trainer des Berliner Fußball-Bundesligisten vorgestellt worden ist.

Viel Glück, das müsste man wohl eher dem Ungarn wünschen. Zum dritten Mal nach 2015 und 2021 übernimmt er das Profiteam der Berliner. Aber so dramatisch wie im Moment war die Situation noch nie. Seit Freitagabend ist Hertha Tabellenletzter, nur sechs Spiele sind es noch bis zum Ende der Saison. „Viele haben uns jetzt schon abgeschrieben“, sagte Weber. „Aber das ist auch Ansporn.“

So unausweichlich wie die Entlassung des bisherigen Trainers Sandro Schwarz nach dem desaströsen Auftritt bei der 2:5-Niederlage gegen Schalke 04 war, so unausweichlich war angesichts der Begleitumstände letztlich wohl auch die Entscheidung für Dardai. Spekuliert wurde auch über andere Namen, über Trainer, die von außen gekommen wären und die sich erst hätten zurechtfinden müssen.

Mit Dardai kann die Kennenlernphase gleich übersprungen werden. Für ihn sprach, „dass er keinerlei Eingewöhnungszeit benötigt“, wie Weber erklärte. „Er kennt hier jeden Grashalm.“ Und auch der Kader, mit dem er jetzt zusammenarbeitet, ist ihm hinlänglich bekannt.

Ich hatte nicht den Eindruck, dass er das, wovon er lebt, noch aufbringen kann: die Leidenschaft, die Emotionalität.

Benjamin Weber, Herthas Sportdirektor, über den früheren Trainer Sandro Schwarz

Es sind schließlich erst anderthalb Jahre vergangen, dass Dardai seinen Posten als Cheftrainer bei Hertha hatte räumen müssen, weil die Chemie zwischen ihm und dem damaligen Sportchef Fredi Bobic nicht mehr stimmte. Von den elf Spielern, die am Freitag in Gelsenkirchen in der Startelf standen, haben bis auf Filip Uremovic und Marc Kempf alle schon unter Dardai gespielt.

Der Ungar, 47 Jahre alt, weiß also, was ihn erwartet. Eine mehr als anspruchsvolle Aufgabe nämlich. „Ich bin nicht hier, um irgendetwas zu versprechen“, sagte er. Wenn es nicht sechs Spiele werden, sondern zwei weitere in der Relegation hinzukämen, dann wäre das – Stand heute – schon ein Erfolg. „Relegation ist auch schön“, sagte Dardai.

Das erste Training dauerte 90 Minuten

Die Rettung wird kein Selbstläufer, auch wenn viele Fans des Klubs nach dem Trainerwechsel ihre Zuversicht wiedergefunden haben: Unser Pal, der schafft das schon, so wie er das bereits zweimal geschafft hat. „Dieses Mal reicht nicht nur harte Arbeit, dieses Mal brauchen wir auch ein Quäntchen Glück“, sagte der neue Cheftrainer. „Meine Hoffnung ist ein bisschen Spielglück.“

Nach der totalen Überzeugung, dass er das Unternehmen Klassenerhalt zu einem glücklichen Ende führen kann, hörte sich das nicht unbedingt an. Doch worauf sollte sich diese Überzeugung auch gründen? Die Mannschaft hat zuletzt nicht den Eindruck gemacht, dass sie dem Druck im Abstiegskampf gewachsen ist. Und mehr Druck als aktuell geht kaum.

Zurück auf dem Platz. Am Montag leitete Dardai sein erstes Training.

© imago/Matthias Koch/IMAGO/Sebastian Räppold/Matthias Koch

Zudem ist Dardai Fachmann genug, um die strukturellen Mängel des windschief zusammengeschraubten Kaders zu erkennen. „Eine unsichere Mannschaft“ übernimmt er nach eigenen Worten, „einen unsicheren Haufen“.

Schon bei seinem letzten Engagement war er nur bedingt von dem überzeugt, was ihm Sportchef Bobic an Spielern zur Verfügung gestellt hatte. Seitdem ist das Personalangebot qualitativ ganz sicher nicht besser geworden.

Auf die Frage, wo er die größten Mängel und Probleme bei Hertha sehe, antwortete Dardai: „Ich will keinen beleidigen.“ Fehler gebe es viele. Und trotzdem hat er wieder ja gesagt, als Weber und Tom Herrich, Herthas Finanzgeschäftsführer, ihn am Wochenende bekniet haben, den Posten des zuletzt glücklosen Schwarz zu übernehmen.

Erst nach Dardais Zusage wurde der bisherige Cheftrainer von seinem Aus in Kenntnis gesetzt. Anders als es den Eindruck erweckt hatte, war die Entscheidung noch nicht gefallen, als Schwarz am Samstagmittag nach seiner finalen Unterredung mit der sportlichen Führung das Vereinsgelände verließ.

Dardais Vertrag läuft nur bis zum Saisonende

Dass er davonfuhr, bevor die Mannschaft vom Auslaufen zurückkehrte, „das war ein unglücklicher Umstand“, sagte Weber. Zu diesem Zeitpunkt sei die Trainerfrage noch offen gewesen. Allerdings hatte Herthas Sportdirektor bei Schwarz nicht mehr den Eindruck, „dass er das, wovon er lebt, noch aufbringen kann: die Leidenschaft, die Emotionalität“.

Die größtmögliche Leidenschaft erhofft sich Weber nun von Pal Dardai, auch wenn der sich den Job nicht mehr hätte antun müssen. Der Ungar hat sein Leben, ein fast schon rentnerähnliches Dasein, durchaus genossen, sogar einen Hund hat er sich angeschafft. Mit der Ruhe aber ist es jetzt erst einmal vorbei. Eigentlich hatte sich für diese Woche Dardais bester Freund aus Ungarn zu einem Besuch in Berlin angekündigt. „Er kann kommen“, sagte Dardai. „aber er wird mich nicht sehen.“

Wenn Prince Boateng der einzige Führungsspieler in der Mannschaft ist, dann wird es nicht reichen.

Pal Dardai, neuer Trainer von Hertha BSC

Der Auftrag, Hertha vor dem Abstieg zu retten, verlangt seine volle Aufmerksamkeit. Für Pal Dardai ist das alles andere als ein x-beliebiger Job. Ein Vierteljahrhundert, mehr als die Hälfte seines Lebens, war er für Hertha tätig: erst als Spieler, dann als Trainer im Nachwuchs und schließlich bei den Profis.

Dardai fühlt sich diesem Verein verbunden. Manche sagen sogar, es müsse Liebe sein, dass er sich nun erneut als Retter in der Not zur Verfügung stellt – zumal nachdem Hertha ihn zweimal kalt abserviert hat. „Ich helfe, weil meine Kinder bei diesem Verein spielen“, sagte Dardai. Sein Sohn Marton, 21, ist Innenverteidiger bei den Profis, sein Jüngster Bence, 17, spielt in der U 19.

Pal Dardai und Sportdirektor Benjamin Weber brauchen ein kleines Wunder.

© dpa/Andreas Gora

Auf den ersten Blick mag Dardais Engagement wie das eines Feuerwehrmannes aussehen, der für ein paar Wochen einspringt und dann wieder lautlos verschwindet. So wie es Felix Magath vor einem Jahr getan hat. Erst bewahrte er Hertha in der Relegation vor dem Abstieg, anschließend wurde er in Ehren verabschiedet, um sich für die nächste Rettungsmission bei irgendeinem anderen Klub bereitzuhalten.

Für Dardai gibt es keinen anderen Klub. Nur Hertha. Und auch wenn sein Vertrag nur bis zum Saisonende läuft, denkt Dardai weit darüber hinaus. „Warum mache ich das? Warum mache ich das mit mir, mit meiner Gesundheit?“, fragte er selbst bei seiner Vorstellung. Weil er davon überzeugt ist, dass Herthas Zukunftsfähigkeit auf dem Spiel steht.

Im Sommer, so war der eigentliche Plan, wollte Dardai erneut in Hertha Akademie zurückkehren. In welcher Funktion, das sagte er nicht. Aber wohl eher nicht in einer untergeordneten Position. Auch deshalb hat Dardai aus der Halbdistanz mit Erschrecken zur Kenntnis genommen, dass zuletzt zu viele Talente aus eben dieser Akademie den Verein verlassen haben. „Das ist nicht in Ordnung“, erklärte er.

Für eine gute Nachwuchsarbeit, sein Steckenpferd, „brauchen wir eine gute A-Mannschaft“, sagte der neue Cheftrainer. „Wenn diese A-Mannschaft absteigt, dann mit mir. Und basta. Ab jetzt ist es meine Verantwortung, diese Mannschaft in der Liga zu halten.“

Ibrahim Maza spielt bei den Profis vor

Neben seinem alten Vertrauten Admir Hamzagic wird Dardai künftig auch Tamas Bodog als Co-Trainer zur Seite stehen, den sein Vorgänger Schwarz mit nach Berlin gebracht hatte. Der Ungar, 52, stammt wie Dardai aus Pecs und hat sowohl mit dessen Vater als auch mit ihm selbst zusammengespielt. „Er ist ein guter Fachmann, ein aggressiver Typ, ein Gewinnertyp“, sagte Dardai. „Es schadet nicht, dass Tamas alles kennt.“

Die Zeit drängt, das macht die Sache nicht einfacher. Am Montagnachmittag bat Dardai seine Spieler zum ersten Mal auf den Trainingsplatz. Anderthalb Stunden dauerte die Einheit. Als Dardai den Platz betrat, gab es zaghaften Applaus. „Viel Glück“, wünschte ein Fan. „Können wir brauchen“, antwortete der neue Trainer.

Dass er mit der Mannschaft erst nach seiner offiziellen Vorstellung sprechen konnte, fand Dardai eher ungünstig. Deshalb wollte er sich auch noch nicht im Detail zu seinen Plänen mit dem Team äußern. Mit welchem System er die Mannschaft am Samstag bei seinem Comeback gegen Werder Bremen aufs Feld schicken will, das hat er aber schon im Kopf; auch, welche Fehler es zwingend abzustellen gilt. „Ich sehe schon Dinge, die nicht funktionieren bei Hertha“, sagte er.

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Punkte trennen Hertha BSC von Platz 15, der den sicheren Klassenerhalt bedeuten würde.

Der neue Trainer kennt nicht nur die erste Mannschaft zur Genüge, er kennt auch den Nachwuchs aus eigener Anschauung. Er weiß daher, welche Spieler aus der Jugend möglicherweise auch für die Profis in Frage kommen. Explizit nannte er Ibrahim Maza, 17 Jahre alt und Stürmer aus der U 19, der am Montag bereits mit den Profis trainieren durfte.

Auf der Zehnerposition sieht Dardai akuten Bedarf. Da sei Hertha „nicht so gut besetzt“, sagte er. Stevan Jovetic hält der neue Coach für zu verletzungsanfällig; bei der Einheit am Montag fehlte der Montenegriner mit muskulären Problemen. Und Kevin-Prince Boateng ist ihm zu alt. Ein 22 Jahre alter Boateng, ja, das wäre ein richtig guter Zehner, aber inzwischen ist er 36.

Dass Boateng zuletzt trotzdem gespielt hat (wenn auch nicht als Zehner), dass er sogar dreimal nacheinander in der Startelf stand, sagt einiges über die Zusammensetzung des Kaders, mit dem Dardai nun zurechtkommen muss. Weil es an Führungsspielern fehlt, ist Boateng immer noch ein wichtiger Faktor, selbst wenn sein geschundener Körper den Anforderungen des Bundesligafußballs allenfalls noch in Ansätzen genügt.

Welche Rolle der grau gewordene Leitwolf künftig noch spielen kann und soll, wird eine der wichtigsten Fragen sein, die Dardai zu beantworten hat. „Das liegt an ihm“, sagte Dardai. Sprüche brauche die Mannschaft nicht, sie brauche Effektivität auf dem Platz.

„Wenn in dieser Mannschaft Prince Boateng der einzige Führungsspieler ist, dann packen wir alles zusammen und gehen wieder nach Hause. Dann wird das nichts“, sagte Pal Dardai. „Aber ich glaube, das werde ich schon hinkriegen.“

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