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Der Zebrabuntbarsch Amatitlania nigrofasciata ist 1998 erstmals im Gillbach nachgewiesen worden. Die tropische Fischart, die eigentlich in Mittelamerika lebt, hat sich seither dort auch fortgepflanzt, und einen Parasiten, einen Fadenwurm, auch an einheimische Fische weiterverbreitet.

© Senckenberg

Gewässer im Klimawandel: Tropenbewohner im deutschen Bach

Exotische Fadenwürmer werden von Aquariumsfischen auf heimische Arten übertragen. Diese Lebensgemeinschaften überleben im Kühlwasser von Kraftwerken – und das seit Jahrzehnten. Der Gillbach bei Köln ist deshalb ein Testfall für den Klimawandel.

Der Gillbach ist ein Testfall für den Klimawandel. Der Bach, der über die Erft in den Rhein fließt, bietet Fischen schon heute tropische Lebensverhältnisse. Das Gewässer, dessen Quelle dem rheinischen Braunkohle-Tagebau zum Opfer gefallen ist, führt die Kühlwassereinleitungen des Braunkohlekraftwerks Niederaußem ab. Er wird selbst im Winter nicht kälter als 19 Grad. Im Sommer kann das Wasser schon mal 30 Grad erreichen, sagt Professor Sven Klimpel vom Senckenberg-Institut. Er hat im Gillbach untersucht, was die tropische Fischfauna neben einem farbenfrohen Aussehen noch zu bieten hat: Parasiten. Diese können auf einheimische Fische überspringen – und sie massiv schädigen. Nun veröffentlichte die Forschungsgruppe um Klimpel einen Teil ihrer Ergebnisse im Fachmagazin „Parasitology Research“.
Die Chefin des Bundesamts für Naturschutz (BfN), Beate Jessel, sagte dem Tagesspiegel: „Die tropische Fischfauna im überwärmten Gillbach ist bereits seit den 1970er Jahren bekannt. Der Zebrabuntbarsch wurde erstmals 1998 nachgewiesen.“ Bisher seien dort allerdings keine invasiven Arten festgestellt worden, also Arten aus fremden Lebensräumen, die angestammte Arten verdrängen und sich teils explosionsartig ausbreiten. Klimpel vermutet, dass die Fische „wohl von Aquariumsbesitzern im Gewässer ausgesetzt wurden und sich dort vermehrt“ haben. „Weltweit wurden so 115 Süßwasserfischarten verschleppt – in Deutschland sind es immerhin fünf von 15 nicht- heimischen Arten“, sagt er.
In Frankreich haben die Forscher im Kühlwasser von Atomkraftwerken bereits eine Reihe von Krankheitserregern nachgewiesen. Klimpel hat als Überträger vor allem diverse Schneckenarten im Verdacht. Vor allem Zebrabarsche, die eigentlich in Mittelamerika leben, waren jedenfalls von Fadenwürmern befallen. „Beunruhigender Weise zeigen unsere Stichproben, dass auch heimische Fische wie Döbel oder Gründling bereits von dem tropischen Parasiten befallen werden“, sagt Klimpel. Nun will seine Forschungsgruppe herausfinden, ob „der Wurm auch beispielsweise die kühleren Wassertemperaturen des Rheins übersteht“. Bisher ist das noch unklar.
Klar ist aber, dass Fische, die sich nicht gemeinsam mit bestimmten Parasiten entwickeln können – Ko-Evolution nennt das Professor Bernd Sures von der Universität Duisburg-Essen – den Befall schlechter verkraften und womöglich daran sterben. Sures hat das anhand von Fadenwürmern untersucht, die die Schwimmblase von Aalen befallen. Der Fadenwurm ernährt sich vom Blut der Aale. Aus der Schwimmblase heraus beißt er sich zu den Blutgefäßen vor. Zwar heilen diese kleinen Verletzungen, aber die Elastizität der Schwimmblase nimmt immer weiter ab. Dieses Organ ist für die Aale, die alle in der karibischen Sargassosee laichen, aber überlebenswichtig. Der Befall mit den asiatischen Fadenwürmern, die es zuvor in Europa nicht gegeben hat, „trägt wohl mit dazu bei, dass die Aale so stark zurückgegangen sind“, sagte Sures dem Tagesspiegel. Den Rest haben die Staustufen und Wasserkraftwerke erledigt, die den Aal am Wandern hindern, und vor allem die Überfischung. Die Aalfischerei war einmal ein wichtiger Wirtschaftszweig beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern. Schon 2004 antwortete die Bundesregierung auf eine FDP-Anfrage nach dem Zustand der Aalfischerei, dass der Ertrag dort dramatisch von 160 Tonnen im Jahr 1994 auf 97 Tonnen im Jahr 2002 gesunken war. Die Reaktion auf diesen Rückgang war nach Sures Angaben der Import von Aalen aus Asien – und die kamen mit den besagten Fadenwürmern. Diese Parasiten haben sich inzwischen auf drei Kontinenten ausgebreitet, nämlich Europa, Afrika und Nordamerika, und können sich dort auch vermehren, sagt Sures. 80 Prozent der in deutschen Gewässern gefundenen Aale seien von den Fadenwürmern befallen, berichtet er.

Sven Klimpel will weiter an der Frage forschen, welche Risiken von neu eingeschleppten tropischen Krankheitserregern ausgehen können, wenn sich das Klima weiter erwärmt. Der Gillbach bleibt ihm als Forschungsgewässer übrigens erhalten, obwohl zwei Kraftwerksblöcke von Niederaußem 2018 in die Braunkohlereserve eingestellt und dann stillgelegt werden sollen. Fünf Kraftwerksblöcke bleiben am Netz – und liefern dem Gillbach weiterhin zu warmes Wasser.
Für BfN-Chefin Jessel zeigen die Forschungsergebnisse von Klimpel, „dass die bisher wenig beachteten Fischparasiten ein Gefährdungspotenzial für die heimische Tierwelt haben“. Welche Auswirkungen das hat, müsse aber weiter erforscht werden. Selbst wenn die Parasiten für Menschen nicht gefährlich sind, stellen sie doch die Fischerei weiter in Frage.

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