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Letzter Akt in Hannover. Marko Stamm versucht, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Am Samstag will er mit den Wasserfreunden wieder Meister werden.

© Gabbert/dpa

Wasserball-Finale: Spandau 04 gegen Waspo Hannover: Bis zum Siedepunkt

Der Ton im Wasserball-Finale zwischen den Wasserfreunden Spandau 04 und Waspo Hannover wird vor dem alles entscheidenden fünften Finalspiel immer schärfer.

Eine geheimnisvolle Sache ist das mit diesem Momentum. Keiner hat es je gesehen und doch ist es allgegenwärtig, auf dem Rasen, unterm Basketballring oder im Wasser. Da steht es gerade auf der Seite der Wasserfreunde Spandau 04. „Könnte man so sehen“, sagt Marko Stamm, der Kapitän des deutschen Wasserballmeisters. 36 Titel zieren die Ahnengalerie, nach zwei Niederlagen in den ersten beiden Finalspielen gegen Waspo Hannover sprach wenig für einen Anbau. In vier Tagen aber haben die Spandauer die Serie gedreht. Nach ihrem 8:6-Sieg am Mittwoch in der Sport- und Lehrschwimmhalle Schöneberg steht es 2:2 zwischen den beiden Lieblingsfeinden, Spiel fünf am Samstag in Hannover muss entscheiden. Spandau reist mit dem über Jahrzehnte gewachsenen Selbstbewusstsein an und mit einem flüchtigen Geist namens Momentum.

Wikipedia kennt dafür neun verschiedene Definitionen. Die reichen von einem Verfahren zur Analyse von Börsenkursen bis zu einer Organisation von Mitgliedern und Sympathisanten der britischen Labour Party, aber keine einzige meint die Kraft des Moments, die Sportler nach für sie günstig verlaufenen Phasen gern heraufbeschwören. Latinisiert klingt so ein kräftiger Moment gleich noch mal so wichtig. Hannovers Präsident Bernd Seidensticker sagt, das sei ihm ohnehin alles egal, „es steht 2:2 und ich werde viel lieber in Hannover Meister als in Berlin“.

Hannovers Präsident Seidensticker stänkert gegen Bundestrainer Hagen Stamm

Seidensticker vertrat in der kochenden Schöneberger Halle mit gefühlt 107 Prozent Luftfeuchtigkeit den gesperrten Trainer Karsten Seehafer. Er mag seinen Spandauer Kollegen Hagen Stamm nicht besonders. Dass Stamm mittlerweile auch wieder als Bundestrainer arbeitet, hat es nicht besser gemacht. Seidensticker fordert vom emotional mitgehenden Stamm Neutralität ein und akzeptiert nicht dessen Replik, er sei in diesem Finale zuvorderst nicht Bundestrainer, sondern Spandaus Präsident. Der schwergewichtige Mann aus Hannover lebt diese Feindschaft schon seit Jahrzehnten so obsessiv aus, dass der Spandauer Manager Peter Röhle „am liebsten gar nicht mehr hören will, was dieser Mensch sagt. Ganz ehrlich: Es interessiert mich nicht.“ Nun, so viel Neues ist da am Mittwoch auch nicht zu hören gewesen, es überrascht nur der scharfe Ton: „Dieser Mann ist charakterlich nicht geeignet für das Amt des Bundestrainers“, sagt Seidensticker. „Ich habe am meisten damit zu tun, meine Spieler zu beruhigen. Wie sollen die denn in Zukunft bei Stamm in der Nationalmannschaft spielen?“

Es geht dabei vor allem um zwei Spieler, die gar nicht für Deutschland ins Wasser steigen dürfen. Um die Montenegriner Darko Brguljan und Aleksandar Radovic, „Stamm hat die Schiedsrichter angewiesen, strenger gegen die beiden zu pfeifen“, poltert Seidensticker. „Jetzt werden sie andauernd von den Spandauern provoziert und bekommen kaum noch einen Freiwurf. Die verstehen die Welt nicht mehr. Beide lieben Deutschland und fragen sich, ob sie hier wegen ihrer Herkunft einfach nicht gewollt werden.“

Spandaus Kapitän Marko Stamm nennt Seidensticker einen "Proll"

Für Spandaus Kapitän Marko Stamm ist Seidensticker „einfach nur ein Proll“, Vater Hagen führt das Sprichwort an, nach dem es die stolze Eiche wenig juckt, wenn sich die Wildsau an ihr reibt. Und zur Sache: Ja, er habe sich beschwert, „diesmal sehr wohl als Bundestrainer, der ein Interesse daran haben muss, dass seine Nationalspieler keine Kieferbrüche und Trommelfellrisse davontragen“. Im Übrigen seien die Übergriffe von Radovic und Brguljan beim dritten Finalspiel am Sonntag in Hannover auf Video dokumentiert, die lieben Freunde aus Hannover dürften gern mal einen Blick drauf werfen.

Petar Kovacevic kennt Hannovers Montenegriner so gut wie kein anderer Berliner. Der Spandauer Trainer besitzt zwar die französische Staatsbürgerschaft, ist aber wie Radovic und Brguljan auf dem Balkan groß geworden. Am Mittwoch war er wie Hannovers Seehafer wegen einer Roten Karte aus dem dritten Duell gesperrt und verfolgte das Spiel aus einem Eckchen ganz oben auf der Tribüne. Sind Radovic und Brguljan provoziert worden? Kovacevic lächelt milde. „Die beiden sind sehr gute Spieler, die wissen, was sie wollen. Und wenn sie das mal nicht bekommen, dann…“ An dieser Stelle bricht der Franko-Montenegriner ab, aber damit ist auch schon genug gesagt. Am Samstag wird er in Hannover wieder am Beckenrand die Kommandos geben. Sein Kapitän Marko Stamm sagt, er freue sich drauf, „da sind wir letztes Jahr Meister geworden“, und an dieser Tradition sollte man doch unbedingt festhalten. „Hannover hat sich in der Champions League gegen Brescia für das Finale gegen uns eingespielt. Wir hatten diese Möglichkeit nicht, weil es für uns noch um alles ging. Na, da haben wir uns eben jetzt gegen Hannover eingespielt“, für das fünfte Finale am Samstag.

Und keiner möge bitte das Momentum unterschätzen.

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